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Regenschirm-Bewegung: Weiteres Urteil
Proteste der Regenschirm-Bewegung in der Nähe der Regierungsgebäude in Hongkong, China, im September 2014
© AFP/Getty Images
Die Abgeordnete Tanya Chan wurde zu acht Monaten Haft verurteilt, weil sie bei einer Demonstration über Lautsprecher dazu aufgefordert hatte, sich dem Protest der prodemokratischen Regenschirm-Bewegung 2014 in Hongkong anzuschließen. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Tanya Chan ist eine von neun prominenten Vertreter_innen der Regenschirm-Bewegung, die wegen vage formulierter Anklagepunkte wie "Aufforderung zur Erregung öffentlichen Ärgernisses" verurteilt wurden, vier von ihnen zu einer Haftstrafe. Ihre Verurteilung schuf einen gefährlichen Präzedenzfall und ebnete der Regierung von Hongkong den Weg, vage und zweideutige Anschuldigungen für eine pauschale Verfolgung und Inhaftierung friedlicher Demonstrierender zu nutzen.
Appell an
The Hon. Carrie Lam
Chief Executive
Government of the Hong Kong SAR
Office of the Chief Executive
Tamar, Hong Kong
CHINA
Sende eine Kopie an
Botschaft der Volksrepublik China
S. E. Herrn Ken Wu
Märkisches Ufer 54
10179 Berlin
Fax: 030-27 58 82 21
E-Mail: de@mofcom.gov.cn oder
presse.botschaftchina@gmail.com
Amnesty fordert:
- Bitte sorgen Sie dafür, dass die Urteile gegen die neun Vertreter_innen der Regenschirm-Bewegung umgehend aufgehoben und die vier inhaftierten Vertreter_innen Professor Benny Tai Yiu-ting, Professor Chan Kin-man, Raphael Wong Ho-ming und Shiu Ka-chun umgehend und bedingungslos freigelassen werden. Sie sind gewaltlose politische Gefangene, die nur deshalb inhaftiert sind, weil sie sich friedlich für Demokratie in Hongkong eingesetzt haben.
Sachlage
Am 10. Juni 2019 wurde die Abgeordnete Tanya Chan zu acht Monaten Gefängnis verurteilt, weil sie bei einer Demonstration 2014 über Lautsprecher dazu aufgefordert hatte, sich der prodemokratischen Regenschirm-Bewegung anzuschließen. Ihre Strafe wurde zu zwei Jahren Bewährung ausgesetzt. Doch auch wenn das Gericht eine Bewährungsstrafe verhängte, um ihr eine weitere medizinische Behandlung ihres Hirntumors zu ermöglichen, war ihre Verurteilung aufgrund von Anklagepunkten wie "Aufforderung zur Erregung öffentlichen Ärgernisses" ausschließlich auf die Ausübung ihrer Menschenrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit zurückzuführen.
Die Verurteilung der neun Organisator_innen der Regenschirm-Bewegung 2019 und die Inhaftierung von Professor Benny Tai Yiu-ting, Professor Chan Kin-man, Raphael Wong Ho-ming und Shiu Ka-chun schaffen einen beunruhigenden Präzedenzfall, nach dem vage und zweideutige Anschuldigungen wegen "Aufforderung zur Erregung öffentlichen Ärgernisses" für eine pauschale Verfolgung und Inhaftierung friedlicher Demonstrierender verwendet werden könnten. In diesem Fall waren die Beweise für eine solche "Aufforderung" bzw. "Aufstachelung" sehr dürftig und umfassten Zeitungsartikel, die an die breite Öffentlichkeit gerichtet waren, Pressekonferenzen und Medieninterviews, die Monate vor den Protesten stattgefunden hatten, sowie Videos, die die Polizei aufgenommen hatte. Sie zeigten Sprecher_innen der Bewegung, die Demonstrationsteilnehmer_innen per Lautsprecher dazu aufforderten, auch andere zur Teilnahme an den Protesten einzuladen.
Die neun Verurteilten haben Rechtsmittel gegen die Schuldspruche eingelegt und die vier Inhaftierten eine Überprüfung ihrer Strafen beantragt.
Hintergrundinformation
Benny Tai Yiu-ting, Chan Kin-man und Chu Yiu-ming sind Mitbegründer der "Occupy Central with Love and Peace"-Kampagne, die als späterer Teil der Regenschirm-Bewegung speziell den Finanz- und Regierungsbezirk Central besetzte. Der Kampagne ging es darum, durch zivilen Ungehorsam und Straßenblockaden freie und demokratische Wahlen für den Posten der Regierungschefin bzw. des Regierungschefs (Chief Executive) von Hongkong einzufordern. Die Regenschirm-Proteste dauerten insgesamt 79 Tage, von September bis Dezember 2014, und verliefen zum Großteil friedlich.
Unter den am 24. April verurteilten Aktivist_innen befinden sich auch die Mitbegründer der "Occupy Central with Love and Peace"-Kampagne: der Professor der Rechtswissenschaften Benny Tai Yiu-ting und der Soziologieprofessor Chan Kin-man erhielten eine je 16-monatige Gefängnisstrafe. Der Politiker Raphael Wong Ho-ming und der Abgeordnete Shiu Ka-chun wurden zu je acht Monaten Haft verurteilt.
Der pensionierte Pastor Reverend Chu Yiu-ming, der Studierendensprecher Eason Chung Yiu-wah und der Politiker Lee Wing-tat wurden zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Der Studierendensprecher Tommy Cheung Sau-yin muss Sozialstunden ableisten. Die Urteilsverkündung gegen die Abgeordnete Tanya Chan wurde aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustands auf den 10. Juni vertagt.
Der Abgeordnete Shiu Kar-chun könnte von seinem Sitz ausgeschlossen werden, wenn er drei Monate lang nicht an den Sitzungen des Legislativrats, der gesetzgebenden Versammlung Hongkongs, teilnimmt. Er hat die Teilnahme an den Sitzungen beantragt, aber die Gefängnisbehörde lehnte den Antrag ab, obwohl Shiu Kar-chun sich bereiterklärt hatte, den Anordnungen der Behörde zu folgen und beispielsweise auf dem Weg zu Sitzungen im Gebäude des Legislativrats Handschellen zu tragen.
Die vier inhaftierten Aktivisten bringen ihre Besorgnis über den Schutz der Menschenrechte in Hongkong auch weiterhin zum Ausdruck, indem sie beispielsweise öffentliche Briefe schreiben, in denen sie die Menschen auffordern, gegen das Vorhaben der Regierung zur Änderung der Auslieferungsgesetze zu protestieren, das es der Regierung ermöglichen würden, Menschen aus Hongkong an die chinesischen Behörden auf dem Festland zu übergeben. Das geplante Gesetz brachte am 9. Juni 2019 über eine Million und am 16. Juni 2019 fast zwei Millionen friedlicher Demonstrierender auf die Straße.
Die Behörden von Hongkong haben seit Beginn der Regenschirm-Bewegung im Jahr 2014 viele friedliche Protestierende festgenommen, meistens auf Grundlage von vage formulierten Anklagepunkten wie "rechtswidrige Versammlung", "nicht genehmigte Versammlung" und "Störung der öffentlichen Ordnung" unter dem Gesetz für öffentliche Ordnung. Der Inhalt und die Anwendung dieses Gesetzes sind vom UN-Menschenrechtsausschuss wiederholt kritisiert worden, weil sie den internationalen Menschenrechtsabkommen und -normen zum Recht auf friedliche Versammlung nicht vollständig entsprechen. Der UN-Menschenrechtsausschuss überwacht die Umsetzung des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, dessen Vertragsstaat China und damit Hongkong ist.