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Saudi-Arabien: 10 Nubier zu langen Haftstrafen verurteilt
Diese nubischen Männer aus Ägypten wurden in Saudi-Arabien zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.
© privat
Zehn Nubier aus Ägypten sind am 10. Oktober vom Sonderstrafgericht in Riad zu Haftstrafen zwischen 10 und 18 Jahren verurteilt worden, weil sie friedlich eine Gedenkveranstaltung abhalten wollten. Das Gerichtsverfahren verlief grob unfair. Sie wurden beschuldigt, ohne Genehmigung einen Verein gegründet zu haben, Solidarität mit der Muslimbruderschaft zu zeigen und in den Sozialen Medien Beiträge veröffentlicht zu haben. Einige der Männer sind betagt und leiden an gesundheitlichen Problemen. Alle zehn Nubier müssen umgehend freigelassen werden.
Appell an
KÖNIG
His Majesty King Salman bin Abdul Aziz Al Saud
Office of His Majesty the King
Royal Court
Riyadh
SAUDI-ARABIEN
Fax: (00 966) 11 403 3125 (über das Innenministerium)
Twitter: @KingSalman
Sende eine Kopie an
Botschaft des Königreichs Saudi-Arabien
Herr Mohammed Abdullah A. Al Dawas, Gesandter (Geschäftsträger a.i.)
Tiergartenstr. 33-34, 10785 Berlin
Fax: 030-8892 5176
E-Mail: deemb@mofa.gov.sa
Amnesty fordert:
- Ich fordere Sie auf, alle zehn Männer unverzüglich freizulassen, da sie nur deshalb inhaftiert sind, weil sie friedlich ihre Menschenrechte ausgeübt haben.
- Stellen Sie bitte außerdem sicher, dass sie bis zu ihrer Freilassung uneingeschränkten Zugang zu medizinischer Behandlung, zu den Rechtsbeiständen ihrer Wahl und zu ihren Familien haben.
- Darüber hinaus fordere ich Sie auf, Minderheiten aller ethnischen, kulturellen und sprachlichen Identitäten zu schützen und ihnen ihre grundlegende Menschenrechte auf freie Meinungsäußerung, friedliche Versammlung und Vereinigung in Saudi-Arabien zu gewährleisten.
Sachlage
Nach Angaben der Angehörigen von einem der Männer wurden sie auf Grundlage der Paragrafen 34, 43 und 44 des saudi-arabischen Antiterrorgesetzes verurteilt, weil sie ohne Lizenz einen Verein gegründet, sich mit der Muslimbruderschaft solidarisiert und Beiträge in sozialen Medien veröffentlicht hätten. Die Familien der 10 Männer wurden daran gehindert, der Urteilsverkündung beizuwohnen. Die Angehörigen von einem der Männer berichten, dass einige der Verurteilten schon älter sind und an gesundheitlichen Problemen wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Problemen leiden.
Die Männer waren am 14. Juli 2020 im Zusammenhang mit einer Kulturveranstaltung zum Gedenken an den arabisch-israelischen Krieg von 1973 zum zweiten Mal festgenommen worden. Diese Veranstaltung war für den 25. Oktober 2019 geplant gewesen. Zum ersten Mal waren sie am Morgen des Gedenktages festgenommen worden. Nach der zweiten Festnahme verbrachten sie die ersten beiden Monate ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft, ohne Zugang zu ihren Anwält*innen und Familien.
Am 10. November 2021 fand die erste Anhörung mit den zehn Nubiern aus Ägypten vor dem Sonderstrafgericht (SCC) statt. Zu diesen Zeitpunkt waren sie schon fast 16 Monate ohne Anklage inhaftiert. Bei dieser Anhörung trafen sie auch zum ersten Mal ihren Rechtsbeistand. Bei der zweiten Anhörung an 24. Januar 2021 machte ihre Verteidigung schriftlich geltend, dass die "Geständnisse" erpresst worden seien. Die Staatsanwaltschaft erhob Einspruch gegen diesen Absatz in den Gerichtsunterlagen und das Gericht wies den Rechtsbeistand an, diese Passage im Text zu ändern.
Die zehn festgenommenen ägyptisch-nubischen Männer sind: Adel Ibrahim Faqir (Leiter der nubischen Gemeinschaft in Riad), Dr. Farjallah Ahmed Youssef (ehemaliger Leiter der nubischen Gemeinschaft in Riad), Jamal Abdullah Masri (Vorsitzender der Dhamit Nubian Village Association in Riad), Mohamed Fathallah Gomaa, Sayyed Hashem Shater, Ali Gomaa Ali Bahr, Saleh Gomaa Ahmed, Abdulsalam Gomaa Ali Bahr, Abdullah Gomaa Ali und Wael Ahmed Hassan Ishaq (Mitglied der Thomas Nubian Village Association).
Das Sonderstrafgericht verurteilte Mohammad Fathallah Gomaa zu 18 Jahren Gefängnis, Dr. Farjallah Ahmed Youssef zu 17 Jahren Gefängnis sowie Adel Ibrahim Faqir und Sayyed Hashem Shater zu jeweils 14 Jahren. Die anderen sechs Männer erhielten Gefängnisstrafen zwischen 10 und 16 Jahren.
Hintergrundinformation
Die Nubier_innen sind eine ethnische Minderheit in Ägypten und im Sudan und wurden in der Vergangenheit aufgrund ihrer kulturellen, ethnischen und sprachlichen Identität marginalisiert und diskriminiert. 1964 vertrieb die ägyptische Regierung Tausende Nubier_innen gewaltsam aus ihren Häusern in Südägypten, um den Assuan-Staudamm zu bauen. Der Staudamm führte zur Überflutung mehrerer nubischer Dörfer und zu weiteren Vertreibungen. Die vertriebene nubische Bevölkerung siedelte sich in anderen Gebieten an und viele wanderten auf der Suche nach Arbeit in die arabischen Golfstaaten, z.B. nach Saudi-Arabien, aus. Um ihre Kultur und ihr Erbe zu bewahren, gründete die nubische Diaspora Kultur- und Sozialverbände. Seit Jahrzehnten wirken nubische Vereinigungen in Saudi-Arabien und konzentrieren sich ausschließlich auf kulturelle und soziale Aktivitäten.
Seit Anfang der 2000er Jahre fordern nubische Aktivist_innen zunehmend die Rückgabe ihres angestammten Landes sowie Entschädigungen für die Vertreibung. In Artikel 236 der ägyptischen Verfassung von 2014 wurde zum ersten Mal ein umfassender Entwicklungsplan für marginalisierte Gebiete, darunter auch Nubien, unter Beteiligung der lokalen Gemeinschaften festgelegt, um deren Erbe zu bewahren. Anfang 2020 bildeten 40 nubische Verbände in Riad eine Koalition und forderten den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi dazu auf, Artikel 236 einzuhalten und die Rückkehr der Nubier_innen in ihre Heimat zu ermöglichen.
Die Festnahme der zehn Nubier fand nach der Gründung der Koalition statt, am Morgen der jährlichen Veranstaltung zum Gedenken an die nubischen Soldaten, die im als Jom-Kippur bekannten Krieg vom 6. – 25. Oktober 1973 gekämpft hatten. In den vergangenen Jahren konnte die Veranstaltung in Saudi-Arabien stets durchgeführt werden, ohne dass es zu Repressalien gegen die nubische Gemeinschaft kam.