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Jordanien 2015
Die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit waren 2014 weiterhin stark eingeschränkt. Regierungskritiker riskierten, willkürlich festgenommen und inhaftiert zu werden. Einige von ihnen wurden strafrechtlich verfolgt und zu Gefängnisstrafen verurteilt. Die Regierung änderte das Antiterrorgesetz von 2006 dahingehend, dass nun auch Handlungen strafbar sind, die möglicherweise Jordaniens Beziehungen zum Ausland gefährden, sowie die Verbreitung von Gedankengut, das den Terrorismus fördern könnte.
Vor dem Staatssicherheitsgericht fanden 2014 weiterhin Prozesse gegen Personen statt, denen Straftaten im Zusammenhang mit Terrorismus vorgeworfen wurden. Mehrere Angeklagte gaben an, gefoltert und anderweitig misshandelt worden zu sein. Jordanien nahm Tausende Flüchtlinge aus Syrien und zunehmend auch aus dem Irak auf. Palästinensern aus Syrien blieb die Einreise jedoch verwehrt. Frauen wurden durch Gesetze und im täglichen Leben diskriminiert. Mindestens 14 Personen wurden 2014 im Namen der "Familienehre" getötet. Im Dezember wurden elf Gefangene hingerichtet. Es waren die ersten Hinrichtungen in Jordanien seit 2006.
Hintergrund
Jordanien bekam 2014 die Auswirkungen der Ereignisse jenseits der Landesgrenzen deutlich zu spüren, vor allem die bewaffneten Konflikte in Syrien und im Irak sowie die israelische Militäroffensive im Gazastreifen. Aufgrund des Konflikts in Syrien strömten weitere Flüchtlinge in das Land. Nach Angaben des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR) beherbergte Jordanien mehr als 600000 Flüchtlinge aus Syrien sowie 30000 aus dem Irak.
Die Tötung eines jordanischen Richters durch israelische Armeeangehörige am Grenzübergang Allenby-Brücke zwischen Jordanien und dem Westjordanland löste im März 2014 Demonstrationen gegen Israel aus. Im Juli und August kam es dann zu Massenprotesten gegen die israelischen Bombenangriffe auf den Gazastreifen.
Die Lage entlang der Grenze zu Syrien blieb angespannt. Die Regierung verschärfte dort und im Grenzgebiet zum Irak die Kontrollen. Im April 2014 teilte die Regierung mit, Kampfflugzeuge hätten auf Angehörige syrischer bewaffneter Gruppen geschossen, die versucht hätten, die Grenze zu Jordanien zu überschreiten. Im Juni sagte die US-Regierung zu, Raketen und Militärflugzeuge nach Jordanien zu schicken. Im September schloss sich Jordanien der US-geführten internationalen Allianz gegen die bewaffnete Gruppe Islamischer Staat (IS) an.
Die Regierung machte so gut wie keine Fortschritte bei der Umsetzung zugesagter politischer Reformen. Nach einer Verfassungsänderung ist allein der König dafür zuständig, die Führung der Streitkräfte und des Allgemeinen Nachrichtendienstes zu ernennen.
Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit
Die Regierung schränkte die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit auch 2014 stark ein. Sie nutzte dazu strafrechtliche Bestimmungen, die eine "Diffamierung" der Monarchie, staatlicher Einrichtungen sowie der Religion verbieten. Außerdem griffen die Behörden auf das Presse- und Veröffentlichungsgesetz und auf ein Gesetz zur Verbrechensbekämpfung in Informationssystemen aus dem Jahr 2010 zurück, die ihnen weitreichende Befugnisse einräumten, um Zeitungen, Radio- und Fernsehstationen sowie Online-Medien zu zensieren. Außerdem blockierten die Behörden einige neue Internetseiten.
Anfang 2014 wurde die Zuständigkeit des Staatssicherheitsgerichts auf die fünf Straftaten Verrat, Spionage, Terrorismus, Drogendelikte und Geldfälschung begrenzt. Eine Reform des Antiterrorgesetzes im Mai hatte hingegen weitere Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung zur Folge. Als terroristische Handlungen können demnach auch die Verbreitung bestimmter politischer Ideen gelten und Aktivitäten, die als schädlich für Jordaniens Beziehungen zum Ausland angesehen werden, wie z.B. die Kritik an ausländischen Staatsoberhäuptern.
Journalisten, Vertreter der politischen Opposition, Personen, die sich im Internet kritisch äußerten, sowie Mitglieder der verbotenen Partei Hizb ut-Tahrir waren von strafrechtlicher Verfolgung und Inhaftierung betroffen. Mindestens 18 Mitglieder von Hizb ut-Tahrir mussten sich vor dem Staatssicherheitsgericht verantworten, das dafür bekannt ist, sich nicht an die internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren zu halten. Im März 2014 wurden Nayef Lafi und Ibrahim al-Kharabsheh festgenommen, als sie versuchten, Parlamentarier von einer Reform des Antiterrorgesetzes abzubringen.
Ihnen drohen bis zu sieben Jahre Gefängnis wegen "unerlaubter Aktionen" zur Einschüchterung der Regierung sowie Mitgliedschaft in einer verbotenen Organisation. Wassim Abu Ayesh wurde wegen Vorwürfen im Zusammenhang mit Terrorismus vor dem SSC der Prozess gemacht. Ihm wurde zur Last gelegt, ein Video des IS auf Facebook veröffentlicht zu haben. Seinen Angaben zufolge zeigte es jedoch vor allem die Misshandlung von Häftlingen im Irak. Außerdem sagte er, dass Beamte ihn beim Verhör gezwungen hätten, eine Erklärung zu unterzeichnen, die er zuvor nicht habe lesen dürfen.
Bei einer Demonstration gegen Israel in der Hauptstadt Amman im Juli 2014 gingen die Sicherheitskräfte gewaltsam gegen Journalisten vor und griffen sie tätlich an. Im August wurde der Journalist Abdulhadi Raji Majali, der für die Tageszeitung Al Ra’i arbeitet, auf Geheiß der Staatsanwaltschaft von Amman inhaftiert. Anlass war ein von ihm im Internet veröffentlichter Kommentar, den die Behörde als beleidigend erachtete. Nach einer Woche kam er bis zum Beginn seines Gerichtsverfahrens gegen Kaution frei.
Ebenfalls im Juli verurteilte das Staatssicherheitsgericht drei friedliche Aktivisten, die sich für Reformen einsetzen, zu jeweils drei Monaten Haft. Mahdi al-Saafin, Ayham Mohamed Alseem und Fadi Masamra wurde zur Last gelegt, den Staat "unterminiert" und den König "beleidigt" zu haben.
Mohamed Said Bakr und Adel Awad, zwei führende Mitglieder der Muslimbruderschaft, wurden im September 2014 inhaftiert und standen wegen Gefährdung der staatlichen Sicherheit vor dem Staatssicherheitsgericht. Anlass waren öffentliche Stellungnahmen, in denen sie hohe jordanische Politiker und deren Beziehungen zu den USA kritisiert hatten. Im Dezember wurde das Verfahren gegen Adel Awad aus Mangel an Beweisen eingestellt.
Folter und andere Misshandlungen
Berichte über Folter und andere Misshandlungen gaben 2014 weiterhin Anlass zur Sorge. Entsprechende Vorwürfe wurden u.a. von Häftlingen erhoben, die wegen mutmaßlicher Unterstützung bewaffneter Gruppen in Syrien, wie der Al-Nusra-Front (Jabhat al-Nusra), inhaftiert waren.
Das Staatssicherheitsgericht sprach Abu Qatada im Juni 2014 von Anklagen im Zusammenhang mit Terrorismus frei. Britische Behörden hatten ihn 2013 nach Jordanien ausgeliefert, nachdem sie die "diplomatische Zusicherung" erhalten hatten, dass unter Folter erpresste "Geständnisse" in einem neuen Strafprozess nicht als Beweismittel verwendet würden.
Bei der Urteilsfindung spielten die "Geständnisse" aber dennoch eine Rolle, da das Gericht sie als aktenmäßig feststehende Bestandteile des Verfahrens betrachtete. Allerdings kam es zu dem Schluss, dass sie nicht ausreichend durch Beweise untermauert waren. Im September sprach das Staatssicherheitsgericht Abu Qatada in Bezug auf weitere Anklagepunkte frei und ordnete seine Haftentlassung an.
Verwaltungshaft
Die Provinzbehörden hielten Hunderte, möglicherweise sogar Tausende Menschen weiterhin ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren auf Grundlage des Gesetzes zur Verbrechensverhütung aus dem Jahr 1954 in Verwaltungshaft. Das Gesetz gibt Provinzgouverneuren die Befugnis, Personen, die als "Gefahr für die Gesellschaft" angesehen werden, festnehmen zu lassen und auf unbestimmte Zeit zu inhaftieren. Verwaltungshäftlinge haben keine Möglichkeit, gegen ihre Inhaftierung Rechtsmittel einzulegen.
Rechte von Flüchtlingen und Migranten
Jordanien beherbergte 2014 mehr als 600000 Flüchtlinge aus Syrien. Etwa ein Drittel der Menschen war in sechs Lagern untergebracht, dessen größtes mehr als 100000 Menschen Zuflucht bot. Die Mehrheit der Flüchtlinge lebte in Städten und Ortschaften im ganzen Land verstreut. Die Behörden hielten zwar am Prinzip der offenen Grenzen für syrische Flüchtlinge fest, bei mehreren Gelegenheiten wurde die Grenze jedoch für Flüchtlinge gesperrt.
Palästinenser und Iraker, die dem Konflikt in Syrien entkommen wollten, durften nicht nach Jordanien einreisen. Die hohe Zahl von Flüchtlingen stellte das Land vor enorme wirtschaftliche Herausforderungen und forderte gewaltige Anstrengungen, insbesondere was die Wasserversorgung, Bildungseinrichtungen und das Gesundheitssystem betraf. Es gab zunehmend Befürchtungen, der Konflikt könne auf Jordanien übergreifen.
Rechte von Frauen und Mädchen
Frauen wurden weiterhin durch Gesetze und im täglichen Leben diskriminiert. Sie waren nicht ausreichend gegen sexuelle Gewalt, Tötungen im Namen der "Familienehre" und andere Gewalttaten geschützt. Zehntausende Jordanierinnen, die mit Ausländern verheiratet waren, konnten ihre Staatsbürgerschaft weiterhin nicht an ihre Ehemänner und Kinder weitergeben. Im November sorgte die Regierung dafür, dass nicht-jordanische Familienangehörige leichter Zugang zum Bildungs- und Gesundheitssystem erhielten, ihre Diskriminierung bestand jedoch fort. Im Justizministerium wurden dem Vernehmen nach Änderungen des Strafgesetzbuchs erwogen, um Frauen vor sexueller Belästigung zu schützen.
Mindestens zwölf Frauen und zwei Minderjährige – ein Mädchen und ein Junge – wurden im Namen der "Familienehre" getötet. In mindestens zwei Fällen wurden die Todesurteile gegen die Täter vom Gericht sofort in zehnjährige Haftstrafen umgewandelt. Grundlage war offenbar eine Verfügung, die eine Umwandlung oder Reduzierung der Strafe erlaubt, wenn die Familie des Opfers um eine Abmilderung bittet.
Im Juli 2014 gab das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) bekannt, dass unter den syrischen Flüchtlingen die Zahl der früh geschlossenen Ehen ansteige, und wies auf die damit verbundenen hohen Risiken für junge Mädchen hin. Das gesetzliche Heiratsalter für Frauen liegt in Jordanien bei 18 Jahren. Ausnahmegenehmigungen für eine frühere Eheschließung können jedoch von einem Richter erteilt werden. Nach Angaben der jordanischen NGO Sisterhood is Global fanden 13,2% der im Jahr 2013 registrierten Eheschließungen vor dem 18. Geburtstag der Braut statt.
Todesstrafe
Am 21. Dezember 2014 wurden elf Männer hingerichtet. Es war das erste Mal seit 2006, dass in Jordanien wieder Todesurteile vollstreckt wurden. Im November hatte die Regierung einen Sonderausschuss gebildet, der über die Wiederaufnahme von Hinrichtungen beraten sollte.