China: Nach Jahren 3 Minuten Kontakt zur Familie

Der Uigure Ekpar Asat vor einer Wand eines amerikanischen Nachrichtenmediums

Der Uigure Ekpar Asat (Archivbild)

Zum ersten Mal seit seinem Verschwinden im April 2016 konnte der Uigure Ekpar Asat kurz mit seiner Familie kommunizieren. Während des dreiminütigen Videogesprächs Ende Januar 2021 berichtete er, dass sich sein körperlicher sowie psychischer Gesundheitszustand zunehmend verschlechtere. Seine Familie bestätigte, dass er deutlich an Gewicht verloren und blass ausgesehen habe, zudem habe er viele schwarze Flecken im Gesicht. Er wurde wegen "Anstiftung zu ethnischem Hass und ethnischer Diskriminierung" ohne Prozess zu 15 Jahren Haft verurteilt.

Appell an

Director Wang Jiang

Prison Administration Bureau of Xinjiang Uyghur Autonomous Region


No 380, Huanghe Iu, Urumqi

830000, Xinjiang Uyghur Autonomous Region




VOLKSREPUBLIK CHINA

Sende eine Kopie an

Botschaft der Volksrepublik China

S. E. Herrn Ken Wu


Märkisches Ufer 54


10179 Berlin

Fax: 030-27 58 82 21

E-Mail: presse.botschaftchina@gmail.com

 

Amnesty fordert:

Sachlage

Es besteht große Sorge um den uigurischen Geschäftsmann Ekpar Asat (艾克拜-赛提), der wegen "Anstiftung zu ethnischem Hass und ethnischer Diskriminierung" (民族歧视、煽动民族仇恨) eine 15-jährige Haftstrafe in einem Gefängnis in der Präfektur Aksu verbüßt. Es ist nicht bekannt, dass der Fall vor Gericht verhandelt wurde.

Wenngleich es als positives Zeichen zu werten ist, dass Ekpar Asat zum ersten Mal seit 2016 endlich kurz mit seiner Familie kommunizieren konnte, ist es erschütternd, wie stark sich sein Gesundheitszustand offenbar verschlechtert hat. Während des dreiminütigen Videogesprächs mit seiner Familie Ende Januar 2021 fiel auf, dass er stark an Gewicht verloren hatte, blass aussah und schwarze Flecken im Gesicht hatte. Er berichtete seiner Familie, dass sich sowohl sein körperlicher als auch sein psychischer Zustand verschlechtert habe. Es wird befürchtet, dass er an Unterernährung und mangelndem Sonnenlicht leidet.

Die Nichtbereitstellung von angemessener Ernährung und medizinischer Versorgung kann einen Verstoß gegen das Verbot von Folter und anderen Misshandlungen sowie anderer unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe darstellen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Ekpar Asat ist ein uigurischer Unternehmer, der sich für ältere Menschen und Kinder mit Behinderungen einsetzt. Er hat eine beliebte Social-Media-App für Nachrichten, Geschichte, Literatur, Kolumnen, Unterhaltung, Musik und rechtliche Informationen entwickelt. Er verschwand im April 2016 und wurde wegen "Anstiftung zu ethnischem Hass und zu ethnischer Diskriminierung" (民族仇恨、民族歧) ohne Prozess zu 15 Jahren Haft verurteilt. Seine Familie hat nur durch einen Austausch zwischen den chinesischen Behörden und einigen US-Senator_innen im Dezember 2019 und Januar 2020 von seiner Verurteilung erfahren. Derzeit befindet er sich in einem Gefängnis in der Präfektur Aksu in Xinjiang in Haft.

Die US-Botschaft in Peking hat Ekpar Asat vorgeschlagen, sich für das Führungskräfteprogramm International Visitor Leadership Program (IVLP) des US-Außenministeriums zu bewerben, nachdem er 2014 in Xinjiang den damaligen US-Botschafter Chinas Max Baucus kennengelernt hatte. Das IVLP ist ein berufliches Austauschprogramm des US-Außenministeriums, in dessen Rahmen aktuelle und zukünftige ausländische Führungspersönlichkeiten in verschiedenen Bereichen die USA aus erster Hand erleben und Beziehungen zu US-Kolleg_innen aufbauen können.

Das US-Außenministerium erwähnte Ekpar Asats Fall 2019 in seinem Menschenrechtsbericht zu China. Nachdem eine überparteiliche Gruppe von US-Senator_innen China aufgefordert hatte, Ekpar Asat freizulassen, antwortete die chinesische Botschaft in Washington D.C. im Januar 2020 per E-Mail mit Informationen über die Verurteilung von Ekpar Asat, ohne jedoch weitere Einzelheiten zu nennen.

Xinjiang gehört zu ethnisch vielfältigsten Regionen Chinas. Mehr als die Hälfte der 22 Millionen Einwohner_innen der Region gehören überwiegend turksprachigen und meist muslimischen ethnischen Gruppen an, darunter Uigur_innen (rund 11,3 Millionen), Kasach_innen (rund 1,6 Millionen) und andere Bevölkerungsgruppen, deren Sprache, Kultur und Lebensweise sich deutlich von denen der Han-Chines_innen unterscheiden, die im "Inneren" Chinas die Bevölkerungsmehrheit bilden.

Seit Chen Quanguo 2016 das Amt des Parteisekretärs der Autonomen Region Xinjiang angetreten hat, kann man an den Medienberichten ablesen, wie scharf die neu eingeführten Sicherheitsmaßnahmen sind. Im Oktober 2016 gab es zahlreiche Berichte darüber, dass die Behörden in der Region die Reisepässe von Uigur_innen konfisziert hatten, um ihre Bewegungsfreiheit weiter einzuschränken. Im März 2017 erließ die Autonome Region Xinjiang eine Verordnung zur "Entradikalisierung", die ein breites Spektrum an Handlungen beschreibt und diese als "extremistisch" einstuft und verbietet. Dazu zählen unter anderem "Verbreitung von extremistischem Gedankengut", die Verunglimpfung von staatlichen Radio- oder Fernsehsendern und die Verweigerung, diese zu konsumieren, sowie das Tragen von Burkas oder "ungewöhnlichen" Bärten. Darüber hinaus zählen Widerstand gegen nationale Politik sowie das Veröffentlichen, Herunterladen, Aufbewahren und Lesen von Artikeln oder Publikationen und audiovisuellen Beiträgen mit "extremistischem Inhalt" zur Liste dieser "extremistischen" Handlungen. Aufgrund der Verordnung wurde zudem ein "Zuständigkeitssystem" eingerichtet, mit dem die "Antiextremismus-Arbeit" der Regierung in verschiedene Bereiche eingeteilt und jährlich überprüft wird.

Es werden schätzungsweise eine Million Uigur_innen, Kasach_innen und Angehörige anderer mehrheitlich muslimischer Bevölkerungsgruppen in sogenannten Einrichtungen für "Transformation durch Erziehung" festgehalten. Bis Oktober 2018 bestritten die chinesischen Behörden die Existenz dieser "Umerziehungseinrichtungen". Danach erklärten sie, die Menschen seien freiwillig in diesen Lagern und würden eine Berufsausbildung erhalten. Ziel dieser Einrichtungen sei es, den Menschen eine berufliche Fachausbildung zu bieten und ihnen zu ermöglichen, eine Arbeit zu finden und sich zu "nützlichen" Bürger_innen zu entwickeln. Im Widerspruch zu diesen Erläuterungen stehen allerdings die Berichte von ehemaligen Insass_innen dieser Lager, die Schläge, Nahrungsentzug und Isolationshaft beschreiben.

China ist bisher den Aufforderungen der internationalen Gemeinschaft und auch Amnesty Internationals nicht nachgekommen, unabhängige Expert_innen uneingeschränkt nach Xinjiang einreisen zu lassen. Stattdessen versucht die chinesische Regierung, kritische Stimmen zu unterdrücken, indem sie nur sorgfältig ausgewählte Delegationen aus verschiedenen Ländern zu streng durchgeplanten und überwachten Besuchen nach Xinjiang einlädt.