Sudan: Jugendliche Protestierende inhaftiert und gefoltert

Zwei Jugendliche sitzen auf einer Bank und blicken in die Kamera. Im Hintergrund ist eine Straße mit Autos zu sehen.

Mohammed Adam (links) und Mohammed al-Fatih (rechts) aus dem Sudan

Mohammed Adam und Mohammed al-Fatih werden seit mehr als einem Monat willkürlich von den sudanesischen Sicherheitsbehörden in Haft gehalten. Es besteht der begründete Verdacht, dass die Jugendlichen entführt wurden und ohne Anklage festgehalten werden, was ihre Verfahrensrechte verletzt. Außerdem sollen sie während ihrer Haft gefoltert worden sein. Dieses Vorgehen soll mit der Tötung eines Polizisten Anfang des Jahres im Zusammenhang stehen. Die sudanesischen Behörden müssen die beiden Jugendlichen freilassen, sofern sie nicht von einem unabhängigen Gericht angeklagt und in Untersuchungshaft genommen werden.

Appell an

Generalstaatsanwalt

Attorney General Khalifa Ahmad Khalifa

Jamhoria Street

11111, B.O Box: 302

SUDAN

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Sudan

Herrn S.E. Herr Abdelmoniem Osman Mohd. Ahmed Elbeiti

Katharinenstr. 17/4

10711 Berlin


Fax: 030-890 69 823

E-Mail: sudani-embassy@hotmail.com

Amnesty fordert:

  • Sofern sie nicht wegen eines international als Straftat anerkannten Verbrechens angeklagt werden oder von einem unabhängigen Gericht in Untersuchungshaft genommen werden, fordere ich Sie dringend dazu auf, Mohammed Adam und Mohammed al-Fatih umgehend freizulassen. Ihre Inhaftierung ist willkürlich und verletzt ihre Verfahrensrechte.
  • Bitte sorgen Sie auch dafür, dass sie bis zu ihrer Freilassung vor Folter und anderen Misshandlungen geschützt werden, und ihnen regelmäßiger und ungehinderter Zugang zu ihren Rechtsbeiständen, Familien und jeder notwendigen medizinischen Versorgung gewährt wird.
  • Die Berichte über ihre Folter müssen außerdem unverzüglich unabhängig und wirksam untersucht werden.

Sachlage

Die willkürliche Inhaftierung und Folter, denen der 17-jährige Mohammed Adam und der 18-jährige Mohammed al-Fatih ausgesetzt sind, sind besorgniserregend. Die beiden Jugendlichen und fünf ihrer Freunde wurden am 14. Januar unter Gewalteinsatz von einer Gruppe von Sicherheitsbeamt_innen in Zivil festgenommen, als sie gerade ein Krankenhaus in Ost-Khartum verließen. Dort wollte Mohammed Adam eine Schussverletzung am Bein behandeln lassen, die er sich einen Tag zuvor, am 13. Januar bei einer Protestveranstaltung zugezogen hatte. Auf dieser war gegen die Militärregierung demonstriert worden, die seit dem Putsch am 25. Oktober 2021 im Land herrscht. Die sieben jugendlichen Protestierenden wurden auf die Polizeiwache Nord in der Innenstadt von Khartum gebracht. Dort wurden sie zu ihrer angeblichen Mitgliedschaft in den Jugendgruppen verhört, welche die Protestveranstaltung am 13. Januar organisierten. Bis auf Mohammed Adam und Mohammed al-Fatih wurden alle Festgenommenen anschließend wieder freigelassen. Die beiden Jugendlichen befinden sich weiterhin in Haft.

Bis zum 20. Januar wurden beide an einem geheimen Ort festgehalten. Am 20. Januar wurde bestätigt, dass sie bei der Bundespolizei in Khartum-Nord festgehalten wurden. Während der ersten drei Wochen in Haft waren sie ohne Kontakt zur Außenwelt und ohne Zugang zu ihren Familien, Rechtsbeiständen oder ärztlicher Betreuung. Am 8. Februar durfte Mohammed Adams Mutter ihren Sohn das erste Mal seit seiner Festnahme besuchen. Eine ärztliche Versorgung oder Zugang zu seinem Rechtsbeistand hat er bisher nicht erhalten. Er ist mittlerweile in den Hungerstreik getreten, um gegen die willkürliche Inhaftierung von ihm und Mohammad al-Fatih zu protestieren. Außerdem sollen Mohammed Adam und Mohammed al-Fatih während ihrer Haft von Polizist_innen und Sicherheitsbeamt_innen gefoltert worden sein. Einer der Freunde, der ebenfalls mit Mohammed Adam inhaftiert war, berichtete, dass er gesehen habe, wie dieser auf sein verletztes Bein geschlagen wurde. Auch seine Mutter berichtete nach ihrem Besuch, dass Mohammed Adam auf die Beine geschlagen worden sei. Außerdem habe sie zwei Nägel gesehen, die ihm in die Beine gehämmert worden seien. Als Folge dieser Misshandlungen könne ihr Sohn nicht laufen.

Die Festnahmen von Mohammed Adam und Mohammed al-Fatih stehen vermutlich, wenn auch nicht bestätigt, in Verbindung mit der Tötung eines Polizeibrigadiers während der Protestveranstaltung am 13. Januar in Khartum. Man geht davon aus, dass die Behörden Mohammed Adam und Mohammed al-Fatih für dessen Tod verantwortlich machen, obwohl es keine Beweise für diese Vermutung gibt. Außerdem wurde noch keine offizielle Anklage gegen die beiden erhoben.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die Festnahme von Mohammed Adam und Mohammed al-Fatih geschah einen Tag nachdem der sudanesische Innenminister eine kurze Stellungnahme veröffentlichte, in der er die Tötung eines Polizeibrigadiers während der Proteste in Khartum am 13. Januar bekannt gab. Am 25. Januar wurde dann eine längere Stellungnahme vom Innenministerium veröffentlicht, in der es hieß, dass der Betroffene den Stichwunden an seinem linken Arm und im Rücken erlag. Diese sollen ihm zugefügt worden sein, als er versuchte, die Protestierenden in Schach zu halten. In der Stellungnahme wurde außerdem berichtet, dass Polizeieinheiten es geschafft hätten, die Täter ausfindig zu machen. Sie hätten einige Verdächtige festgenommen, die von Augenzeug_innen identifiziert worden seien. In den nachfolgenden Verhören hätten die Täter zugegeben, den Polizeibrigadier erstochen zu haben. Außerdem hätten sie den Verbleib der Tatwaffe offengelegt. Weiter hieß es in der Stellungnahme, dass alle Rechtsvorschriften zu den erforderlichen technischen Verfahren eingehalten worden seien. Außerdem sollen die Beschuldigten ihre Handlungen am Ort des Verbrechens nachgestellt haben und ihre richterlichen Geständnisse sollen aufgenommen worden sein. Obwohl die Verdächtigen in der Stellungnahme nicht beim Namen genannt werden, wird davon ausgegangen, dass man sich hierbei auf Mohammed Adam und Mohammed al-Fatih bezieht.

Seit dem Militärputsch im Oktober 2021 fegt eine Protestwelle über den Sudan hinweg. Die Sicherheitskräfte reagieren darauf mit einem breiten Spektrum an Unterdrückungs- und Gewaltmaßnahmen, um den Widerstand gegen die Militärregierung zu unterdrücken. Dazu zählen die unnötige und exzessive Anwendung von tödlicher Gewalt, sowie willkürliche Inhaftierungen. Bis heute haben die Sicherheitskräfte 81 Menschen getötet und Hunderte verletzt, indem sie scharfe Munition einsetzten. Seit dem Putsch sind hunderte politische Aktivist_innen und Protestierende willkürlich festgenommen worden. Durch den Putsch war eine zweijährige angespannte Phase der Kooperation zwischen dem Militär und Vertreter_innen der Zivilbevölkerung beendet worden, die gemeinsam als Machtteilungskompromiss eine Übergangsregierung gebildet hatten. Der Kompromiss kam nach der Amtsenthebung des langjährigen autoritären Herrschers Umar al-Baschir durch Militäranführer im April 2019 zustande. Ihm waren monatelange Proteste vorausgegangen, die von Sprecher_innen der Zivilbevölkerung organisiert wurden, und an denen Frauen und junge Menschen aktiv teilnahmen.