Amnesty Journal Syrien Ukraine 24. März 2022

Suche nach Frieden, Sucht nach Krieg

Auf einem Felsen stehen Menschen, links ihnen brennt etwas, von diesem Feuer aus steigt dichter schwarzer Rauch auf.

Filmszene aus "This Rain Will Never Stop"

Von Syrien in die Ukraine: Alina Gorlova hat mit "This Rain Will Never Stop" einen spektakulären Antikriegsfilm gedreht.

Von Jürgen Kiontke

Schwarzweiß sind die Schutthalden, die Wiesen und die Seen, schwarzweiß auch die Innenansichten aus einer Panzerwerkstatt. Regisseurin Alina Gorlova beginnt ihren bildstarken Film "This Rain Will Never Stop" mit assoziativen Bildern starker Gegensätze und ohne Kommentar. Die Kamera sucht sich ihre Plätze scheinbar nach Belieben aus, zu hören ist nur der Lärm der Arbeit, bis sie Station macht bei einem Mann, der mit seiner Katze spricht, und der Film eindeutig wird: "Wieder einen Tag überlebt, Katze", sagt er.

Gorlovas Dokumentarfilm wirkt zunächst wie Fiktion und hat einen komplexen Plot: Im Zentrum stehen der junge Rot-Kreuz-Helfer Andriy Suleiman und sein mäandernder Lebensweg. Als Sohn eines Kurden und einer Ukrainerin in Syrien geboren, hat es ihn auf der Flucht vor dem Krieg in das ostukrainische Lyssytschansk in der Oblast Luhansk verschlagen. In jenes Gebiet also, dessen Bevölkerung von Wladimir Putin herangezogen wird, um den gegenwärtigen Feldzug der russischen Armee gegen die Ukraine zu rechtfertigen.

Mechanik der Gewalt

Die Regisseurin hat ihren Film bereits vor zwei Jahren fertiggestellt, mit genauen Angaben zum Geschehen hält sie sich zurück. Aber Andriy arbeitet inmitten einer humanitären Katastrophe, die sichtbar wird an Grenzkontrollstellen, Pass- und Essensausgaben. Uniformierte beherrschen das Bild. Gorlova gelingen bedrohlich-überwältigende Bilder martialischer Militäraufmärsche. Und wieder: keine Sprache, kein Kommentar, allein die Mechanik der Gewalt ist präsent. Aber nichts existiert ohne sein Gegenteil: Bald sind gegengeschnittene Bilder zu sehen, die von einem CSD in Deutschland stammen, wo Andriys Bruder lebt.

Er und seine Eltern versuchen hingegen, in Lyssytschansk Normalität zu leben. Die übrigen Verwandten sind weltweit verteilt. Intensiv ist der Kontakt über schlechte Skype-Verbindungen in die kurdischen Gebiete Syriens. Andriys Leben ist von zwei der meistumkämpften Gebiete der Erde bestimmt. Und während seine Eltern hoffen, ihr Sohn möge in den Westen gehen, macht er sich auf nach Syrien, um sein Herkunftsland kennenzulernen.

Suche nach Verbundenheit

Dort assistiert er bald in einer Physiotherapiepraxis, in der seine Kenntnisse gefragt sind. Man arbeitet mit den Versehrten, mit den Männern ohne Beine, mit den zerschossenen Augen, den gelähmten Armen. Die Welt der Kriegsmaschinen steht den Momentaufnahmen ihrer Folgen gegenüber. Dort Metall, hier Verstümmelung. Gorlova versucht am Alltag des jungen Helfers entlang, universelle Bilder für die Gewalt zu finden, lässt das Auge schweifen, zeigt, wie Überleben aussieht.

In den Kampfgebieten suchen Menschen wie Andriy und seine Familie nach Orten von Ruhe, Zugehörigkeit und Verbundenheit – und finden doch nur Spuren der Zerstörung. Sinnbildlich ist immer wieder ein Bildmotiv zu sehen: der Kreislauf des Wassers, der mit dem titelgebenden Regen beginnt, der zum alles mitreißenden Fluss wird und dann verdunstet.

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"This Rain Will Never Stop" ist ein poetischer Film über den Krieg. Gorlova fragt: Warum ist unser Schicksal so eng mit dem Drang zur Aggression verwoben? Warum bewundern die Menschen Militärparaden, haben aber gleichzeitig Angst vor dem Krieg? In ihrem Film beobachtet sie eine Familie, die wegen des Krieges über die ganze Welt verstreut ist. Ein Teil versucht dem Krieg zu entkommen, der andere, darin einzutauchen. "Diese Gegensätze zeigen uns unsere Welt als einen Siedepunkt, an dem sich Krieg und Frieden vermischen, Liebe und Hass ihre Paraden feiern und ohne einander nicht existieren können", sagt die Regisseurin. Gorlova ist ein visuelles, ein metaphorisches Kunstwerk über die allumfassende Suche nach Frieden und die Sucht nach dem Krieg gelungen.

"This Rain Will Never Stop". UKR/D/LVA/QAT 2020. Regie: Alina Gorlova. Der Film startet in Kooperation mit dem GoEast Filmfestival Wiesbaden am 24. März 2022.

Jürgen Kiontke ist freier Autor, Journalist und Filmkritiker. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung von Amnesty International wieder.

HINTERGRUND

Die Regisseurin

Alina Gorlova lebt derzeit in Kiew. Am 1. März beschrieb sie die Lage: "Es fehlt an fast allem – Benzin, Lebensmitteln, Medikamenten. Oft verzögern sich Lieferungen aus anderen Städten, oder man kommt wegen der Ausgangssperre nicht zu den Wohnungen der Menschen. Die Cafés und Restaurants sind geschlossen. Es ist schwierig, sich ohne Auto fortzubewegen. In den Geschäften gibt es lange Schlangen. Wir sind nicht panisch, wir versuchen, uns zu organisieren und schreckliche Folgen zu verhindern. Wir helfen, indem wir Einkäufe und Lieferungen der grundlegendsten Produkte für die Zivilbevölkerung organisieren."

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