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Nach Folter: Taxifahrer wird medizinische Hilfe verweigert
Am 10. August wurde der Taxifahrer Viachaslau Rahashchuk aus der Stadt Pinsk willkürlich festgenommen. Er ist nach wie vor in Haft. Im Gefängnis wurde er gefoltert, sodass er dringend medizinische Hilfe benötigt – die ihm die Behörden bisher verweigern.
Appell an
Yauhen Syarheevich Khitryk
Head of the Pre-Trial Detention Centre No. 6
Vul. Brestskaya 258 B
Baranavichy 225413
BELARUS
Sende eine Kopie an
Botschaft der Republik Belarus
S. E. Herrn Denis Sidorenko
Am Treptower Park 32
12435 Berlin
Fax: 030-5363 5923
E-Mail: germany@mfa.gov.by
Amnesty fordert:
- Bitte lassen Sie Viachaslau Rahashchuk umgehend in ein Krankenhaus mit angemessener medizinischer Versorgung bringen, damit sein sich verschlechternder Gesundheitszustand adäquat beurteilt und behandelt werden kann.
- Bitte unternehmen Sie alles in Ihrer Macht Stehende, um sicherzustellen, dass Viachaslau Rahashchuk nach einer entsprechenden Behandlung nicht wieder in Untersuchungshaft überstellt wird. Stattdessen muss er umgehend und bedingungslos freigelassen werden, da er keine Straftat begangen hat und willkürlich inhaftiert wurde – wie Tausende andere Menschen in Belarus seit dem 9. August.
Sachlage
Viachaslau Rahashchuks Gesundheitszustand ist so schlecht, dass er umgehend in ein Krankenhaus eingewiesen werden müsste. Doch stattdessen befindet er sich in der Untersuchungshaftanstalt Nr. 6. Seine Verletzungen sind auf Folter und andere Misshandlungen zurückzuführen, denen er in der Haft ausgesetzt war.
Der Taxifahrer wurde am Abend des 10. August in Pinsk von mindestens fünf Polizeibeamt_innen gewaltsam und willkürlich festgenommen, als er mit seiner Schwester und ihrem zwölfjährigen Sohn spazieren ging. Am Vortag waren die Wahlergebnisse der Präsidentschaftswahl offiziell bekanntgegeben worden und nach massiven Betrugsvorwürfen hielten die Proteste in der Stadt noch an. Viachaslau Rahashchuk hat keine Straftat begangen und seine Festnahme und nachfolgende Inhaftierung sind willkürlich. In der Zwischenzeit wurde er nach Paragraf 293 Teil 1 des belarussischen Strafgesetzbuches angeklagt, der im Zusammenhang mit dem Vorwurf von "Massenunruhen" steht. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu 15 Jahre Haft.
Am 11. August nahm einer der damaligen Mithäftlinge von Viachaslau Rahashchuk Kontakt zu dessen Mutter auf und teilte ihr mit, dass ihr Sohn von Gefängniswärtern schwer misshandelt worden sei. Er habe ein Hämatom hinter dem Ohr, drei Schnittwunden am Kopf und Prellungen an der gesamten Wirbelsäule. Außerdem seien die Gefängniskorridore voller Blutlachen von all denjenigen, die geschlagen wurden.
Seitdem hat Viachaslau Rahashchuk ein permanentes Klingeln in seinem Kopf. Seine Angehörigen baten einen Gefängnismediziner darum, ihm eine Überweisung zur Computer-Tomografie auszustellen. Dieser meinte jedoch nur, dass es Viachaslau Rahashchuk gut gehe und dass die Familie weiterhin Medikamente zur Linderung der Symptome schicken solle. Glaubwürdigen und aktuellen Berichten zufolge hat Viachaslau Rahashchuk wiederholt für bis zu 20 Minuten das Bewusstsein verloren. Außerdem hat er auf der linken Seite des Brustkorbs einen Tumor entwickelt. Die wiederholten Bitten seiner Familie, ihn einer unabhängigen ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, wurden allesamt abgelehnt. Viachaslau Rahashchuk wird die dringend benötigte medizinische Behandlung verweigert.
Hintergrundinformation
Der Umgang mit Viachaslau Rahashchuk steht stellvertretend für die weit verbreiteten massiven Menschenrechtsverletzungen gegen Andersdenkende, aber auch gegen Unbeteiligte, die in Belarus seit Beginn der friedlichen Massenproteste gegen die Wahlergebnisse vom 9. August anhalten. Das Land erlebt momentan die schwerste Menschenrechtskrise in seiner Geschichte seit der Unabhängigkeit. Während der Zeit des Wahlkampfs und nach der Präsidentschaftswahl am 9. August brachen friedliche Massenproteste aus, unter anderem wegen der umstrittenen offiziellen Resultate. Seitdem gehen die Behörden brutal gegen die Opposition und alle kritischen Stimmen vor.
So nahmen Polizeibeamt_innen Tausende Oppositionelle, Journalist_innen und Blogger, Andersdenkende, friedliche Demonstrant_innen und – wie im Fall von Viachaslau Rahashchuk – Unbeteiligte, die sich zur falschen Zeit am falschen Ort aufhielten, fest. Dabei trugen Beamt_innen häufig Zivilkleidung ohne jedes Erkennungszeichen und setzten exzessive Gewalt ein. Aktuellen Schätzungen zufolge wurden seit dem 9. August über 30.000 Menschen festgenommen. Gegen Tausende Menschen laufen unter dem Gesetzbuch über Ordnungswidrigkeiten Strafverfahren, die Geldstrafen oder Administrativhaft nach sich ziehen können. Die eigentlich 15-tägige Administrativhaft kann fortlaufend neu angeordnet werden, was zu einer erheblichen Verlängerung der Haftdauer führen kann. 900 Menschen sind unter verschiedenen Paragrafen des Strafgesetzbuchs angeklagt, ihnen drohen Haftstrafen von bis zu 15 Jahren. Andere wurden bereits zu Haftstrafen verurteilt. Jede Woche werden weiterhin Hunderte friedliche Protestierende festgenommen. All diejenigen, die allein wegen der Ausübung ihrer Menschenrechte ins Visier genommen wurden, sind gewaltlose politische Gefangene, die umgehend und bedingungslos freigelassen werden müssen.
Örtliche und internationale Menschenrechtsorganisationen haben Hunderte Zeugenaussaugen von Inhaftierten gesammelt, die während der Festnahme, des Transports oder der Untersuchungshaft gefoltert oder anderweitig misshandelt wurden. Bis jetzt haben die belarussischen Behörden keine einzige Ermittlung gegen Sicherheitskräfte eröffnet. Das Versagen der belarussischen Behörden, die Täter_innen solch schwerer Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung zu ziehen, führt zunehmend zu Forderungen, einen Internationalen Strafgerichtshof für Belarus einzurichten, damit die Gerechtigkeit sichergestellt werden kann.