Urteile gegen Krimtataren aufheben!

Emir-Usein Kuku steht am Meer

Der krimtatarische Menschenrechtsverteidiger Emir-Usein Kuku (Archivfoto aus dem Jahr 2015)

Das Urteil gegen den Menschenrechtsverteidiger Emir-Usein Kuku und seine fünf Mitangeklagten wird in Kürze von einem militärischen Berufungsgericht überprüft. Die sechs Männer wurden auf der russisch besetzten Krim festgenommen und einem russischen Militärgericht vorgeführt. Im November 2019 wurden sie wegen konstruierter Anklagen zu langen Haftstrafen verurteilt. Sie sind gewaltlose politische Gefangene, die umgehend und bedingungslos freigelasssen werden müssen. Die Schuldsprüche gegen sie sind rückgängig zu machen.

Appell an

Leitender Militärstaatsanwalt

Valeriy Georgievich Petrov

Pereulok Holzunova 14

Moscow 119021

RUSSISCHE FÖDERATION

Sende eine Kopie an

Botschaft der Russischen Föderation

S. E. Herrn Sergei J. Netschajew

Unter den Linden 63-65

10117 Berlin


Fax: 030-2299 397


E-Mail: info@russische-botschaft.de

Amnesty fordert:

  • Bitte stellen Sie die Strafverfolgung von Emir-Usein Kuku, Muslim Aliev, Vadim Siruk, Enver Bekirov, Arsen Dzhepparov und Refat Alimo umgehend ein.
  • Lassen Sie die fünf Männer bitte umgehend und bedingungslos frei und stellen Sie sicher, dass die Urteile aufgehoben werden, so dass die Männer nicht als vorbestraft gelten.

Sachlage

Die Krimtataren Emir-Usein Kuku, Muslim Aliev, Vadim Siruk, Enver Bekirov, Arsen Dzhepparov und Refat Alimo sind seit mehr als vier Jahren in Russland inhaftiert. Sie haben keine international als Straftat anerkannte Handlung begangen und wurden in langwierigen und unfairen Gerichtsverfahren auf der Grundlage konstruierter Anklagen verurteilt.

Die sechs Männer wurden 2016 festgenommen und im November 2019 ohne glaubwürdige Beweise wegen terrorismusbezogener Anklagen und anderer Vorwürfe zu langen Haftstrafen verurteilt. Amnesty International betrachtet ihre Strafverfolgung als politisch motiviert. Ihre Überstellung von der Krim nach Russland und ihr Verfahren vor einem russischen Militärgericht verstoßen gegen das humanitäre Völkerrecht und das Recht der Angeklagten auf ein faires Gerichtsverfahren. Muslim Aliyev wurde zu 19 Jahren Freiheitsentzug in einer Strafkolonie verurteilt. Enver Bekirov erhielt 18 Jahre, Vadim Siruk und Emir-Usein Kuku wurden zu jeweils zwölf Jahren Haft verurteilt, Refat Alimov zu acht Jahren und Arsen Dzhepparov zu sieben Jahren.

Dieses Strafverfahren passt in das Muster der Verfolgung von Angehörigen der Gemeinschaft der Krimtatar_innen und aller kritischer Stimmen seit der russischen Annektierung der Krim-Halbinsel im Jahr 2014. Der Menschenrechtsverteidiger Emir-Usein Kuku und seine Familie waren bereits vor seiner Festnahme im Jahr 2016 wiederholt von Angehörigen des russischen Geheimdienstes FSB schikaniert worden. Durch seine Festnahme und Inhaftierung scheint man ihn endgültig davon abhalten zu wollen, Menschenrechtsverletzungen auf der Krim anzuprangern.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die Krim-Halbinsel geriet im Jahr 2014 unter russische Kontrolle, nachdem Russland im Februar und März 2014 Truppen auf die Halbinsel schickte und eine "Volksabstimmung" organisierte, um die rechtswidrige Annektierung des Territoriums zu rechtfertigen.

Die Gemeinschaft der Krimtatar_innen machte vor der russischen Besetzung der Halbinsel etwa zwölf Prozent der dortigen Bevölkerung aus. Unter den Kritiker_innen der russischen Besetzung finden sich zahlreiche einflussreiche Krimtatar_innen, weshalb die De-facto-Behörden die gesamte Gemeinschaft der Krimtatar_innen als illoyal betrachten und sie mit Vergeltungsmaßnahmen ins Visier nehmen. Auch andere kritische Stimmen werden unterdrückt. Unabhängige Medienkanäle mussten bereits schließen, und pro-ukrainische Aktivist_innen werden mit konstruierten Anklagen wie "Extremismus" und "Terrorismus" überzogen. Einige Aktivist_innen sind dem Verschwindenlassen zum Opfer gefallen. In manchen dieser Fälle deutet die Beweislage darauf hin, dass es sich bei den Verantwortlichen um die De-facto-Behörden oder in ihrem Auftrag agierende Paramilitärs handelt.

Emir-Usein Kuku ist einer der bekanntesten krimtatarischen Menschenrechtsverteidiger. Er ist bereits vor seiner Inhaftierung mehrmals schikaniert worden. Bei seiner Festnahme wurde er von FSB-Angehörigen körperlich misshandelt. Auch seine Frau und seine Kinder sind in der Vergangenheit bedroht worden.

Emir-Usein Kuku wurde am 11. Februar 2016 festgenommen. Aufgrund seiner mutmaßlichen Verbindungen zu der islamistischen Bewegung Hizb ut-Tahrir wurde er angeklagt, die "Aktivitäten einer terroristischen Organisation organisiert" zu haben. Hizb ut-Tahrir gilt in Russland als "terroristische" Gruppierung, ist in der Ukraine jedoch legal. Emir-Usein Kuku bestreitet, Verbindungen zu Hizb ut-Tahrir zu haben. Die Vorwürfe gegen ihn und seine Mitangeklagten basieren auf heimlich beschafften und mutmaßlich manipulierten Aufnahmen von Gesprächen sowie auf Aussagen "geheimer Zeugen" und Aussagen russischer Sicherheitskräfte, die von den Angeklagten als unwahr zurückgewiesen werden. Nach Abschluss der Ermittlungen im Dezember 2017 wurden Emir-Usein Kuku und seine Mitangeklagten von der russisch besetzten Krim in die Stadt Rostow am Don im Südwesten Russlands überstellt, was gegen das humanitäre Völkerrecht verstößt. Sie mussten sich vor einem Militärgericht verantworten, was gegen ihr Recht auf ein faires Gerichtsverfahren verstößt.

Die Staatsanwaltschaft legte während des Verfahrens keinerlei glaubwürdige Beweise dafür vor, dass Emir-Usein Kuku Muslim Aliev, Vadim Siruk, Enver Bekirov, Arsen Dzhepparov und Refat Alimov eine international als Straftat anerkannte Handlung begangen haben. Dennoch wurden sie gemäß Paragraf 205.5 des russischen Strafgesetzbuchs wegen Mitgliedschaft in einer "terroristischen" Organisation sowie wegen weiterer mutmaßlicher Straftaten schuldig gesprochen. Emir-Usein Kuku wurde außerdem der "Verschwörung mit dem Ziel einer gewaltsamen Machtergreifung" (Paragraf 278 des russischen Strafgesetzbuchs) für schuldig befunden. Vertreter_innen von Amnesty International waren bei einigen Anhörungen anwesend.