Journalist unter schlechten Bedingungen in Haft

Diese Urgent Action ist beendet.

Am 5. April ordnete der Oberste Gerichtshof von Aserbaidschan die Freilassung von Aziz Orujov an und setzte die dreijährige Haftstrafe des Journalisten und Leiters des unabhängigen Internetsenders Kanal 13 zur Bewährung aus. Der gewaltlose politische Gefangene war seit dem 2. Mai wegen konstruierter Anklagen unter unmenschlichen Bedingungen in Haft gehalten worden.

Azis Orujov, Journalist in Aserbaidschan

Azis Orujov, Journalist in Aserbaidschan

In Aserbaidschan wird der unabhängige Journalist Aziz Orujov seit dem 2. Mai wegen konstruierter Anklagen unter unmenschlichen Bedingungen in Haft gehalten. Am 23. Juli wurde es in seiner Zelle so heiß, dass er das Bewusstsein verlor. Er ist ein gewaltloser politischer Gefangener und muss umgehend freigelassen werden.

Appell an

Ilham Aliyev

Office of the President of Azerbaijan

19 Istiqlaliyyat Street

Baku AZ1066


ASERBAIDSCHAN

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Aserbaidschan

S. E. Herrn Ramin Hasanov

Hubertusallee 43

14193 Berlin


Fax: 030-2191 6152

E-Mail: berlin@mission.mfa.gov.az

Amnesty fordert:

  • Lassen Sie Aziz Orujov bitte umgehend und bedingungslos frei, da die Vorwürfe gegen ihn haltlos sind und seine Inhaftierung lediglich auf seiner friedlichen Arbeit als Journalist beruht.
  • Sorgen Sie bitte dringend dafür, dass er in der Haft nicht gefoltert und anderweitig misshandelt wird.
  • Ich fordere Sie auf, das Recht auf freie Meinungsäußerung in Aserbaidschan zu respektieren und Menschenrechtler_innen und Journalist_innen nicht wegen ihrer legitimen Aktivitäten zu schikanieren.

Sachlage

Aziz Orujov, der den unabhängigen Internetsender Kanal  leitet, wurde am 2. Mai auf dem Weg zur Arbeit festgenommen. Ein Polizist hielt den Journalisten an, weil er der Ansicht war, Aziz Orujov gleiche einer von der Polizei gesuchten Person. Aziz Orujov wurde festgenommen und unter einer 30-tägigen Verwaltungshaftanordnung in Gewahrsam genommen, weil er sich vorsätzlich den legitimen Anweisungen eines Polizisten widersetzt haben soll. Am 2. Juni, dem Tag, an dem seine Verwaltungshaft auslaufen sollte, wurden neue konstruierte Vorwürfe gegen ihn erhoben. Man beschuldigte ihn gemäß Paragraf 192 und 308 des Strafgesetzbuchs des illegalen Unternehmertums und des Amtsmissbrauchs. Aziz Orujov wurde für weitere vier Monate in Untersuchungshaft genommen und befindet sich nach wie vor in einer Hafteinrichtung in Kurdakhany in der Nähe der Hauptstadt Baku.

Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe beziehen sich auf seine Mitbegründung der Organisation Caucasus Media Investigations Centre Public Union im Jahr 2006 mit seinem Bruder und seiner Schwägerin. Laut Angaben der Staatsanwaltschaft soll die Organisation von 2006 bis 2014 von verschiedenen Spender_innen Zuwendungen in Höhe von etwa 193.000 Aserbaidschan-Manat (ungefähr 96.000 Euro) erhalten haben und diese weder registriert noch die anfallenden Steuern (8.000 Aserbaidschan-Manat, etwa 4.000 Euro) bezahlt haben. Seit der Einführung neuer Gesetze im Februar 2014 müssen solche Zuwendungen in Aserbeidschan registriert und versteuert werden. Die Behörden wenden diese Bestimmungen jedoch rückwirkend an, offenbar um Angehörige regierungskritischer Einrichtungen wie z. B. unabhängiger Medienkanäle und NGOs einzuschüchtern, zu drangsalieren, zu inhaftieren und strafrechtlich zu verfolgen. Die Vorwürfe gegen Aziz Orujov sowie die Umstände, unter denen er festgenommen wurde, lassen darauf schließen, dass er von den Behörden wegen seiner kritischen Berichterstattung ins Visier genommen wurde.

Aziz Orujov teilt sich derzeit mit einem weiteren Gefangenen eine kleine Zelle, die weder klimatisiert ist noch anderweitig belüftet wird. In Baku herrschen momentan Temperaturen von bis zu 35°C. Die Zelle grenzt zwar an einen kleinen Balkon und hat auch ein kleines Fenster, doch die Gefängniswärter_innen gestatten ihm weder den Balkon zu betreten noch das Fenster zu öffnen. Am 23. Juli wurde es in seiner Zelle so heiß, dass er das Bewusstsein verlor. Am 24. Juli durfte Aziz Orujov zum ersten Mal seine Familie anrufen. Der Anruf dauerte jedoch nur wenige Minuten. Als er seiner Familie von der unerträglichen Hitze und seinem Bewusstseinsverlust erzählte, schnitten die Gefängnisbehörden das Gespräch ab. Seit seiner Inhaftierung hat Aziz Orujov lediglich Besuch von seinen beiden Rechtsbeiständen erhalten dürfen, nicht aber von seiner Familie.

Hintergrundinformation

Hintergrund

In den UN-Mindestgrundsätzen für die Behandlung von Gefangenen heißt es in Grundsatz 11: "In allen Räumen, in welchen Gefangene leben oder arbeiten, a) müssen die Fenster groß genug sein, damit die Gefangenen bei Tageslicht lesen und arbeiten können, und so eingerichtet sein, daß [sic] frische Luft einströmen kann, gleich ob es eine künstliche Belüftung gibt oder nicht."

Amnesty International betrachtet seit Langem mit Sorge, dass die aserbaidschanischen Behörden ihre internationale Verpflichtung zum Schutz der Versammlungs-, Vereinigungs- und Meinungsfreiheit nicht wahrnehmen. Menschenrechtsverteidiger_innen werden wegen ihrer Arbeit häufig auf der Grundlage von konstruierten oder politisch motivierten Anklagen festgenommen, um ihre kritischen Stimmen zum Schweigen zu bringen. Auch über Misshandlung und Schläge in Haft wird regelmäßig berichtet.

Die Vorwürfe gegen Aziz Orujov beziehen sich auf ein im Jahr 2014 eröffnetes Strafverfahren gegen verschiedene gemeinnützige Organisationen wegen vermeintlicher finanzieller Unregelmäßigkeiten. Damals wurden einige bekannte Regierungskritiker_innen (auch Menschenrechtsverteidiger_innen und politisch engagierte Personen) unter ähnlichen fadenscheinigen Anklagen festgenommen, um sie einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen. Weitere Informationen hierzu finden Sie in dem englischsprachigen Amnesty-Bericht Azerbaijan: Guilty of Defending Rights: Azerbaijan's human rights defenders and activists behind bars, 4. März 2015, online unter: https://www.amnesty.org/en/documents/eur55/1077/2015/en/.

In Aserbaidschan werden Vorwürfe über Wirtschaftskriminalität und Amtsmissbrauch häufig dazu eingesetzt, um Angehörige von NGOs zu inhaftieren, die den Behörden kritisch gegenüberstehen. Die aserbaidschanischen Behörden verweigern kritischen NGOs regelmäßig willkürlich die Registrierung und berufen sich dann später auf diese Verweigerung, um die Aktivitäten der NGOs zu kriminalisieren.

In Aserbaidschan wurden 2013 und 2014 restriktive NGO-Gesetze eingeführt, die seither von den Behörden willkürlich und unter Verstoß gegen das Recht auf Vereinigungsfreiheit angewendet werden. Mit den Gesetzen sollen die legitimen Tätigkeiten unabhängiger regierungskritischer NGOs eingeschränkt bzw. unterbunden werden, insbesondere durch die willkürliche Verweigerung der Registrierung und die Auferlegung beschwerlicher Erfordernisse hinsichtlich Rechenschaftspflicht in Berichtsform, Steuern und anderer Angelegenheiten. Wenn sie sich nicht registrieren lassen können, müssen aserbaidschanische NGOs andere Wege finden, um die existierenden Einschränkungen zu umgehen und Möglichkeiten zur Finanzierung ihrer legitimen Aktivitäten zu finden. Die Behörden setzen diese Erfordernisse streng durch und wenden sie in manchen Fällen rückwirkend an. Zudem manipulieren sie die Verfahren zur Berichtsform. Damit schaffen die Behörden eine Rechtfertigung für willkürliche Festnahmen und für die Strafverfolgung ihrer Kritiker_innen mit der Begründung finanzieller Unregelmäßigkeiten, welche von den Behörden als Unterschlagung bzw. Steuervermeidung eingestuft werden.

Amnesty International hat die willkürliche Anwendung des Strafrechts in Aserbaidschan in den vergangenen Jahren detailliert dokumentiert. Hierbei ging es um bekannte Regierungskritiker_innen (meist Menschenrechtler_innen, Journalist_innen und Anwält_innen) wie z. B. Intigam Alieyv, Rasul Jafarov, Khadija Ismayilova und Leyla Yunus. Auf internationalen Druck hin wurden manche von ihnen 2015 und 2016 freigelassen. Andere befinden sich jedoch nach wie vor in Haft. Die aserbaidschanischen Behörden greifen nach wie vor auf dieselben Anklagen zurück, um Regierungskritiker_innen festzunehmen und zum Schweigen zu bringen.