Ohne Kontakt zur Außenwelt inhaftiert

Diese Urgent Action ist beendet.

Nach sehr unfairen Gerichtsverfahren waren in Oman 2018 sechs Männer wegen "Verletzung der Unabhängigkeit oder Einheit des Landes oder der Unantastbarkeit des Staatsgebiets" zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden. Obwohl nach den Verfahren glaubwürdige Berichte über Folter aufgetaucht waren, wies ein Berufungsgericht nun ihre eingelegten Rechtsmittel ab und bestätigte die Urteile ohne Prüfung des Einzelfalls. Grundlage für die Anklagen war die Internetnutzung der sechs Männer, die sich online über die omanische Provinz Musandam und die dort lebende ethnische Gruppe der Shihuh informierten. Das Einlegen weiterer Rechtsmittel ist nicht möglich.

Die Grafik zeigt eine Gefängnistür mit Gitterstäben.

Seit dem 6. April führen omanische Behörden eine Reihe willkürlicher Inhaftierungen von Personen durch, die aus dem Gouvernement Musandam im Norden des Sultanats stammen. Derzeit werden von den Sicherheitskräften fünf Personen ohne Kontakt zur Außenwelt und ohne Anklage festgehalten. Sie befinden sich vermutlich in Gewahrsam des Inlandsgeheimdienstes in der Hauptstadt Maskat.

Appell an

Innenminister

Hamood bin Faysal al-Busaeedi

Ministry of Interior, al-Wazarat St., 3415 Way

al-Khuwayr, Muscat, OMAN

Sende eine Kopie an

Justizminister

Abdulmalik bin Abdullah Al Khalili

P.O. Box 354

Postal Code 112

Ruwi, Muscat   

OMAN

(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)


E-Mail: info@moj.gov.om

Twitter: @moj_gov

Botschaft des Sultanats Oman

I.E. Frau Lyutha Sultan Ahmed Al Mughairy

Clayallee 82, 14195 Berlin

Fax: 030-8100 5199

E-Mail: botschaft-oman@t-online.de

Amnesty fordert:

  • Sprechen Sie sich dafür aus, dass alle fünf Gefangenen umgehend freigelassen werden, es sei denn, sie werden einer international als Straftat anerkannten Handlung angeklagt und unverzüglich vor ein Gericht gestellt, das unparteiisch über die Rechtmäßigkeit ihrer Inhaftierung entscheidet.
  • Stellen Sie sicher, dass die Gefangenen die Möglichkeit haben Rechtsmittel gegen ihre Haftstrafe einzulegen. Gewähren Sie ihnen außerdem uneingeschränkten Kontakt zu ihren Familie und einem Rechtsbeistand ihrer Wahl sowie das regelmäßige Besuchsrecht an einem anerkannten Haftort.
  • Sorgen Sie bitte dringend dafür, dass die Gefangenen während ihrer Inhaftiertierung nicht der Folter und anderen Formen der Misshandlung ausgesetzt sind.

Sachlage

Am 28. Mai nahmen die omanischen Sicherheitskräfte Mohammed Sulaiman Mohammed Mazyud al-Shahi am Grenzübergang al-Dara zu den Vereinigten Arabischen Emiraten fest. Er befand sich auf dem Weg zurück in die omanische Exklave Musandam, nachdem er die Omrah-Pilgerfahrt nach Mekka in Saudi-Arabien beendet hatte. In der Nacht zum 5. Mai nahmen Angehörige der Polizei der Vereinigten Arabischen Emirate den omanischen Staatsbürger Mohammed Abdullah Ahmed bin Rahma al-Shahi in seinem Wohnsitz in Dubai fest, wo er seit mehreren Jahren gelebt und gearbeitet hat. Die Festnahme war auf Antrag der Omischen Behörden erfolgt. Auch Mohammed Abdullah Ahmed bin Rahma al-Shahi stammt aus dem Gouvernement Musandam im Oman. Die Polizei in Dubai übergab ihn umgehend in die Hände der omanischen Behörden, welche ihn wiederum in das Büro des Geheimdienstes in der Hauptstadt Maskat überbrachten. Am 6. April nahmen Sicherheitskräfte den emiratischen Staatsbürger Rashed Saeed al-Salhadi al-Shahi fest, als er an der Hochzeitsfeier eines Verwandten in al-Rawda, ebenfalls im Gouvernement Musandam, teilnahm. Zusammen mit ihm wurde auch ein weiterer omanischer Staatsangehöriger festgenommen, der später ohne Anklage freigelassen wurde. Am 9. April nahmen bewaffnete Sicherheitskräfte Ali Mohammed Ali al-Mazyud al-Shahi in der Stadt Khasab in Musandam fest. Er hatte dort zusammen mit seiner Frau und seinen Kindern dem Haus seines Vaters einen Besuch abgestattet. Obwohl die Behörden keinen Haftbefehl und keine Gründe für die Inhaftierung vorweisen konnten, nahmen sie ihn fest. Am selben Tag nahmen Sicherheitskräfte auch Ali Ahmed Rajab al-Obaidi al-Shahi fest. Er befand sich zu diesem Zeitpunkt in seinem Zuhause in der Stadt Lima, die ebenfalls in der omanischen Exklave Musandam liegt.

Alle fünf Gefangenen werden im Oman ohne Kontakt zur Außenwelt und ohne Anklage festgehalten. Mit Ausnahme eines einzigen Telefonanrufs, der einem der Männer erlaubt worden war und in dem er nicht frei sprechen durfte, verweigern die omanischen Behörden den Gefangenen jeglichen Kontakt zu ihren Familien oder Rechtsbeiständen. Sie stellen keine Informationen über die Gründe der Festnahmen bereit. Außerdem hat Amnesty International vom Innenministerium keine Antwort auf die Bitte um Auskunft vom 2. Juni erhalten.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Alle fünf Inhaftierten – Mohammed Abdullah Ahmed bin Rahma al-Shahi, Ali Mohammed Ali al-Mazyud al-Shahi, Ali Ahmed Rajab al-Obaidi al-Shahi, Mohammed Sulaiman Mohammed Mazyud al-Shahi und Rashed Saeed al-Salhadi al-Shahi – gehören zur ethnischen Gruppe der Shihuh, was sich am Familiennamen al-Shahi zeigt. Die ethnische Gruppe der Shihuh lebt auf beiden Seiten der Grenze des Oman mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, und ihre Angehörigen machen die Mehrheit der Bewohner_innen von Musandam aus, das lokal Ru’us al-Jibal genannt wird. Musandam ist eine omanische Exklave und räumlich nicht an das Staatsgebiet angebunden. Sie formt die Spitze der Arabischen Halbinsel an der Straße von Hormus. Die Exklave grenzt an das Staatsgebiet der Vereinigten Arabischen Emirate und liegt neben dem Emirat Ra's al-Chaima. Der gewaltlose politische Gefangene Ahmed Mansoor al-Shahi aus den Vereinigten Arabischen Emiraten gehört ebenfalls der ethnischen Gruppe der Shihuh an (weitere Informationen unter  https://www.amnesty.org/en/documents/mde25/8510/2018/en/).

Amnesty International befürchtet, dass die Inhaftierung der fünf Männer zum Teil auf diskriminierenden Motiven basiert, was gegen das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung verstoßen würde, dessen Vertragsstaat der Oman ist. Zudem betrachtet Amnesty mit Sorge, dass die Festnahmen willkürlich waren, da sie ohne Haftbefehl erfolgten. Laut Paragraf 48 der omanischen Strafprozessordnung müssen Festnahmen von der Staatsanwaltschaft autorisiert werden. Gemäß Paragraf 49 Absatz 1 muss der Haftbefehl schriftlich vorliegen und den Grund für die Festnahme enthalten. Laut Absatz 2 ist der festgenommenen Person "unverzüglich" der Grund für die Festnahme mitzuteilen. Die betroffene Person hat zudem das Recht, Personen ihrer Wahl zu informieren und Zugang zu einem Rechtsbeistand zu erhalten. Allem Anschein nach wurden diese Verfahrensschritte im Fall der fünf Männer nicht eingehalten. Haft ohne Kontakt zur Außenwelt ist unvereinbar mit den Artikeln 6, 10 und 11.1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR). Willkürliche Inhaftierung verstößt gegen Artikel 9 der AEMR.

Die ethnische Gruppe der Shihuh sowie die Provinz Musandam im Allgemeinen pflegt kulturelle Praktiken, die sich vom Rest des Omans unterscheiden, z. B. was Kleidung, landwirtschaftliche Praktiken und die Ausübung des Islam angeht.

In den vergangenen Jahren kam es in Musandam immer wieder zu ähnlichen Fällen von willkürlicher Inhaftierung. So wurden beispielsweise im September 2015 zwei Personengruppen inhaftiert, weil die Behörden sie dabei überwacht hatten, wie sie per Google und Twitter Informationen über die Geschichte von Musandam suchten und austauschten. Im März 2016 wurde eine örtliche folkloristische Musikgruppe inhaftiert, dann mehrere Wochen später ohne Anklage wieder freigelassen. Ende 2016 kam es erneut zu weiteren Festnahmen. Die omanische Regierung gestattet so gut wie keine Medienberichte über Festnahmen in Fällen, die die "Sicherheit" betreffen. Über die aktuellen Festnahmen ist bisher weder in den offiziellen noch halboffiziellen Medienkanälen berichtet worden. Seit Anfang April 2018 haben die omanischen Behörden mindestens acht Personen aus Musandam willkürlich inhaftiert. Drei von ihnen wurden kurz nach ihrer Festnahme wieder freigelassen.