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Iran: Drohende Hinrichtung nach unfairem Verfahren
Abbas Deris droht im Iran die Hinrichtung, weil er 2019 an Protesten gegen die Regierung teilgenommen hatte.
© Privat
Abbas Deris droht im Zusammenhang mit den landesweiten Protesten im Iran im November 2019 die Hinrichtung. Am 4. Juli 2023 gab sein Rechtsbeistand bekannt, dass der Oberste Gerichtshof die Verurteilung und das Todesurteil von Abbas Deris bestätigt habe. Ende Oktober 2022 hatte ein Revolutionsgericht in Mahschahr Abbas Deris nach einem äußerst unfairen Prozess zum Tode verurteilt. Im Prozess wurden "Geständnisse" eingesetzt, die schon Wochen nach der Festnahme im staatlichen Fernsehen ausgestrahlt worden waren. Der Antrag von Abbas Deris auf gerichtliche Prüfung ist noch beim Obersten Gerichtshof anhängig.
Appell an
Oberste Justizautorität
Gholamhossein Mohseni Ejei
c/o Embassy of Iran to the European Union
Avenue Franklin Roosevelt No. 15
1050 Bruxelles
BELGIEN
Sende eine Kopie an
Botschaft der Islamischen Republik Iran
S. E. Herrn Mahmoud Farazandeh
Podbielskiallee 67
14195 Berlin
Fax: 030–83 222 91 33
E-Mail: info@iranbotschaft
Amnesty fordert:
- Ich fordere Sie dringend auf, die Verurteilung und das Todesurteil gegen Abbas Deris unverzüglich aufzuheben. Für den Fall, dass er wegen einer international anerkannten Straftat angeklagt wird, muss sein Verfahren den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entsprechen. Dabei darf nicht auf die Todesstrafe oder erzwungene "Geständnisse" zurückgegriffen werden.
- Ich fordere Sie mit Nachdruck auf, Abbas Deris umgehend Zugang zu seiner Familie, einem unabhängig gewählten Rechtsbeistand und angemessener medizinischer Versorgung zu gewähren. Sorgen Sie bitte dafür, dass er vor weiterer Folter und anderen Misshandlungen geschützt wird und dass seine Foltervorwürfe untersucht werden. Die mutmaßlich Verantwortlichen müssen in fairen Verfahren vor Gericht gestellt werden.
- Zudem bitte ich Sie dringend, unabhängigen Beobachter*innen Zugang zu Verfahren zu gestatten, die mit den Protesten in Verbindung stehen und bei denen die Todesstrafe verhängt werden kann. Bitte verfügen Sie ein offizielles Hinrichtungsmoratorium als ersten Schritt hin zur vollständigen Abschaffung der Todesstrafe.
Sachlage
Dem Demonstranten Abbas Deris droht im Zusammenhang mit den landesweiten Protesten im November 2019 die Hinrichtung. Er wird im Sepidar-Gefängnis in Ahvaz in der Provinz Chuzestan festgehalten. Am 4. Juli 2023 erklärte sein Rechtsbeistand öffentlich, dass der Oberste Gerichtshof die Verurteilung und das Todesurteil von Abbas Deris wegen "Feindschaft zu Gott" (moharebeh) bestätigt habe. Nach öffentlichen Erklärungen seiner Rechtsbeistände beschuldigen die Behörden Abbas Deris, an der Tötung eines Polizeibeamten während der Proteste in Mahschahr (Provinz Chuzestan) am 18. November 2019 beteiligt gewesen zu sein. Abbas Deris und seine Familie haben dies wiederholt bestritten. Am 15. Juli 2023 wurde beim Obersten Gerichtshof ein Antrag auf gerichtliche Prüfung eingereicht, der noch anhängig ist.
Seit der Festnahme von Abbas Deris durch Geheimdienst- und Sicherheitsbeamte am 8. Dezember 2019 in der Provinz Chuzestan verletzen die Behörden in grober Weise seine Rechte auf ein ordnungsgemäßes Verfahren. Sein Prozess vor der Abteilung 1 des Revolutionsgerichts von Mahschahr, der aus zwei Anhörungen am 10. Mai 2022 und am 13. September 2022 bestand, war grob unfair. Seine erzwungenen "Geständnisse", eine Waffe auf Sicherheitskräfte abgefeuert zu haben, wurden Ende Dezember 2019, schon Wochen nach seiner Festnahme und noch vor seinem Prozess, im iranischen Staatsfernsehen ausgestrahlt. Durch die Ausstrahlung dieses erzwungenen "Geständnisses" verletzten die Behörden mehrere Rechte von Abbas Deris, das Recht auf Unschuldsvermutung, das Recht sich nicht selbst zu belasten und das Recht zu schweigen. Amnesty International hat wiederholt dokumentiert, dass die iranischen Behörden nach Folter und anderen Misshandlungen "Geständnisse" erzwingen und dass sich die Richter*innen der Revolutionsgerichte auf solche "Geständnisse" stützen, um Verurteilungen und Todesurteile auszusprechen. Am 22. Oktober 2022 erfuhren die Rechtsbeistände von Abbas Deris, dass das Revolutionsgericht sein Urteil verkündet hatte. Gegen Abbas Deris ist außerdem ein Verfahren wegen "Mordes" vor der Abteilung 3 des Strafgerichts 2 in der Provinz Chuzestan anhängig, das auf denselben Vorwürfen beruht wie das Verfahren vor dem Revolutionsgericht.
Abbas Deris ist Witwer und Vater von drei Kindern. Anfang Juli 2023 baten seine Mutter und seine drei Kinder um Hilfe aus aller Welt, um die Hinrichtung von Abbas Deris zu verhindern.
Hintergrundinformation
Mohsen Deris, der Bruder von Abbas Deris, wurde ebenfalls am 8. Dezember 2019 festgenommen und beschuldigt, an der Tötung eines Polizeibeamten am 18. November 2019 in Mahschshar beteiligt gewesen zu sein. Staatliche iranische Medien strahlten nur wenige Wochen nach seiner Festnahme Ende Dezember 2019 erzwungene "Geständnisse" von Mohsen Deris aus, denen zufolge er bei Protesten auf Sicherheitskräfte geschossen habe. Der Rechtsbeistand von Mohsen Deris gab bekannt, dass er in seinem Vorfahren vor dem Revolutionsgericht von den Vorwürfen freigesprochen wurde. Gegen Mohsen Deris ist außerdem ein Verfahren wegen der gleichen Beschuldigungen vor Abteilung 3 des Strafgerichts 2 in der Provinz Chuzestan anhängig.
In einem Video, das Mitte Juli 2023 im Internet verbreitet wurde, bitten die drei Kinder von Abbas Deris die Welt um Unterstützung bei der Forderung, die Verurteilung und das Todesurteil ihres Vaters aufzuheben, und verweisen darauf, dass ihnen angesichts des Todes ihrer Mutter kurz nach der Festnahme von Abbas Deris nur noch ihr Vater geblieben sei.
Am 15. November 2019 gingen Zehntausende Menschen in ganz Iran auf die Straße, um zu protestieren, nachdem die Regierung zuvor über Nacht eine beträchtliche Erhöhung der Treibstoffpreise angekündigt hatte. Der Schwerpunkt der Proteste weitete sich schnell auf umfassendere Vorwürfe gegen das politische Establishment aus und führte zu Forderungen nach einer Umgestaltung des politischen Systems des Landes und auch nach Verfassungsreformen sowie nach einem Ende des Systems der Islamischen Republik. Die iranischen Sicherheitskräfte setzten rechtswidrige Gewalt gegen Protestierende und unbeteiligte Dritte ein, darunter scharfe Munition, Metallkugeln, Tränengas und Wasserwerfer. Amnesty International hat die Umstände von Hunderten rechtswidriger Tötungen von Protestierenden und unbeteiligten Dritten dokumentiert. Darunter befanden sich auch mindestens 23 Kinder, die während der Niederschlagung der Massenproteste zwischen dem 15. und dem 19. November 2019 auch in Mahschahr (Provinz Chuzestan) von Sicherheitskräften getötet wurden.
Die Behörden verschleiern auch weiterhin die tatsächliche Zahl der Personen, die während der landesweiten Proteste im November 2019 rechtswidrig von Sicherheitskräften getötet wurden und leugnen und verdrehen die Wahrheit über die Umstände der Tötungen. Während der Proteste schalteten die Behörden das Internet fast vollständig ab, so dass die Menschen im Iran keine Bilder und Videos von der tödlichen Niederschlagung mit dem Rest der Welt teilen konnten.
Alle, die aufgrund einer Strafanzeige festgenommen oder inhaftiert werden, müssen in voller Übereinstimmung mit den Menschenrechtsverpflichtungen des Iran behandelt werden, die auch das Recht auf ein faires Verfahren beinhalten. Dazu gehören außerdem die Rechte auf einen Rechtsbeistand eigener Wahl, den Zugang zu einer wirksamen rechtlichen Vertretung ab dem Zeitpunkt der Festnahme und während des gesamten Ermittlungs- und Gerichtsverfahrens, auf unverzügliche Vorführung vor einem*einer ordentlichen Zivilrichter*in, auf Anfechtung der Rechtmäßigkeit der Inhaftierung vor einem unabhängigen, unparteiischen Gericht und auf die Unschuldsvermutung sowie das Recht zu schweigen und nicht gezwungen zu werden, sich selbst zu belasten oder sich schuldig zu bekennen, das Recht auf uneingeschränkten Zugang zu relevanten Beweisen; das Recht, nicht aufgrund vager Anschuldigungen inhaftiert zu werden, das Recht auf Vernehmung und Kreuzverhör von Zeug*innen, das Recht auf eine faire, öffentliche Anhörung vor einem zuständigen, unabhängigen und unparteiischen Gericht und das Recht auf ein öffentliches, begründetes Urteil. Amnesty International hat im Iran ein Muster aus systematischen Verstößen gegen die Rechte auf ein faires Verfahren während der Festnahme und während des gesamten Ermittlungs-, Gerichts- und Berufungsverfahrens dokumentiert. Gerichte ignorieren routinemäßig Vorwürfe von Folter und anderen Misshandlungen, ohne Untersuchungen anzuordnen, und stützen sich bei Verurteilung und Strafzumessung auf durch Folter verfälschte "Geständnisse", auch in Fällen, in denen die Todesstrafe verhängt wird. Angesichts des irreversiblen Charakters der Todesstrafe legen internationale Menschenrechtsnormen explizit fest, dass derartige Prozesse alle relevanten internationalen Standards zum Schutz des Rechts auf ein faires Gerichtsverfahren genau einzuhalten haben. Die Verhängung der Todesstrafe nach einem Verfahren, dass den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren nicht entsprochen hat, ist laut Völkerrecht ein willkürlicher Entzug des Rechts auf Leben.
Amnesty International wendet sich in allen Fällen, weltweit und ausnahmslos gegen die Todesstrafe. Die Todesstrafe verletzt das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschriebene Recht auf Leben und ist die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen. Amnesty International ruft seit langem alle Länder, die an der Todesstrafe festhalten, einschließlich des Iran, auf, ein Hinrichtungsmoratorium zu erlassen, als ersten Schritt hin zur vollständigen Abschaffung der Todesstrafe.