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Verbleib von Folteropfer unbekannt
Russische Föderation "Zensur"
© Amnesty International
Am 5. September wurde der 19-jährige Salman Tepsurkaev aus der Region Krasnodar im Süden Russlands entführt. Er war Administrator des Telegram-Kanals 1ADAT, der Kritik an den tschetschenischen Behörden übt. Berichten zufolge wurde er nach Tschetschenien gebracht und wird möglicherweise in Grosny von Sicherheitskräften ohne Kontakt zur Außenwelt in geheimer Haft gehalten. Sein Verbleib ist nach wie vor unbekannt, doch in den Sozialen Medien ist ein Video zu sehen, in dem er sexuell misshandelt wird, um ihn für seine Zusammenarbeit mit 1ADAT zu "bestrafen".
Appell an
Lt.-Gen. Vitaly Gheorgievich Volkov
Ul. Altaiskaya, d. 3,
Grozny, Chechen Republic
364000
RUSSISCHE FÖDERATION
Sende eine Kopie an
Botschaft der Russischen Föderation
S. E. Herrn Sergei J. Netschajew
Unter den Linden 63-65
10117 Berlin
Fax: 030 – 2299 397
E-Mail: info@russische-botschaft.de
Amnesty fordert:
- Ergreifen Sie umgehend Maßnahmen, um das Schicksal und den Verbleib von Salman Tepsurkaev festzustellen.
- Sorgen Sie zudem für seine umgehende und bedingungslose Freilassung und stellen Sie sicher, dass er Zugang zur Justiz und wirksamen Rechtsbehelfen hat.
- Leiten Sie bitte eine umfassende, zielführende, unabhängige und unparteiische Untersuchung der Entführung von Salman Tepsurkaev ein und sorgen Sie dafür, dass alle Vorwürfe über sexuelle Nötigung, Folter und andere Misshandlungen untersucht und die mutmaßlich Verantwortlichen in fairen Verfahren vor Gericht gestellt werden.
Sachlage
Salman Tepsurkaev ist Administrator des Telegram-Kanals 1ADAT, der den tschetschenischen Behörden kritisch gegenübersteht und über Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien aufklärt. Der 19-Jährige wurde Berichten zufolge entführt und gefoltert. Er "verschwand" am 5. September in Gelendschik in der russischen Region Krasnodar, und am 7. September fand in den Sozialen Medien ein Video Verbreitung, in dem zu sehen ist, wie Salman Tepsurkaev sexuell misshandelt wird. Gegen Ende der Aufzeichnung sagt Salman Tepsurkaev, dies sei seine Strafe für die Zusammenarbeit mit 1ADAT.
1ADAT sowie unabhängige russische Medien und Menschenrechtsorganisationen haben seither neue Videoaufnahmen und andere Materialien veröffentlicht, die darauf hindeuten, dass Salman Tepsurkaev von Angehörigen der tschetschenischen Sicherheitskräfte nach Tschetschenien verschleppt und dort rechtswidrig inhaftiert wurde. Diese Quellen benennen auch die behördliche Einrichtung in Grosny, in der er wahrscheinlich festgehalten wird. Da er keinen Kontakt zur Außenwelt hat, ist er in besonderem Maße von weiterer Folter und Misshandlung bedroht.
Hintergrundinformation
Der Telegram-Kanal 1ADAT besteht seit Anfang März 2020 und hat mittlerweile mehrere Tausend Nutzer_innen. Der Kanal veröffentlicht Informationen über Menschenrechtsverletzungen wie z. B. Entführungen und rechtswidrige Inhaftierungen in Tschetschenien und postet auch satirische Skizzen von tschetschenischen Beamt_innen. Er wird von mehreren Administratoren verwaltet, die anonym bleiben und sich selbst als "Volksbewegung" und "Kämpfer_innen gegen das Regime von Ramsan Kadyrow" bezeichnen.
Laut der unabhängigen russischen Zeitung Novaya Gazeta versuchen die tschetschenischen Behörden seit Mai, die Gründer_innen, Administrator_innen und Mitwirkenden von 1ADAT ausfindig zu machen, von denen sich die meisten offenbar in Tschetschenien befinden. Dank der von den Administrator_innen ergriffenen Sicherheitsmaßnahmen blieben diese Versuche bisher allerdings erfolglos. Salman Tepsurkaev gefährdete jedoch seine Anonymität, indem er persönliche Informationen an eine Person weitergab, bei der es sich wahrscheinlich um einen Undercover-Polizisten handelte.
Unter Ramsan Kadyrow sind Menschenrechtsverletzungen in der russischen Teilrepublik Tschetschenien an der Tagesordnung, und die Verantwortlichen gehen beinahe immer straffrei aus. Die freie Meinungsäußerung wird seit Jahren brutal unterdrückt. Amnesty International und andere Menschenrechtsorganisationen haben zahlreiche Vorfälle dokumentiert, in denen Kritiker_innen der Behörden – darunter Menschenrechtsverteidiger_innen, Journalist_innen und Blogger_innen – entweder auf der Grundlage haltloser Anklagen strafrechtlich verfolgt und inhaftiert oder entführt und getötet wurden. Wer es wagt, Ramsan Kadyrow oder seine Verwandten und Verbündeten bzw. andere Regierungsangehörige zu kritisieren, wird in vielen Fällen gezwungen, sich vor laufender Kamera zu erniedrigen und öffentlich für die Aktivitäten zu "entschuldigen". Diese Aufnahmen werden aufgezeichnet und entweder im Fernsehen ausgestrahlt oder in die Sozialen Medien gestellt. Gleiches gilt für Personen, die auf Probleme in ihrer Gegend wie z. B. die Schließung eines Krankenhauses aufmerksam machen oder auf eine Weise um Unterstützung bitten, die Tschetschenien nach Auffassung der Behörden in einem schlechten Licht erscheinen lässt (zum Beispiel die Bitte um Unterstützung für den Unterhalt einer Großfamilie). Diese Praxis der öffentlichen Erniedrigung wird seit 2015 großflächig angewandt. Im Dezember 2015 wurde ein Mann gefilmt, der sich mit heruntergelassener Hose für die Kritik an Ramsan Kadyrow entschuldigte und seine Loyalität gegenüber den tschetschenischen Behörden beteuerte.
Kritiker_innen von Ramsan Kadyrow sind auch im Ausland nicht sicher – es gibt immer wieder Berichte über verdächtige Angriffe und Tötungen, die von Tschetschenien auszugehen scheinen. So wurde z. B. am 13. Januar 2009 Umar Israilov, ehemaliger Leibwächter und später öffentlicher Kritiker von Ramsan Kadyrow, in Wien erschossen. Umar Israilov hatte Aussagen gemacht, die Ramsan Kadyrow direkt mit Folter und anderen Menschenrechtsverletzungen in Verbindung brachten. Am 1. Februar 2020 wurde der tschetschenische Blogger Imran Aliev (auch bekannt als "Mansur der Alte") tot im nordfranzösischen Lille aufgefunden. Am 4. Juli 2020 wurde der Blogger Mamikhan Umarov in einem Wiener Vorort erschossen. Beide Blogger waren heftige Kritiker von Ramsan Kadyrow. Am 26. Februar 2020 wurde ein weiterer Blogger und Kadyrow-Kritiker, Tumso Abdurakhmanov, in seiner Wohnung im europäischen Ausland von einem Unbekannten mit einem Hammer angegriffen. Er konnte den Angreifer überwältigen und überlebte die Attacke.