Ägypten: Häftling ohne Kontakt zur Außenwelt

Porträtzeichnung von Anas al-Beltagy, der lächelt.

Der Ägypter Anas al-Beltagy ist der Sohn des inhaftierten Mohamed al-Beltagy, einem führenden Mitglied der Muslimbruderschaft.

Anas al-Beltagy, der seit mehr als zehn Jahren wegen seiner familiären Verbindungen willkürlich inhaftiert ist, wird derzeit ohne Kontakt zur Außenwelt im Badr-Gefängnis rund 70 km östlich von Kairo festgehalten. Dort ist er dem Risiko von Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt. Seit mehr als sechs Jahren werden ihm Besuche und jeder andere Kontakt mit seiner Familie verweigert. Seit seiner Festnahme im Dezember 2013 haben die ägyptischen Behörden Anas al-Beltagy einer ganzen Reihe von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, darunter Verschwindenlassen und Folter. Die Sorge um sein Wohlbefinden und seine körperliche und geistige Gesundheit hat in den letzten Wochen zugenommen, nachdem es aus dem Badr-Gefängnis alarmierende Berichte über Selbstmorde und Hungerstreiks von Gefangenen gab, die gegen die dortigen Bedingungen protestieren.

Appell an

President

Abdelfattah al-Sisi


Office of the President

Al Ittihadia Palace


Kairo

ÄGYPTEN

 

Sende eine Kopie an

Botschaft der Arabischen Republik Ägypten

S. E. Herrn

Khaled Galal Abdelhamid

Stauffenbergstraße 6 – 7

10785 Berlin


Fax: 030-477 1049

E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie auf, dafür zu sorgen, dass Anas al-Beltagy umgehend und bedingungslos freigelassen wird und alle Anklagen gegen ihn fallengelassen werden, da diese allein wegen seiner familiären Verbindungen und der Wahrnehmung seiner Menschenrechte erhoben wurden.
  • Außerdem bitte ich Sie, dafür zu sorgen, dass er bis zu seiner Freilassung unter Haftbedingungen festhalten wird, die den internationalen Standards für die Behandlung von Gefangenen entsprechen, und regelmäßigen Zugang zu seiner Familie, Rechtsbeiständen sowie einer angemessenen medizinischen Versorgung erhält.

Sachlage

Anas al-Beltagy, der 30-jährige Sohn des in Haft befindlichen Mohamed al-Beltagy, einem bekannten Mitglied der Muslimbruderschaft, ist wegen dieser familiären Verbindung seit mehr als neun Jahren willkürlich inhaftiert. Obwohl die Gerichte ihn in vier Fällen von allen Vorwürfen freigesprochen haben und ein Gericht ihn in einem fünften Fall vorläufig auf freien Fuß setzte, ordnete die Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit seine Inhaftierung bis zum Abschluss der Ermittlungen wegen ähnlicher fadenscheiniger Terrorismusvorwürfe in einem separaten sechsten Fall an. Dieses wohlbekannte Vorgehen wird von ägyptischen Aktivist*innen und Anwält*innen als "Rotation" bezeichnet und dient dazu, kritische Stimmen und Oppositionelle auf unbestimmte Zeit im Gefängnis zu halten. Seit der Verlegung von Anas al-Beltagy ins Badr-Gefängnis im November 2022 fanden seine Anhörungen zur Haftverlängerung online statt. Dies stellt einen weiteren Verstoß gegen die Rechte auf ein faires Verfahren dar, um die Rechtmäßigkeit seiner Inhaftierung gebührend anfechten und sich angemessen verteidigen zu können. Bei Online-Anhörungen sind die Rechtsbeistände der Verteidigung mit den Richter*innen im Gerichtssaal anwesend, während die Angeklagten aus einem Raum des Gefängnisses zugeschaltet werden, wo sie sich zusammen mit Sicherheitskräften befinden. Anwält*innen klagen häufig über technische Probleme bei diesen Online-Anhörungen. So sei die Verbindung oft schlecht und sie könnten die Anklagten nicht richtig hören.

Seit seiner Festnahme wurde Anas al-Beltagy gefoltert und anderweitig misshandelt, unter anderem in Form verlängerter Einzelhaft und der gezielten Verweigerung medizinischer Versorgung. Seit 2017 durfte er weder Besuch erhalten noch mit seiner Familie und Rechtsbeiständen telefonieren oder schriftlich kommunizieren. Anas-al-Beltagy war bei seiner Festnahme im Dezember 2013 Student, konnte sein Studium im Gefängnis trotz der Bewerbung an mehr als sieben Universitäten aber nicht fortführen. Seit November 2022 wird er unter grausamen und unmenschlichen Haftbedingungen im Gefängnis Badr 1 etwa 70 km östlich von Kairo festgehalten. Er wurde monatelang in einer eiskalten Zelle bei rund um die Uhr eingeschaltetem Neonlicht in Einzelhaft gehalten, ohne sich draußen bewegen oder Kontakt mit anderen Gefangenen haben zu dürfen. Gefängnisbeamt*innen verweigern nach wie vor die Annahme von Lebensmitteln, für die Temperaturen angemessener Kleidung oder Medikamenten, die seine Familie für ihn zum Gefängnis bringt. Bei seinen Anhörungen zur Haftverlängerung, bei denen er gelegentlich mit Hand- und Fußfesseln zu sehen ist, beklagte er sich über eine Verschlechterung seiner körperlichen und geistigen Verfassung.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Anas al-Beltagy wurde am 24. Dezember 2013 als 20-Jähriger erstmals von Sicherheitskräften festgenommen. Damals war er mit seiner Mutter im Tora-Gefängnis, um seinen dort inhaftierten Vater Mohamed al-Beltagy zu besuchen. Nach Amnesty International vorliegenden Informationen wurden er und seine Mutter von Sicherheitskräften eingekreist und geschlagen und anschließend zur Staatsanwaltschaft von Maadi gebracht, wo sie wegen des Vorwurfs des tätlichen Angriffs auf Gefängniswärter*innen befragt wurden. Nach etwa zwanzig Stunden Haft ordnete die Staatsanwaltschaft ihre vorläufige Freilassung an.

Am 31. Dezember 2013 wurde Anas al-Beltagy im Haus eines Freundes im Viertel Nasr City von Kairo festgenommen. Er wurde auf die Polizeiwache Nasr City 1 gebracht. Dort weigerten sich die Polizist*innen, seine Festnahme zu protokollieren, und ließen ihn für fast einen Monat "verschwinden". In dieser Zeit war er Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt. Aus informierten Quellen hat Amnesty erfahren, dass er von Sicherheitskräften in einem kleinen Eisenkäfig festgehalten wurde, der als "für Menschen ungeeignet" beschrieben wurde. Nach seiner Verlegung in das Gefängnis Abu Zaabal in Alexandria Anfang 2014 wurde er von der Gefängnisverwaltung in verlängerter Einzelhaft gehalten und gezwungen, auf dem nackten Betonboden zu schlafen. Anschließend wurde er in das Tora-Gefängnis südlich von Kairo gebracht. Auch hier war er Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt, darunter der verlängerten Einzelhaft. Im November 2022 wurde er ins Badr-Gefängnis verlegt.

Sicherheitskräfte haben die Familie von Mohamed al-Beltagy schon seit langem im Visier, so dass einige Angehörige sich gezwungen sahen, ins Ausland zu fliehen. Asma al-Beltagy, die Schwester von Anas al-Beltagy, wurde während der gewaltsamen Zerstreuung eines Sitzstreiks am Rabaa-al-Adawiya-Platz am 14. August 2013, bei dem 900 Menschen starben, von Sicherheitskräften getötet. Sie war damals 16 Jahre alt. Während bisher noch keine Sicherheitskräfte oder Militärangehörigen zur Verantwortung gezogen wurden, haben die Behörden Tausende tatsächlicher oder vermeintlicher Mitglieder und Anhänger*innen der Muslimbruderschaft festgenommen.

Seit Februar 2023 besteht vermehrt Grund zur Besorgnis über die grausamen und unmenschlichen Haftbedingungen im Badr-3-Gefängnis, das sich etwa 70 Kilometer östlich von Kairo befindet. Es sind Briefe von dort inhaftierten Personen an die Öffentlichkeit gedrungen, die auf eine Zunahme der Suizidversuche unter den Inhaftierten hindeuten und die Folter und andere Formen der Misshandlung im Gefängnis belegen, u. a. durch die bewusste Verweigerung von medizinischer Versorgung, extreme Kälte, Kameraüberwachung und grelles Licht rund um die Uhr. Die Briefe der Inhaftierten zeichnen ein erschreckendes Bild von hungernden Isolationshäftlingen, deren Verzweiflung über die jahrelang erlittenen Ungerechtigkeiten einige zu Suizidversuchen und andere zu Hungerstreiks veranlasst haben. Darüber hinaus sagten einige Gefangene während einer Online-Anhörung über die Verlängerung ihrer Haft am 13. März 2023 aus, dass sie nackt ausgezogen und geschlagen worden waren. Familienbesuche für Gefangene im Badr-3-Gefängnis werden schon seit der Inbetriebnahme des Gefängniskomplexes Mitte 2022 nicht von den Behörden gestattet. Darüber hinaus ist jeglicher telefonische oder schriftliche Kontakt mit der Familie verboten, sodass die Gefangenen praktisch ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten werden. Da die Gefangenen von der Außenwelt abgeschnitten sind, liegen nur wenige Informationen über ihre derzeitige Situation vor und es besteht Grund zur Sorge um ihr Wohlergehen und ihre psychische Gesundheit. Berichten zufolge werden Bestrafungsmaßnahmen gegen Gefangene verhängt, die sich über diese Behandlung beschweren. Sie werden u. a. an unbekannte Orte verlegt oder in Einzelhaft festgehalten. Die Gefängnisbehörden weigern sich außerdem, Lebensmittel, Kleidung und andere lebenswichtige Dinge, die Familienangehörige den Gefangenen schicken, anzunehmen, obwohl gut dokumentiert ist, dass sie selbst den Gefangenen nicht ausreichend Nahrung, Trinkwasser, Hygieneartikel, angemessene Kleidung und Bettwäsche zur Verfügung stellen.