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"Moderne Sklaven"
Ein Gespräch mit der Menschenrechtlerin Nivedita Prasad.
Als junge Frau mussten Sie in Deutschland um eine Aufenthaltsgenehmigung kämpfen. Ist das der Grund dafür, dass Sie sich mit den Problemen von Migrantinnen beschäftigen?
Ja und nein. Meine erste berufliche Erfahrung machte ich im Autonomen Mädchenhaus. Da ich früher selbst in einem Mädchenheim war, wollte ich einmal auf der anderen Seite stehen. Bei Ban Ying unterstützen wir Frauen, die Opfer von Menschenhandel wurden, seien es Prostituierte, Hausangestellte oder asiatische Ehefrauen, die mit deutschen Männern verheiratet sind.
Was verstehen Sie unter dem Begriff moderne Sklaverei?
Wenn ein Mensch absolute Verfügungsgewalt über einen anderen hat. Und es gibt durchaus Wege, diese Verfügungsgewalt zu erlangen. So ist die Aufenthaltserlaubnis der Hausangestellten eines Diplomaten an diesen geknüpft. Sobald sie ihn verlässt, lebt sie illegal. Ein anderes Beispiel: Ehefrauen müssen drei Jahre mit einem deutschen Ehemann zusammenleben, bevor sie ein eigenes Visum bekommen. Es sind also die Lebensumstände und die juristischen Voraussetzungen, die den Tätern absolute Verfügungsgewalt über diese Frauen geben.
Sie haben sich für die Indonesierin Dewi Ratnasari eingesetzt, die bei einem saudischen Botschafter beschäftigt war.
Diese Frau hat 19 Monate lang für eine große Familie gearbeitet, 17 bis 18 Stunden täglich, sieben Tage die Woche, ohne Urlaub. Sie erhielt in dieser Zeit keinen Cent, wurde beleidigt, geschlagen und misshandelt. Essen durfte sie nur, wenn etwas übrig blieb. Sie fühlte sich eingesperrt, obwohl sie sich nie getraut hat, zu testen, ob die Tür tatsächlich abgeschlossen war. Denn wäre auf der anderen Seite der Arbeitgeber gestanden, hätte sie großen Ärger bekommen. Das ist sehr symptomatisch.
Aber sie hat es bis zu Ihnen geschafft.
Sie musste unter abenteuerlichen Umständen fliehen. Wir konnten sie überzeugen, ihren Fall zum Musterverfahren zu machen. Diplomaten genießen Immunität, folglich haben deren Angestellte keinen Zugang zum Rechtssystem. Die Klage wurde abgewiesen. Wir wollen nun bis vor das Bundesverfassungsgericht und notfalls auch zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen. Die höchsten Richter sollen klären, wie wir diplomatische Immunität garantieren und zugleich den betroffenen Frauen ihr Recht sichern können.
Sind Migrantinnen in spezieller Form sexualisierter Gewalt ausgesetzt?
Nicht grundsätzlich, aber wer keine Papiere hat, kann nicht zur Polizei gehen. Illegale Haushälterinnen leben mit einem höheren Risiko, Opfer sexueller Gewalt zu werden. Dasselbe trifft auf Migrantinnen ohne Aufenthaltserlaubnis zu, die als Prostituierte arbeiten. Sie sind gefährdeter als ihre deutschen Kolleginnen, weil sie niemals Anzeige erstatten würden. Lebt jemand illegal, haben Täter nichts zu befürchten. Zudem sind Richter verpflichtet, Menschen ohne Papiere bei der Ausländerbehörde zu melden. Sagen die Frauen vor den Juristen aus, werden sie anschließend abgeschoben. Wer macht das schon?
Wie könnte man illegalisierte Migrantinnen besser schützen?
Die Übermittlungspflicht der Richter muss abgeschafft werden. Wir müssen auch auf die Täter schauen. Ein Vergewaltiger muss die Behörden nur über den illegalen Status des Opfers informieren und schon ist er sein Problem los. Wenn unter Folterandrohung eine Aussage erzwungen wurde, darf diese nicht verwertet werden. Das sollte man übertragen: Wenn jemand eine Person denunziert, weil diese ihn beschuldigt, sollte die Denunziation nicht verwertet werden dürfen. Nur so können wir garantieren, dass Frauen ohne Papiere ihre Rechte einklagen können.
Fragen: Wolf-Dieter Vogel
Nivedita Prasad arbeitet bei der Berliner Beratungs- und Koordinationsstelle gegen Menschenhandel Ban Ying und leitet den Masterstudiengang "Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession" an der Alice Salomon Hochschule Berlin. Für ihren Einsatz für Frauen- und Menschenrechte erhielt die 44-jährige gebürtige
Inderin am 2. März den von der Heinrich-Böll-Stiftung ausgelobten Anne-Klein-Frauenpreis.