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Büros von Amnesty und Greenpeace im Visier
Menschen vor Ort erreichen. Amnesty-Büro in Indiens IT-Hauptstadt Bangalore
© Oliver Wolff
In Indien sind die nationalen Vertretungen von Greenpeace und Amnesty International ins Visier der Behörden geraten. Die Büros der Organisationen wurden durchsucht und ihre Bankkonten eingefroren, was ihre Arbeit effektiv zum Erliegen gebracht hat. Die Übergriffe sind allem Anschein nach politisch motiviert. Dies ist das jüngste Beispiel für den harten Kurs der indischen Regierung gegen die Zivilgesellschaft.
Appell an
Narendra Modi
Prime Minister’s Office
South Block, Raisina Hill
New Delhi-11001
INDIEN
Sende eine Kopie an
UN-Hochkommissarin für Menschenrechte
Michelle Bachelet Jeria
Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (OHCHR)
Palais des Nations
CH-1211 Geneva 10
SCHWEIZ
E-Mail: mbachelet@ohchr.org oder
InfoDesk@ohchr.org
Botschaft der Republik Indien
I. E. Frau Mukta Dutta Tomar
Tiergartenstr. 17, 10785 Berlin
Fax: 030 – 25 79 51 02
E-Mail: dcm@indianembassy.de
Amnesty fordert:
- Stoppen Sie bitte umgehend die Einschüchterung und Schikane von Menschenrechts- und Umweltorganisationen wie Amnesty International und Greenpeace in Indien und sorgen Sie dafür, dass nichtstaatliche Organisationen ihre Arbeit ohne Furcht vor politisch motivierten Beeinträchtigungen ihrer Finanzsituation verrichten können.
- Heben Sie das Gesetz über Finanzierung aus dem Ausland (Foreign Contribution (Regulation) Act) umgehend auf oder ändern Sie es entsprechend den internationalen Menschenrechtsstandards ab.
- Gewähren Sie Menschenrechtsverteidiger_innen und Aktivist_innen, die unter repressiven Gesetzen festgenommen wurden, ein faires Gerichtsverfahren, und lassen Sie sie ggf. bis zum Prozess gegen Kaution frei.
Sachlage
Am 25. Oktober wurden die Büros von Amnesty International in Indien zehn Stunden lang durchsucht. Einige Angehörige der Agentur für Finanzdelikte (Enforcement Directorate), die dem Finanzministerium untersteht, verschafften sich Zutritt zu dem Bürogelände und riegelten alle Zugänge ab. Mitarbeiter_innen wurden angewiesen, keine Laptops oder Mobiltelefone zu verwenden und das Gebäude nicht zu verlassen. Anfang Oktober hatte in den Büros von Greenpeace Indien eine ähnliche Razzia stattgefunden.
Obwohl die lokale Geschäftstätigkeit von Amnesty International und Greenpeace im Einklang mit der indischen Gesetzgebung steht, wurden im Anschluss an die separaten Razzien die Konten beider Organisationen eingefroren. Die beiden Organisationen haben vor dem Hohen Gericht des Bundesstaates Karnataka Rechtsmittel eingelegt. Die indischen Behörden werfen Amnesty International und Greenpeace vor, gegen die Regeln über ausländische Finanzierung verstoßen zu haben. Das Innenministerium hat eine Untersuchung der von Amnesty International in Indien erhaltenen Finanzmittel eingeleitet. Eines der repressiven Gesetze über ausländische Finanzierung, auf das die Behörden häufig zurückgreifen, um die Arbeit von NGOs einzuschränken, ist das Gesetz über Finanzierung aus dem Ausland (FCRA). Die Behörden führen finanzielle "Unregelmäßigkeiten" und Aktivitäten gegen das "öffentliche Interesse" bzw. "nationale Interesse" als Grund dafür an, um NGOs gemäß dem FCRA ihre Genehmigung zum Erhalt von ausländischen Finanzmitteln zu entziehen. Weitere Organisationen, deren Genehmigungen ebenfalls im Rahmen dieses Gesetzes entweder ausgesetzt oder entzogen wurden, sind beispielsweise Lawyers Collective, People’s Watch, Sabrang Trust und Navsarjan Trust.
Die Razzia in den Büros von Amnesty Indien fand nur wenige Tage nach der Wahl Indiens in den UN-Menschenrechtsrat statt. Als Mitglied des Menschenrechtsrats ist Indien zur Einhaltung der höchsten Menschenrechtsstandards verpflichtet. Amnesty International ist der Ansicht, dass die Vorgehensweise der indischen Behörden gegen die Rechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit verstößt, die sowohl in der indischen Verfassung als auch in internationalen Menschenrechtsnormen festgeschrieben sind.
Das scharfe Vorgehen gegen die indischen Büros von Amnesty International und Greenpeace ist das jüngste Beispiel für den harten Kurs, den die Regierung gegen die Zivilgesellschaft fährt. Von Juni bis August 2018 konnte man in Indien eine besonders harte Linie gegen Menschenrechtsverteidiger_innen beobachten: zehn bekannte Aktivist_innen wurden unter einem repressiven Antiterrorgesetz festgenommen, das häufig dazu genutzt wird, um Regierungskritiker_innen zum Schweigen zu bringen.
Hintergrundinformation
In Indien wird regelmäßig auf repressive Gesetze zurückgegriffen, um die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung zu unterdrücken. Das Gesetz über Finanzierung aus dem Ausland (FCRA) wurde bereits von mehreren aufeinanderfolgenden Regierungen als Politikinstrument genutzt, um Gruppen zu schikanieren, die der Regierung kritisch gegenüberstehen. Die Bestimmungen des FCRA erschweren es nichtstaatlichen Organisationen erheblich, auf Finanzmittel aus dem Ausland zuzugreifen. Das Gesetz enthält weit gefasste und vage Begriffe wie "öffentliches Interesse" und "nationales Interesse" und wird daher oft missbräuchlich angewendet. Es entspricht nicht den internationalen Standards und leistet Verstößen gegen die Rechte auf Vereinigungs- und Meinungsfreiheit Vorschub.
Im Bundesstaat Maharashtra nahm die Polizei im Rahmen eines landesweiten scharfen Vorgehens gegen Menschenrechtsverteidiger_innen am 6. Juni die Aktivist_innen Surendra Gadling, Rona Wilson, Sudhir Dhawale, Shoma Sen und Mahesh Raut fest. Am 28. August durchsuchte die Polizei von Maharashtra die Wohnungen einiger Aktivist_innen und nahm Sudha Bharadwaj, Gautam Navlakha, Vernon Gonsalves, Arun Ferreira und Varavara Rao unter dem Gesetz zur Verhütung von Straftaten (UAPA) fest. Die Behörden warfen diesen Menschenrechtler_innen vor, bei einer großen Protestveranstaltung am 31. Dezember 2017 eine Gruppe Dalits aufgewiegelt zu haben, was zu gewaltsamen Auseinandersetzungen geführt haben soll, bei denen tags darauf mehrere Personen verletzt wurden und ein Mensch ums Leben kam.
Am 1. Januar 2018 versammelten sich Hunderte Dalits in Bhima Koregaon im Bundesstaat Maharashtra, um den 200. Jahrestag einer Schlacht zu begehen, in der Dalits als Soldat_innen der britischen Armee dienten und die Peshwa (Herrscher) besiegten. Das UAPA wird immer wieder missbräuchlich angewendet, um Menschen zu inhaftieren, die friedlich von ihren Rechten auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit Gebrauch machen. Teile des UAPA entsprechen nicht den internationalen Menschenrechtsstandards und führen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Menschenrechtsverletzungen. Acht der oben genannten zehn Aktivist_innen befinden sich derzeit im Gefängnis. Am 25. Oktober verlängerte ein Gericht in Hyderabad den Hausarrest von Varavara Rao. Der Hausarrest von Gautam Navlakha wurde am 1. Oktober vor dem Hohen Gericht in Delhi aufgehoben.