Indonesien: Haftstrafe wegen Whatsapp-Nachricht

Appell an

Ir. H. Joko Widodo
President of the Republic of Indonesia
State Secretariat

Jl. Veteran No. 17-18, Central Jakarta
DKI Jakarta

INDONESIEN (10110)

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Indonesien
S. E. Herrn Arif Havas Oegroseno
Lehrter Straße 16-17
10557 Berlin
Fax: 030-4473 7142

E-Mail: info@kbri-berlin.de

 

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie höflich dazu auf, Saiful Mahdi Amnestie zu gewähren.
  • Stellen Sie bitte gemeinsam mit anderen indonesischen Behörden sicher, dass das Recht auf Meinungsfreiheit respektiert, geschützt und eingehalten wird. Dazu gehört auch, dass alle Vorschriften des ITE-Gesetzes abgeschafft oder abgeändert werden, mit denen das Recht auf freie Meinungsäußerung in einer Weise eingeschränkt wird, die gegen internationale Menschenrechtsabkommen verstößt.

Sachlage

Saiful Mahdi ist Dozent für Mathematik und Naturwissenschaften an der Syiah Kuala Universität in der Provinz Aceh. Er wurde zu einer dreimonatigen Haftstrafe verurteilt, weil er in einem WhatsApp-Gruppenchat von ihm vermutete Unregelmäßigkeiten bei einer Prüfung zur Verbeamtung von Dozent_innen an der Technischen Fakultät der Universität kritisierte. Die Leitung der Universität empfand diese Kritik als beleidigend und zeigte Saiful Mahdi an. Er wurde angeklagt und später auf Grundlage von Paragraf 27 Absatz 3 des Gesetzes über Elektronische Informationen und Transaktionen (ITE-Gesetz) verurteilt – allein wegen seiner kritischen Meinungsäußerung. Am 29. Juni lehnte der Oberste Gerichtshof die von Saiful Mahdi eingelegte Kassationsbeschwerde ab und bestätigte das erstinstanzliche Urteil.

Das drakonische ITE-Gesetz wird wiederholt von den indonesischen Behörden oder Privatpersonen eingesetzt, um kritische Stimmen und Andersdenkende zu unterdrücken. Saiful Mahdi sollte nicht für die Ausübung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung bestraft werden. Dieses Recht wird durch Paragraf 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte garantiert, zu dessen Vertragsstaaten Indonesien gehört. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist zudem unter Paragraf 28 Absatz 3 der indonesischen Verfassung von 1945 sowie unter dem Gesetz Nr. 39/1999 Paragraf 23 geschützt.

Das Urteil gegen Saiful Mahdi stellt neben der Verletzung seiner Menschenrechte eine ernsthafte Bedrohung für die Freiheit der Wissenschaft in Indonesien dar.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Saiful Mahdi arbeitete 25 Jahre lang an der Syiah Kuala Universität. Im März 2019 sendete er eine Nachricht in einen WhatsApp-Gruppenchat, in der er das Verfahren bei einer Prüfung zur Verbeamtung von Dozent_innen der Technischen Fakultät kritisierte. Die Nachricht bezog sich auf einen Ende 2018 durchgeführten Einstellungstest für neue Dozent_innen an der Technischen Fakultät der Universität. Nach dem Test hatte ein anderer Dozent – der seit zwei Jahren an der Technischen Fakultät tätig war und mit Hilfe des Tests den Beamtenstatus erlangen wollte – gegenüber Saiful Mahdi einen Verdacht auf Unregelmäßigkeiten im Auswahlverfahren für den Test geäußert. Der Kollege teilte Saiful Mahdi mit, dass ein anderer Teilnehmer am Auswahlverfahren teilnehmen durfte und die Prüfung bestand, obwohl er die administrativen Kriterien für die Beamtenprüfung nicht erfüllt hatte. Hingegen war der Dozent, der Saiful Mahdi informierte, durchgefallen, obwohl er in einem Kompetenztest die höchste Punktzahl aller Teilnehmer_innen erzielt hatte.

Saiful Mahdi analysierte daraufhin die Testergebnisse und kam zu dem Schluss, dass es Unregelmäßigkeiten bei der Punktevergabe gab, die überprüft werden sollten. Später postete er seine Kritik in einer WhatsApp-Gruppe, die 100 Dozent_innen umfasste. Er schrieb unter anderem: "Ich habe traurige Nachrichten über den Tod des gesunden Menschenverstandes in den Führungsetagen der Technischen Fakultät bei der letzten Beamtenprüfung erhalten". Außerdem fragte er: "Warum ist eine Fakultät, die einst so ruhmreich war, so engstirnig geworden?" Seine Nachrichten verbreiteten sich unter den Mitarbeiter_innen der Fakultät und so erfuhr schließlich auch der Dekan der Fakultät davon, der nicht Teil der Chatgruppe war.

Der Dekan meldete Saiful Mahdi dem Senat der Universität, der ihn am 18. März 2019 zu einer Klärung des Sachverhalts vorlud. Danach sendete der Senat am 6. Mai 2019 einen Brief an Saiful Mahdi, in dem er ihn aufforderte, sich in einem Entschuldigungsschreiben an die Fakultätsleitung dazu zu bekennen, mit seiner Kritik gegen den Verhaltenskodex verstoßen zu haben. Saiful Mahdi weigerte sich jedoch, ein solches Schreiben zu verfassen. Er wies den Vorwurf des Senats, gegen den Verhaltenskodex verstoßen zu haben, zurück und argumentierte, dass zu den Vorwürfen gegen ihn nie eine Anhörung vor dem Ethikrat stattgefunden habe.

Am 4. Juli 2019 wurde Saiful Mahdi von der Polizei der Stadt Banda Aceh als Zeuge in einem Verleumdungsfall vorgeladen, den der Dekan der Technischen Fakultät angezeigt hatte. Nachdem der Fall untersucht worden war, galt Saiful Mahdi als Verdächtiger und wurde unter Paragraf 23 Absatz 3 des ITE-Gesetzes angeklagt. Ihm wurde vorgeworfen den Dekan verleumdet zu haben, obwohl er in seinen WhatsApp-Nachrichten keine Namen genannt hatte. Nachdem der Fall vor Gericht gebracht worden war, verurteilte das Bezirksgericht von Banda Aceh Saiful Mahdi am 21. April 2020 zu einer dreimonatigen Gefängnisstrafe und einer Geldstrafe von 10 Millionen IDR (ca. 580 Euro), obwohl keine stichhaltigen Beweise gegen den Dozenten vorlagen. Später legte Saiful Mahdi beim Obersten Gerichtshof von Banda Aceh eine Kassationsbeschwerde ein – doch diese wurde am 29. Juni 2021 abgewiesen. Stattdessen bestätigte der Oberste Gerichtshof das Urteil des Bezirksgerichts.