Lange Haftstrafen für Krimtataren

Die angeklagten Krimtataren im Gerichtssaal

Die angeklagten Krimtataren im Gerichtssaal

Am 12. November erklärte ein russisches Militärgericht den Krimtataren und Menschenrechtsverteidiger Emir-Usein Kuku und seine fünf Mitangeklagten konstruierter Anklagen für schuldig. Nach einem in die Länge gezogenen, unfairen Verfahren wurden sie zu Haftstrafen zwischen sieben und 19 Jahren verurteilt. Emir-Usein Kuku und seine Mitangeklagten sind gewaltlose politische Gefangene, die umgehend und bedingungslos freigelassen werden müssen.

Appell an

Militärstaatsanwalt

Lt.-Gen. Sergei Kolomiyets

Southern Military Region

Pushkinskaya Street, 72/korpus A

Rostov-on-Don 344002

RUSSISCHE FÖDERATION

Sende eine Kopie an

Botschaft der Russischen Föderation

S. E. Herrn Sergei Nechaev


Unter den Linden 63-65

10117 Berlin

Fax: 030-2299 397


E-Mail: info@russische-botschaft.de

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie höflich auf, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um sicherzustellen, dass Emir-Usein Kuku uns seine fünf Mitangeklagten umgehend und bedingungslos freigelassen und ihre Schuldsprüche aufgehoben werden.

Sachlage

Die Krimtataren Emir-Usein Kuku, Muslim Aliev, Vadim Siruk, Enver Bekirov, Arsen Dzhepparov und Refat Alimo sind am 12. November zu langen Haftstrafen verurteilt worden.

Seit ihrer Festnahme vor mehr als drei Jahren sind ihre Rechte immer wieder schwer verletzt worden. Ihr Verfahren nach dem russischen Strafrecht vor einem Militärgericht verstößt gegen das humanitäre Völkerrecht und ihr Recht auf ein faires Gerichtsverfahren. Die Anklagen gegen sie sind konstruiert. Während ihres viel zu lange dauernden Verfahrens wurden keine glaubhaften Beweise für eine international als Straftat anerkannte Handlung vorgelegt.

Dennoch wurden sie vom Militärgericht des südlichen Bezirks der "Organisation von Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung" und der "versuchten Machtübernahme" (Teil 2 von Paragraf 205.5, Paragraf 30 und Paragraf 278 des Russischen Strafgesetzbuchs für schuldig befunden. Muslim Aliyev wurde zu 19 Jahren Gefängnis in einer Strafkolonie verurteilt. Enver Bekirov, Vadim Siruk und Emir-Usein Kuku wurden zu jeweils zwölf Jahren, Refat Alimov zu acht Jahren und Arsen Dzhepparov zu sieben Jahren Haft verurteilt.

Dieses Strafverfahren passt in das Muster der Strafverfolgung von Angehörigen der Gemeinschaft der Krimtatar_innen und aller kritischer Stimmen seit der russischen Annektierung der Krim-Halbinsel im Jahr 2014. Emir-Usein Kuku ist ein Menschenrechtsverteidiger und bekanntes Mitglied der Gemeinschaft der Krimtatar_innen. Er hat lautstark Kritik an Menschenrechtsverletzungen geäußert und die Nötigung von und Drohungen gegen Angehörige der Gemeinschaft öffentlich gemacht.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die Krim-Halbinsel geriet im Jahr 2014 unter russische Kontrolle, nachdem Russland im Februar und März 2014 Truppen auf die Halbinsel schickte und eine "Volksabstimmung" organisierte, um die rechtswidrige Annektierung des Territoriums zu rechtfertigen.

Die Gemeinschaft der Krimtatar_innen machte vor der russischen Besetzung der Halbinsel etwa zwölf Prozent der dortigen Bevölkerung aus. Unter den Kritiker_innen der russischen Besetzung finden sich zahlreiche einflussreiche Krimtatar_innen, weshalb die De-facto-Behörden die gesamte Gemeinschaft der Krimtatar_innen als illoyal betrachten und sie mit Vergeltungsmaßnahmen ins Visier nehmen. Auch andere kritische Stimmen werden unterdrückt. Unabhängige Medienkanäle mussten bereits schließen, und pro-ukrainische Aktivist_innen werden mit konstruierten Anklagen wie "Extremismus" und "Terrorismus" überzogen. Einige Aktivist_innen sind dem Verschwindenlassen zum Opfer gefallen. In manchen dieser Fälle deutet die Beweislage stark darauf hin, dass es sich bei den Verantwortlichen um die De-facto-Behörden oder in ihrem Auftrag agierende Paramilitärs handelt.

Emir-Usein Kuku ist auf der Krim einer der bekanntesten krimtatarischen Menschenrechtsverteidiger. Er ist bereits vor seiner Inhaftierung mehrmals schikaniert worden. Bei seiner Festnahme wurde er von Angehörigen des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB körperlich misshandelt. Auch seine Frau und seine Kinder sind in der Vergangenheit bedroht worden.

Emir-Usein Kuku wurde am 11. Februar 2016 festgenommen. Aufgrund seiner mutmaßlichen Verbindungen zu der islamistischen Bewegung Hizb ut-Tahrir wurde er angeklagt, die "Aktivitäten einer terroristischen Organisation organisiert" zu haben. Hizb ut-Tahrir gilt in Russland als "terroristische" Gruppierung, ist in der Ukraine jedoch legal. Emir-Usein Kuku bestreitet, Verbindungen zu Hizb ut-Tahrir zu haben. Die Vorwürfe gegen ihn und seine Mitangeklagten basieren auf heimlich beschafften und mutmaßlich manipulierten Aufnahmen von Gesprächen sowie auf Aussagen "geheimer Zeugen" und Aussagen russischer Sicherheitskräfte, die von den Angeklagten als unwahr zurückgewiesen werden. Nach Abschluss der Ermittlungen im Dezember 2017 wurden Emir-Usein Kuku und seine Mitangeklagten von der russisch besetzten Krim in die Stadt Rostow am Don im Südwesten Russlands überstellt, was gegen das humanitäre Völkerrecht verstößt. Seither mussten sie sich vor einem Militärgericht verantworten, was gegen ihr Recht auf ein faires Gerichtsverfahren verstößt.