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Menschenrechte "made in China"
Verurteilt zu zehn Jahren Gefängnis wegen einer E-Mail: Plakat mit Shi Tao in der U-Bahn in Hannover.
© Amnesty International
Ende April war China offizielles Partnerland auf der Hannover Messe. Amnesty-Mitglieder erinnerten mit Mahnwachen und Aktionen daran, dass das chinesische Wirtschaftswachstum nicht auf Kosten von grundlegenden Menschenrechten gehen darf.
Kerstin Gawlik-Moshou (44) ist seit Anfang 2010 aktives Mitglied im Amnesty-Bezirk Hannover (Gruppe 1017). Sie setzt sich für inhaftierte Gewerkschafter im Iran ein und engagiert sich darüberhinaus in verschiedenen Amnesty-Projekten in Hannover.
Vom 23. bis 27. April 2012 war China offizielles Partnerland der Hannover Messe. Feierlich eröffnet wurde die weltweit größte Industriemesse von Bundeskanzlerin Angela Merkel, gemeinsam mit dem chinesischen Premierminister Wen Jiabo .
Wir, die Mitglieder vom Amnesty-Bezirk Hannover, hielten es für angebracht, Wen Jiabo einen gebührenden Empfang zu bereiten – einen Empfang à la Amnesty International.
Denn während es in den Kongresshallen darum ging, gute Geschäfte zu machen, wollten wir auf die Schattenseiten des chinesischen Wirtschaftswachstums hinweisen:
In China sitzen Menschen im Gefängnis, weil sie lediglich ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen haben. Zeitungen, Fernsehen und Internetportale werden von den Behörden kontrolliert. In keinem anderen Land der Welt werden so viele Menschen hingerichtet wie im "Reich der Mitte".
Schnell fand sich daher eine Gruppe von Leuten, die bereit waren, dagegen bei der Hannover Messe ein Zeichen zu setzen. Darunter waren auch einige Mitglieder mit langjähriger Amnesty-Erfahrung, die genau wissen, an wen man sich bei Fragen und Problemen wenden kann und was es bei der Organisation alles zu beachten gilt. Als neuestes aktives Mitglied des Bezirks staune ich immer wieder, welch gelungene Aktionen aus anfänglichem Durcheinander entstehen können.
Nachdem wir zahlreiche Idee erdacht und dann doch wieder verworfen hatten, einigten wir uns auf eine Online-Petition für die Freilassung der drei inhaftierten chinesischen Schriftsteller und Journalisten Shi Tao, Yang Tongyan und Liu Xiaobo.
Große Plakate mit den Porträts dieser drei Dissidenten sollten in Hannovers U-Bahnstationen zu sehen sein, genau am Dreh-und Angelpunkt der Linie, die zur Messe führt. Die Aussage auf den Plakaten sollte für die hektisch vorbeilaufenden Messegäste auf einen Blick zu erfassen sein.
Menschenrechtsarbeit im Untergrund: Plakat mit Yang Tongyan in der U-Bahn in Hannover.
© Amnesty International
Eine unserer Aktivistinnen - eine Diplomkauffrau, die im Beruf die Wirtschaft und die Geschäftswelt und als Amnesty-Mitglied die Menschenrechte stets im Auge hat – fand den passenden Slogan: HUMAN RIGHTS made in China!
Im Fahrgastfernsehen der Hannoveraner Stadtbahnen liefen 10-Sekunden-Spots mit der Forderung, die drei gewaltlosen politischen Gefangenen freizulassen. Auf den Zeitpunkt und den Ort einer Mahnwache einigten wir uns sehr schnell: Sie sollte am 22. April direkt vor dem Kongresszentrum stattfinden, während Bundeskanzlerin Merkel gemeinsam mit Premierminister Wen Jiabo die Messe eröffnete.
Um das Interesse der Medien und damit eine möglichst große Öffentlichkeit zu erreichen, gab die Amnesty-Pressestelle in Berlin eine Pressemitteilung heraus. Darin wurde auch Dirk Pleiter, der Sprecher der China-Ländergruppe der deutschen Sektion, zitiert:
"China wird als Partnerland der Hannover-Messe 2012 die Möglichkeit geboten, seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zur Schau zu stellen. Im Zuge der ökonomischen Reformen hat sich das Land in den letzten Jahren tatsächlich stark gewandelt. Doch der Blick auf die wirtschaftliche Dynamik darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Menschenrechte in China nach wie vor mit Füßen getreten werden".
Auch wir machten Pressearbeit und verschickten regionale Pressemitteilungen an die verschiedenen Lokalzeitungen mit der vagen Hoffnung, man würde sich unseres Anliegens annehmen. Zu unserer freudigen Überraschung bat die größte lokale Tageszeitung "Hannoversche Allgemeine" um ein Interview und veröffentlichte einen großen Artikel mit einem Foto der U-Bahn-Plakate im Regionalteil. Der Fernsehsender Sat.1 regional brachte ein Interview mit einem unserer Mitstreiter, und auch die offizielle Amnesty-Pressemitteilung wurde bundesweit in zahlreichen Zeitungen erwähnt.
Erzeugten mit ihrer Mahnwache viel Aufmerksamkeit: Aktivistinnen und Aktivisten des Hannoveraner Amnesty-Bezirks.
© Amnesty International
Bei unserer Mahnwache vor dem Messe-Gelände waren viele Journalisten vor Ort und interviewten uns. Und auch in anderer Hinsicht waren wir bei unserer Mahnwache nicht allein: Tibeter, Syrer, Mitglieder der "Falun Gong"-Bewegung und der ethnischen Minderheit der Uiguren brachten teils lauthals ebenfalls ihren Protest zum Ausdruck.
Natürlich kann man sagen: "Ein paar Menschen, ein paar Plakate – wen kümmert das schon?"
Aber andererseits: Wäre es besser gewesen, wenn niemand dort gewesen wäre? Wenn keine Plakate auf die Situation in China aufmerksam gemacht hätten? Wenn keine Stimmen erhoben worden wären?
Der Einsatz für die Menschenrechte lohnt sich immer. Ganz nach dem Motto: "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es."
Machen auch Sie mit und fordern Sie mit Ihrer Unterschrift unter unsere Online-Petition die Freilassung von Shi Tao, Yang Tongyan und Liu Xiaobo!