Russland: Gericht entscheidet über Zwangseinweisung

Ein Mann mit schulterlangen schwarzen Haaren und dunkelgrauem Hemd sitzt in einem Zimmer mit Holzwänden. Im Hintergrund hat es einen Aktenstapel.

Der sibirische Schamane Aleksandr Gabyshev im Oktober 2019

Am 25. Februar wird ein russisches Gericht in Süd-Westsibirien die Verlängerung von Aleksandr Gabyshevs Zwangsaufenthalt in einer psychiatrischen Einrichtung prüfen. Die Anhörung wird in der psychiatrischen Einrichtung stattfinden. Aleksandr Gabyshev ist wegen seiner Kritik an Präsident Wladimir Putin willkürlich für psychisch krank erklärt worden und wird in einer psychiatrischen Einrichtung festgehalten.

Appell an

Staatsanwalt von Nowosibirsk

Yakov Yevgenyevich Khoroshev

Prosecutor of Novosibirsk Oblast

Ul. Kamenskaya, d. 20a

630099, Novosibirsk


RUSSISCHE FÖDERATION



 

Sende eine Kopie an

Botschaft der Russischen Föderation

S.E. Herrn Sergej J. Netschajew

Unter den Linden 63-65

10117 Berlin


Fax: 030-2299 397

E-Mail: info@russische-botschaft.de

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie höflich dazu auf, alle notwendigen Schritte einzuleiten, um den Zwangsaufenthalt von Aleksandr Gabyshev in der psychiatrischen Einrichtung zu beenden. Außerdem bitte ich Sie zu garantieren, dass er für seinen friedlichen Aktivismus nicht strafrechtlich verfolgt wird.

Sachlage

Durch seine Zwangseinweisung in eine psychiatrische Einrichtung sind die Menschenrechte von Aleksandr Gabyshev verletzt worden. Er muss deshalb umgehend aus der psychiatrischen Einrichtung entlassen werden, in die er in Verbindung mit seiner Kritik an Präsident Putin und seiner Absicht, aus Protestgründen zu Fuß von Jakutsk nach Moskau zu gehen, eingewiesen wurde.

Am 25. Februar wird das Bezirksgericht Zayeltsovsky (Sajelzowski) in Nowosibirsk die Verlängerung des Zwangsaufenthalts von Aleksandr Gabyshev in der psychiatrischen Einrichtung in Nowosibirsk abwägen. Die Freiheitsberaubung aufgrund von psychischen Erkrankungen ist gemäß dem Völkerrecht und internationalen Standards ungerechtfertigt, wenn sie nicht unbedingt notwendig ist, um die Person selbst oder andere zu schützen. Während der ersten Anhörungen bezüglich der Zwangseinweisung von Aleksandr Gabyshev vor dem Stadtgericht von Jakutsk im Juli 2021 und vor dem Obersten Gerichtshof der Republik Jakutien (Sacha) im September 2021 wurden den Gerichten keine ausreichenden Beweise vorgelegt, um zu belegen, dass er eine Gefahr für sich und andere darstellt. Außerdem wurde während des Prozesses sein Recht auf ein faires Gerichtsverfahren verletzt.

Das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, dessen Vertragsstaat Russland ist, verbietet die Freiheitsberaubung aufgrund von Behinderungen jeglicher Art, einschließlich psychischer oder geistiger Beeinträchtigungen. Darüber hinaus kann laut dem Sonderberichterstatter über Folter eine medizinische Behandlung, die ohne freie und auf Kenntnis der Sachlage gegründete Einwilligung durchgeführt wird, unter Umständen als Folter oder andere Misshandlung gelten.

Indem Aleksandr Gabyshev die Freiheit verwehrt wird, seinen friedlichen Aktivismus auszüben, verletzten die russischen Behörden ihre Verpflichtungen im Rahmen internationaler Menschenrechtsnormen. Dazu gehören die Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit sowie das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Im Juli 2021 entschied das Stadtgericht von Jakutsk, Aleksandr Gabyshev in eine psychiatrische Einrichtung einzuweisen. Diese Entscheidung wurde im September 2021 durch den Obersten Gerichtshof der Republik Jakutien (Sacha) bestätigt. In der Begründung hieß es, Aleksandr Gabyshev sei psychisch krank. Diese Einschätzung steht im Zusammenhang mit seinem friedlichen Aktivismus gegen Präsident Putin sowie seiner Aussage, den Kreml mithilfe seiner schamanischen Kräfte von Putin zu "säubern". Aleksandr Gabyshev befindet derzeit in einer psychiatrischen Sondereinrichtung in Nowosibirsk, die ungefähr 1000 Kilometer von seinem Zuhause in Jakutsk entfernt liegt.

Der Schamane Aleksandr Gabyshev ist seit seinem ersten Versuch im September 2019 für sein Vorhaben bekannt, 8.500 Kilometer von Jakutsk nach Moskau zu wandern und seine schamanischen Kräfte dafür nutzen zu wollen, den Kreml von Wladimir Putin zu "säubern". Dafür ist er schon mehrfach von den Behörden ins Visier genommen worden. Seine erste Festnahme erfolgte im September 2019. Damals wurde er von bewaffneten, maskierten Sicherheitskräften festgenommen, die ihn von einem Campingplatz wegbrachten, ohne sich auszuweisen oder eine Begründung für die Festnahme zu nennen. Aleksandr Gabyshev wurde in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen, kam aber bald wieder frei. Danach wurde er unter Beobachtung gestellt und galt als Verdächtiger wegen "öffentlichen Aufrufs zu extremistischen Aktivitäten" unter Paragraf 208 (1) des Strafgesetzbuches. Im Mai 2020 versuchte er erneut, zu Fuß nach Moskau zu gehen und wurde wieder festgenommen, weil er sich geweigert haben soll, sich auf Covid-19 testen zu lassen. Er wurde von Psychiater_innen in einer Klinik untersucht, die feststellten, dass er im Zusammenhang mit seiner Absicht, "der Regierung zu schaden", an einer "Überbewertung seiner eigenen Persönlichkeit" leide. Nach öffentlicher Kritik in Russland und auf internationaler Ebene wurde er am 22. Juli 2020 aus der Klinik entlassen.

Nachdem er angekündigt hatte, sich erneut nach Moskau aufzumachen, leiteten die Behörden am 27. Januar 2021 weitere strafrechtliche Schritte gegen Aleksandr Gabyshev ein. Unter dem Vorwand, dass er einen Psychiatertermin für seine vermeintliche psychische Erkrankung nicht wahrgenommen hatte, schickten die Behörden ungefährt 50 Ordnungskräfte in Kampfausrüstung zu seinem Haus in Jakutsk. Diese wurden von dem stellvertretenden Innenminister von Jakutien angeführt und von Ärzt_innen begleitet und nahmen ihn fest. Die Polizei gab an, dass Aleksandr Gabyshev während seiner Festnahme ein jakutisches Zeremonienschwert gezogen und einem der Ordnungskräfte eine kleine Schnittwunde zugefügt habe. Am 2. Februar gab die Ermittlungsbehörde bekannt, dass er offiziell wegen "Aufrufs zum Extremismus" und "Gewaltanwendung gegen Polizeibeamte" angeklagt worden sei. Am 18. März 2021 sagten medizinische Expert_innen, dass bei ihm ein psychisches Problem diagnostiziert wurde.