Myanmar: Menschenrechtsverteidigerin drohen 3 Jahre Haft

Eine Frau mit braunen Haaren stützt ihr Gesicht auf ihre Hand und guckt lächelnd in die Kamera.

Die Menschenrechtsverteidigerin und Aktivistin Thin Thin Aung.

Der bekannten Menschenrechtsverteidigerin Thin Thin Aung drohen drei Jahre Haft. Sie wird für Medienberichte verantwortlich gemacht, die das von ihr mitgegründete Onlineportal Mizzima veröffentlicht hatte. Neben ihr drohen Hunderten weiteren Personen ähnliche Anklagen. Tausende sind seit dem Militärputsch vom 1. Februar willkürlich in Haft, nur weil sie friedlich ihr Recht auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit wahrgenommen haben. Das Militär in Myanmar muss Thin Thin Aung und alle weiteren Personen, die sich in willkürlicher Haft befinden, umgehend und bedingungslos freilassen und alle Anklagen gegen sie fallen lassen.

Appell an

Generalstaatsanwältin

Dr Thida Oo

Union Attorney General Office 

No. 25 Nay Pyi Taw 

MYANMAR

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik der Union Myanmar

I. E. Frau Yin Yin Myint

Thielallee 19

14195 Berlin

Fax: 030-2061 5720


E-Mail: info@meberlin.com

 

Amnesty fordert:

  • Lassen Sie Thin Thin Aung und alle Personen, die sich nur deshalb in Haft befinden, weil sie friedlich ihre Rechte wahrgenommen haben (einschließlich der über 5.200 Personen, die sich seit dem 1. Februar in Haft befinden), umgehend und bedingungslos frei und lassen Sie die Anklagen gegen sie fallen.
  • Bitte stellen Sie bis zu Thin Thin Aungs Freilassung sicher, dass sie uneingeschränkten und regelmäßigen Zugang zu einer auf ihre Bedürfnisse abgestimmte medizinische Behandlung erhält, wenn sie diese benötigt. Gewähren Sie ihr bis dahin bitte außerdem ihre Freilassung gegen Kaution aus humanitären Gründen.
  • Beenden Sie die Anwendung repressiver Gesetze, einschließlich des Paragrafen 505 (a) des Strafgesetzbuchs, unter denen Menschen festgenommen, strafrechtlich verfolgt oder inhaftiert werden, nur weil sie friedlich ihre Menschenrechte wahrgenommen haben.

Sachlage

Thin Thin Aung ist eine prominente Menschenrechtsverteidigerin die sich für Frieden, Gleichberechtigung und Menschenrechte in Myanmar einsetzt. Neben ihrer Rolle als Mitbegründerin und Direktorin des Nachrichtendienstes Mizzima Media leistete sie einen bedeutenden Beitrag zu den Frauenrechten und der intersektionalen Frauenbewegung in Myanmar, indem sie mit verschiedenen lokalen und internationalen Frauenrechtsorganisationen zusammenarbeitete. Vor Februar 2021 beteiligte sie sich an der Arbeit zur Reformation der myanmarischen Polizei und arbeitete dazu mit Medien und zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammen.  

Thin Thin Aung wurde am 8. April 2021 in der Stadt Yangon verhaftet. Sie wurde unter Paragraf 505 (a) des Strafgesetzbuchs angeklagt und ihr drohen bis zu drei Jahre Haft. Ihr wird vorgeworfen mit Materialien, die Mizzima seit ihrem Lizenzentzug am 8. März veröffentlicht hat, "öffentliche Unruhe gestiftet" und "Angst geschürt" zu haben, obwohl sie bereits am 4. Februar von ihrer Position als Direktorin von Mizzima zurückgetreten war. Mizzima hat über den Militärputsch und die damit einhergehenden Menschenrechtsverletzungen durch die myanmarischen Sicherheitskräfte berichtet.

Es ist alarmierend, dass Medienmitarbeiter_innen wie auch friedliche Menschenrechtsverteidiger_innen und Aktivist_innen, medizinisches Personal, politische Oppositionelle und Kritiker_innen des Militärs weiterhin aus politisch motivierten Gründen ins Visier genommen, festgenommen, strafrechtlich verfolgt und inhaftiert werden. In Übereinstimmung mit seinen Verpflichtungen nach internationalem Recht ist es unabdingbar, dass Myanmar das Recht auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung sowie alle Menschenrechte respektiert und schützt.  Zwar wurden am 30. Juni über 2.300 Häftlinge freigelassen, jedoch befinden sich Thin Thin Aung und tausende andere weiterhin in willkürlicher Haft. Es ist erschütternd, dass nach wie vor über Verschwindenlassen, Folter und andere Misshandlungen sowie Todesfälle in Haft in Myanmar berichtet wird.

Zudem bereitet Thin Thin Aungs Gesundheitszustand Grund zur Sorge. Sie leidet bereits an einer chronischen Asthmaerkrankung und ist in einem überfüllten Gefängnis einer erhöhten Gefahr ausgesetzt, sich mit Covid-19 zu infizieren.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 27. März 2021 reichte der stellvertretende Polizeichef Kyaw Sein Tun von der Polizeistation des Townships Thanlyin vor dem dortigen Gericht eine Klage gegen das Management der bekannten myanmarischen Medienagentur Mizzima ein. Er behauptete, dass Mizzima die am 8. März erfolgte Lizenzentziehung missachtet habe. Dem Onlineportal war – zeitgleich mit vier anderen Medienagenturen – die Lizenz zur Veröffentlichung und Ausstrahlung entzogen worden. Er beschuldigte das Management von Mizzima, übertriebene und falsche Darstellungen zu veröffentlichen, um weiter öffentliche Unruhen zu schüren. Zudem hätte das Management damit beabsichtigt, Demonstrierende dazu zu bringen, die Sicherheitskräfte im Dienst anzugreifen sowie in der Öffentlichkeit Angst zu schüren.  

Am Morgen des 8. April wurden Thin Thin Aung und eine weitere Mizzima-Mitarbeiterin vor ihrem Haus in Yangon, der Handelshauptstadt Myanmars, festgenommen. Beide wurden noch am selben Tag in das Verhörzentrum Mingaladon (Yay Kyi Aing) gebracht. Nachdem sie zwei Wochen lang gefoltert worden waren, wurden sie am 21. April in das Insein-Gefängnis von Yangon verlegt. 

Thin Thin Aungs erste Gerichtsanhörung fand am 22. April im Gefängnis statt. Einige nachfolgende Gerichtstermine wurden wegen der Abwesenheit eines_einer hochrangigen Richters_Richterin und einem Anstieg der Covid-19-Fälle in Myanmar abgesagt. Ihr Rechtsbeistand konnte sich am 30. Mai zum ersten Mal mit ihr treffen. Ihre nächste Gerichtsanhörung ist für den 28. Juli angesetzt. 

Thin Thin Aung wurde unter Paragraf 505 (a) des Strafgesetzbuchs angeklagt, der jede Person kriminalisiert, die "Angst schürt, Falschinformationen verbreitet und zu direkten oder indirekten kriminellen Handlungen gegen Regierungsmitarbeiter anstiftet". Bei einer Verurteilung droht eine Haftstrafe von bis zu drei Jahren und/oder eine Geldstrafe.

Am 1. Februar 2021 inszenierte das Militär in Myanmar einen Putsch und begann zahlreiche Personen festzunehmen, darunter das de facto Staatsoberhaupt Aung San Suu Kyi, den Präsidenten Win Myint und zahlreiche weitere gewählte hochrangige Funktionär_innen und Vertreter_innen der Partei National League for Democracy (NLD).

Das Militär tötet weiterhin sowohl Demonstrierende als auch Unbeteiligte und andere Zivilist_innen. Zudem inhaftiert und verfolgt das Militär Aktivist_innen, Menschenrechtsverteidiger_innen, Medienschaffende, medizinisches Personal, Künstler_innen, politischer Gegner_innen und Kritiker_innen, nur weil sie ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung wahrgenommen haben.

Dem 'Hilfsverein für politische Gefangene in Burma' (Assistance Association for Political Prisoners Burma, AAPPB) zufolge wurden bis zum 19. Juli über 900 Menschen getötet und mehr als 6.600 Personen inhaftiert, darunter mindestens 88 Journalist_innen. Mehr als 5.200 Personen befinden sich derzeit in willkürlicher Haft.