Oyub Titiev: Verfolgt wegen Menschenrechtsarbeit

Oyub Titiev sitzt an auf einem Geländer, im Hintergrund eine Flusslandschaft

Der tschetschenische Menschenrechtsverteidiger Oyub Titiev

Wir haben die Petition im Juli 2018 geschlossen. Insgesamt wurden mehr als 12.000 Appelle gesammelt. Vielen Dank an alle, die mitgemacht haben!

Wer sich in Tschetschenien für Menschenrechte einsetzt, wird bedroht, schikaniert und überfallen. Insbesondere für die Menschenrechtsorganisation Memorial verschärft sich die Lage. Am 9. Januar 2018 wurde Oyub Titiev, Leiter des Memorial-Büros im tschetschenischen Grosny, willkürlich inhaftiert und sitzt seitdem in Untersuchungshaft.

Oyub Titievs Inhaftierung ist ein Teil eines abgestimmten und politisch motivierten Versuchs, Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger in Russland einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen. Titiev wurde bereits zuvor in Verbindung mit seiner Menschenrechtsarbeit bedroht. Nun wird ihm wird der Vorwurf des Drogenbesitzes gemacht. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft. Amnesty International vermutet, dass ihm die Drogen untergeschoben wurden, um ihn an seiner Menschenrechtsarbeit zu hindern. Es wird befürchtet, dass Oyub Titiev in Haft gefoltert wird. Amnesty fordert seine sofortige und bedingungslose Freilassung.

Update: Am 21. Juni 2019 wurde Oyub Titiev aus der Haft entlassen. Auch wenn die Entlassung auf Bewährung keine Gerechtigkeit schafft, freuen wir uns sehr, dass er nach eineinhalb Jahren Haft endlich wieder bei seiner Familie und seinen Kolleg_innen von Memorial sein kann. Vielen Dank an alle, die sich für Oyub Titiev eingesetzt haben!

Hintergrundinformationen

Titiev arbeitet seit vielen Jahren im Memorial-Büro in Grosny. Er übernahm die Leitung des Büros nach der Ermordung der Menschenrechtsverteidigerin und Memorial-Mitarbeiterin Natalia Estemirova im Jahr 2009. Ihre Ermordung wurde bis heute nicht gründlich untersucht.

Der Druck der Behörden sowohl auf die Familie von Oyub Titiev als auch auf Kolleginnen und Kollegen bei Memorial verschärft sich indes weiter. Seine Familie ist zu verschiedenen Gelegenheiten von der Polizei schikaniert worden und infolgedessen gezwungen gewesen, Tschetschenien zu verlassen. Auch in anderen Republiken des Nordkaukasus hat es in diesem Jahr Angriffe gegen Memorial-Büros gegeben. In der Nacht des 17. Januar steckten unbekannte maskierte Männer das Memorial-Büro in Inguschetien in Brand. Am 19. Januar führte die Polizei eine Razzia in den Memorial-Büros in Grozny durch. Am 22. Januar wurde vor dem Büro in Dagestan ein Auto in Brand gesetzt, das zuvor von Oyub Titievs Rechtsbeistand benutzt worden war. Etwa zur selben Zeit erhielten Angehörige des Memorial-Büros in Dagestan eigenen Angaben zufolge Morddrohungen per Telefon.

Memorial dokumentiert seit mehr als 25 Jahren Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien und hat intensiv über die Verstöße gegen die Menschenrechte berichtet, die während der zwei Tschetschenienkriege vom Militär und von bewaffneten Gruppen verübt wurden. Später hat Memorial auch Verstöße der tschetschenischen Behörden dokumentiert. Die Organisation hat immer wieder Informationen über kollektive Strafmaßnahmen wie das Niederbrennen von Häusern, Verschwindenlassen, Folter und andere Misshandlungen sowie zu außergerichtlichen Tötungen durch lokale Sicherheitsbehörden veröffentlicht.

In den vergangenen Monaten war Oyub Titiev gemeinsam mit anderen Kolleginnen und Kollegen von Memorial Berichten nachgegangen, denen zufolge 27 Tschetscheninnen und Tschetschenen zunächst verschwunden waren und dann in der Nacht vom 26. Januar 2017 von der Polizei erschossen wurden. Die unabhängige russische Tageszeitung Novaya Gazeta berichtete ausführlich über den Fall. Oyub Titievs Kolleginnen und Kollegen betrachten seine Inhaftierung als einen Versuch der Behörden, ihn an der legitimen Ausübung seiner Menschenrechtsarbeit zu hindern.