Protestierenden droht lange Haft

Thailand

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Die thailändischen Behörden haben Haftbefehle gegen 15 prodemokratische Sprecher_innen und Aktivist_innen erlassen. Anlass war ihre Rolle bei einer Protestveranstaltung in Bangkok am 18. Juli. 16 weitere Protestierende sind wegen derselben Veranstaltung vorgeladen und angezeigt worden. Allen 31 werden schwere Verbrechen zur Last gelegt, darunter Staatsgefährdung – das entsprechende Gesetz wird von der Regierung häufig eingesetzt, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen. Bei einem Schuldspruch drohen ihnen jeweil bis zu sieben Jahre Haft. Die jüngste Welle von Festnahmen friedlicher Demonstrierender zeigt das immer schärfere Vorgehen der Behörden gegen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit.

Appell an

Prime Minister Prayuth Chan-o-cha
Office of the Prime Minister
Pitsanulok Road
Bangkok 10300
THAILAND

Sende eine Kopie an

Botschaft des Königreichs Thailand
S.E. Herrn Dhiravat Bhumichitr
Lepsiusstraße 64/66
12163 Berlin
Fax: 030- 79 48 15 11
E-Mail:
thaibln@thaiembassy.de

Amnesty fordert:

  • Lassen Sie bitte umgehend alle Anklagen gegen die 31 Protestierenden und andere Personen fallen, die nur wegen der Ausübung ihrer Rechte auf friedliche Versammlung und Meinungsfreiheit strafrechtlich verfolgt werden.
  • Bitte stellen Sie alle Versuche und Operationen ein, die dazu dienen, die öffentliche Beteiligung an friedlichen Versammlungen zu verhindern oder regierungs- und sozialkritische Stimmen zum Schweigen zu bringen.
  • Reformieren oder heben Sie bitte alle repressiven oder vagen Gesetze und Verordnungen auf, um sie mit den Verpflichtungen des Landes in Einklang zu bringen, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu achten, zu schützen und zu gewährleisten.

Sachlage

Die thailändische Regierung verfolgt 31 Personen strafrechtlich nur aufgrund der Organisation bzw. Teilnahme an einer friedlichen Demonstration am 18. Juli 2020 in der thailändischen Hauptstadt.

Am 7. August stellte die Polizei einen Haftbefehl gegen 15 der Protestierenden aus. Einige von ihnen sind danach festgenommen und gegen Kaution wieder freigelassen worden. Doch mindestens 16 weitere Personen wurden später noch vorgeladen. Alle Protestierende sehen sich schweren Anschuldigungen gegenüber, darunter staatsgefährdende Aktivitäten, die lediglich auf der friedlichen Wahrnehmung ihrer Rechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit gründen. Amnesty International geht davon aus, dass diese weitgefasste Anklage genutzt wird, um Regierungskritiker_innen zum Schweigen zu bringen.

Thailand hat eine lange Geschichte rechtswidriger oder politisch motivierter Festnahmen, und das scharfe Vorgehen gegen kritische Meinungsäußerungen im öffentlichen Raum hat erneut zugenommen. Es ist alarmierend, dass alle diese Demonstrierenden bis zu sieben Jahre Gefängnis fürchten müssen, nur weil sie friedlich von ihren Menschenrechten Gebrauch gemacht haben.

Unter internationale Menschenrechtsnormen und -Standards sind die Organisation und Teilnahme an friedlichen Versammlungen ein fundamentales Recht aller Menschen und dasselbe gilt für die Äußerung der eigenen Meinung und Kritik an der eigenen Regierung. Die Ausübung dieses Rechts ist kein Verbrechen und sollte nicht als solches behandelt werden.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 18. Juli 2020 nahmen 31 Personen, unter ihnen mehrere Studierende, an einer friedlichen Demonstration am Demokratiedenkmal in der Hauptstadt Bangkok teil. Organisiert wurde die Demonstration von der studentischen Bewegung Free Youth. Bei der Versammlung, an der etwa 2.400 Personen teilnahmen, wurden drei Forderungen an die thailändische Regierung gestellt: Auflösung des Parlaments und Neuwahlen, eine neue Verfassung und die Beendigung der Schikane von einzelnen Personen.

Bei einer Verurteilung drohen den Aktivist_innen bis zu sieben Jahre Haft. Sie werden folgender Straftaten beschuldigt: Staatsgefährdung, Versammlung mit der Absicht, Gewalt auszuüben; Weigerung der Anordnung eines Staatsbeamten nachzukommen; Behinderung öffentlicher Durchgänge und Begehen einer Gewalttat, ohne einer anderen Person körperlichen oder geistigen Schaden anzutun. Den Anklagen liegen folgende Paragrafen zugrunde: 116, 215, 368, 385 und 391 des Strafgesetzbuchs; Verstoß gegen den Notstandserlass; Straftat unter dem Infektionskrankheitengesetz; Behinderung des Verkehrs nach Paragraf 114 des Landesverkehrsgesetzes; Paragraf 19 der Wartung des Sauber- und Ordentlichkeitsgesetzes und der Einsatz eines Verstärkers ohne behördliche Genehmigung nach Paragraf 4 des Gesetzes zur Kontrolle öffentlicher Werbung mittels eines Verstärkers.

Gegen 15 der 31 Personen wurde ein Haftbefehl erlassen. Bisher sind 13 der 15 Aktivist_innen festgenommen und gegen eine Kaution von jeweils 100.000 thailändische Baht (knapp 2.700 Euro) oder durch Bürgschaften von Professor_innen oder Abgeordneten wieder freigelassen worden. Zwei Personen droht weiterhin die Festnahme. 16 weitere Demonstrant_innen werden derselben Sachverhalte beschuldigt und mussten sich am 28. August bei der Polizei auf der Wache Samranrat in Bangkok einfinden. Das Ergebnis dieser Vorladung war zum Zeitpunkt des Verfassens dieser UA noch nicht bekannt.

Einer der am 7. August festgenommenen Personen - der Anwalt Arnon Nampa - wurde wegen seiner Rolle bei einer Demonstration unter dem Motto "Harry Potter" in Bangkok am 3. August und am 19. August erneut von der Polizei der Chanasongkram-Wache festgenommen. Bei dieser Demonstration hielt Arnon Nampa eine Rede und forderte eine Reformierung der thailändischen Monarchie. Er wurde später gegen Kaution unter der Vorgabe wieder freigelassen, dieselbe Handlung nicht zu wiederholen. Die Polizei nahm Panupong Chadnok (Mike) und Arnon Nampa jeweils am 24. und 25. August wegen ihrer Teilnahme an einer Protestveranstaltung an der Universität Thammasat in der Provinz Pathum Thani am 10. August erneut fest. Die beiden werden in diesem Fall schwerer Verbrechen beschuldigt, darunter Aufwiegelung und Bedrohen der nationalen Sicherheit durch Veröffentlichungen im Computersystem.

Seit der Verhängung strenger Maßnahmen unter dem Notstandserlass am 26. März 2020 aufgrund der Covid-19-Pandemie demonstrieren Zehntausende Menschen – darunter Studierende und Schüler_innen weiterführender Schulen – und geben damit ihren Forderungen zu sozialen und politischen Fragen Ausdruck. Abgesehen von den drei Hauptforderungen, die bei der Demonstration am 18. Juli eine Rolle spielten, fordern viele Demonstrierende u.a. eine Bildungsreform, die Gleichstellung der Geschlechter, sexuelle und reproduktive Rechte und Gerechtigkeit bei Fällen des Verschwindenlassens. Seit der Notstandserlass in Kraft getreten ist, verhaften die Behörden immer mehr Menschen und leiten Strafanzeige gegen Personen ein, die an friedlichen Protesten und Aktivitäten teilnehmen. Demonstrant_innen berichten, dass sie in den letzten Monaten von örtlichen Beamt_innen zunehmend schikaniert und eingeschüchtert werden, nur weil sie an friedlichen Demonstrationen teilgenommen haben.