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"Ohne Frauenrechte keine nachhaltige Entwicklung"
Bildet Banden: Die Menschenrechtsaktivistin Vainola Makan vernetzt Aktivistinnen in Südafrika.
© privat
Die Menschenrechtsaktivistin Vainola Makan berät Frauen in Südafrika, die sich gegen Bergbauprojekte zur Wehr setzen.
Interview: Annette Jensen
Sie setzen sich für Frauenrechte, die Umwelt und soziale Gerechtigkeit ein. Was verbindet diese Anliegen?
Ohne Frauenrechte gibt es weder soziale Gerechtigkeit noch nachhaltige Entwicklung. Und ohne eine starke Verbundenheit mit der Natur und agrarökologische Methoden werden wir nicht in der Lage sein, die Erde für kommende Generationen zu erhalten. Die Umwelt ist die Basis für fruchtbaren Boden und Ernährungsgerechtigkeit. Zugleich lässt sich die Umwelt nicht schützen, wenn die Menschen ihre Grundbedürfnisse nach Essen und Arbeit nicht befriedigen können.
Wie ist die soziale Situation in Südafrika?
Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist von Sozialhilfe abhängig. Es gibt einfach zu wenige Arbeitsplätze. Vor allem für Menschen mit geringer Bildung ist es schwer, einen Job zu finden – und die schwarze Bevölkerung war lange Zeit von guter Bildung ausgeschlossen. Außerdem ist das Patriachat immer noch sehr stark. Was den Schutz von Natur und Menschenrechten betrifft, haben die Männer keine gute Arbeit geleistet. Deshalb brauchen wir mehr Frauen in verantwortungsvollen politischen Positionen.
Wie lässt sich das erreichen?
In den vergangenen drei Jahren war ich für die NGO Transformation of Education for Sustainable Futures (TESF) viel in ländlichen Küstenregionen unterwegs. Dort wollen der Staat und private Unternehmen Bergbau betreiben, ohne dass es vorher Konsultationen oder wissenschaftliche Untersuchungen zu den Auswirkungen gegeben hätte. Wir wollten herausfinden, wie gute Bedingungen für die Zukunft gesichert werden können, und starteten ein Projekt mit dem Titel "Welche Auswirkungen wird der Bergbau auf Frauen haben?". Schon diese Fragestellung erweckte Aufmerksamkeit, weil sich bis dahin niemand dafür interessiert hatte. Das hat uns sofort Türen geöffnet. Überwiegend Frauen aus 20 Dörfern beteiligten sich an unserem Projekt.
Wie sind Sie konkret vorgegangen?
Wir haben zunächst die verschiedenen Dorfgemeinschaften gefragt, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten sie gerne lernen wollen. Davon ausgehend haben wir ein Trainingsprogramm entwickelt. Die Frauen analysierten und diskutierten ihre Situation, um dann zu überlegen, wie sie ihre Ziele erreichen können. Es ging ihnen sowohl darum, wie sie sich selbst organisieren, als auch um inhaltliche Fragen zu Meeresschutz, Bergbau und Industrie. Am Ende des Prozesses gab es zwei Konferenzen, bei denen Menschen aus allen 20 Gemeinden zusammenkamen. Dabei machten die Frauen die Erfahrung, dass sie als großes Kollektiv zusammenarbeiten können und eine soziale, politische und ökonomische Kraft sind.
Wie können Frauen Einfluss auf die Pläne von Bergbauindustrie und Regierung nehmen?
Indem sie sich selbst als eine mächtige Interessenvertretung und als Aktivistinnen für grundlegenden Wandel wahrnehmen. Sie trauen sich jetzt zu, mit internationalen Konzernen zu reden und ihnen entgegenzutreten mit der Haltung: "Dies sind unsere lokalen Gemeinschaftsinteressen. Wenn Sie die nicht beachten, können wir Ihnen nicht erlauben, hier aktiv zu werden." Auch die Kinder demonstrieren gegen den Bergbau und für den Schutz des Meeres, sie singen, verfassen Gedichte und Theaterstücke. Das alles wirkt wie ein Mycel von Pilzen, das den Erdboden unterirdisch durchdringt.
Worum geht es bei diesen Bergbauvorhaben?
Die Bergbaufirmen kommen aus Australien und den USA. Die einen wollen nach Diamanten schürfen, die anderen Fracking-Anlagen aufbauen, um Öl und Gas zu fördern. Dazu wären Tiefbohrungen nötig. Das allein würde bereits zu irreparablen Umweltschäden führen. Bei den offiziellen Anhörungen bestreiten die Konzerne das und legen Gutachten von Wissenschaftler*innen vor, die sie finanziert haben. Zugleich versuchen sie, junge Menschen mit angeblich gutbezahlten Jobs zu ködern. Sie hoffen, damit die Proteste der Frauen zu schwächen. In den Partizipationsverfahren argumentieren die Frauen der betroffenen Gemeinden jedoch selbstbewusst mit Fakten von unabhängigen Umweltwissenschaftler*innen und auch mit ihren eigenen sozialen Rechten.
Kann das Frauennetzwerk die Bergbaugesellschaften aufhalten?
Der Prozess ist noch nicht zu Ende, noch haben die Bergbaugesellschaften nicht aufgegeben. Doch die Frauen haben Petitionen an das Parlament geschickt und mobilisieren viele Menschen. Derzeit organisieren sie einen fantasievollen Protest mit den Booten der betroffenen Fischer. Die Parlamentswahl im Mai ist sehr wichtig und könnte Änderungen bringen. Deshalb kommen gerade viele Politiker*innen in die Region. Die Frauen machen ihnen klar, was sie von der nächsten Regierung erwarten und haben bereits den Präsidenten und den Energieminister eingeladen. Sie verlangen ein Memorandum, das die Fischgründe und die Natur schützt.
Hat der Protest die Situation der Frauen in den Gemeinden verändert?
Wir hatten eine Frau aus der Transkei zu Besuch. Dort im Osten des Landes gibt es eine jahrelange Erfahrung mit der Homeland-Politik. Die Aktivistin hat unseren Frauen an der Westküste geraten, ihre eigene unabhängige Ökonomie aufzubauen, denn eine Anstellung bei einer Bergbaugesellschaft bedeutet fortwährende Abhängigkeit. Das hat die Frauen sehr motiviert, Gartenprojekte voranzutreiben. In der Region gibt es bisher wenig Landwirtschaft, auch weil Frauen oft keinen Zugang zu Land hatten. Jetzt bauen sie gemeinsam verschiedene Gemüsesorten an.
Geht das über Selbstversorgung hinaus?
Ja. Die Frauen tragen inzwischen nicht nur zur lokalen Lebensmittelversorgung bei, sondern verkaufen auch daraus hergestellte Produkte und erwirtschaften so ihr eigenes Einkommen. Sie verkaufen ihre Produkte zum Teil sehr profitabel an Edelrestaurants und sind auf der Website des Tourismusverbandes registriert. So entstehen immer mehr ökonomische Standbeine. Sie haben auch neue Methoden entwickelt, um mehr Wertschöpfung aus dem Verkauf von Meeresfrüchten und Fischen zu erzielen. Damit wirken sie zugleich der Gefahr der Überfischung entgegen. Sie erleben, dass man selbstverantwortlich arbeiten und dabei die Umwelt schützen und gute Bedingungen für die Zukunft der Kinder schaffen kann. Auch die Verbundenheit der indigenen Gemeinschaften wächst. Das stärkt sie zusätzlich, wenn sie Konzernen entgegentreten.
Die Soziologin und Psychologin Vainola Makan aus Kapstadt organisiert, vernetzt und berät Frauen- und Umweltgruppen.
Annette Jensen ist Autorin und Journalistin. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung von Amnesty International wieder.