Pressemitteilung Aktuell Katar 20. Oktober 2022

WM in Katar: Lückenhafte Arbeitsrechtsreform und fehlende Entschädigungszahlungen

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Die Reform des katarischen Arbeitssystems hat seit 2017 zu einigen merklichen Verbesserungen für die zwei Millionen im Land arbeitenden Arbeitsmigrant*innen geführt – Hunderttausende von ihnen arbeiten in Projekten, die für die Fußball-WM wichtig sind. Ein neues Amnesty-Briefing zeigt, dass die Reformen jedoch bis heute nicht effektiv umgesetzt werden. Tausende Arbeiter*innen auf Baustellen mit oder ohne WM-Bezug sind noch immer mit Problemen wie verspäteten oder gar nicht gezahlten Löhnen, unsicheren Arbeitsbedingungen, Behinderungen bei einem Jobwechsel sowie beim Zugang zu juristischer Unterstützung konfrontiert. Es gibt weiterhin Tausende von ungeklärten Todesfällen von Arbeitsmigrant*innen

Die katarischen Behörden müssen sich weiterhin zur Erfüllung des Versprechens von Arbeitsreformen im Zuge der Fußball-WM und darüber hinaus verpflichten, fordert Amnesty International heute anlässlich der Veröffentlichung des letzten Kurzberichts vor Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 "Unfinished Business: What Qatar must do to fulfill promises on migrants workers' rights".

Tausende Arbeitsmigrant*innen befinden sich wegen legaler Schlupflöcher und unzureichender Reformumsetzungen immer noch in der allzu bekannten Spirale von Ausbeutung und Missbrauch

Katja
Müller-Fahlbusch
Expertin für den Nahen Osten und Nordafrika bei Amnesty International in Deutschland

Amnesty International stellt einen 10-Punkte-Plan vor, um weiterhin vorhandene Missstände anzugehen. Katar muss unter anderem Zwangsarbeit beenden, Todesfälle untersuchen, Gewerkschaften zulassen und zusammen mit der FIFA einen Entschädigungsfonds für geschädigte Arbeitsmigrant*innen einrichten.  

Katja Müller-Fahlbusch, Expertin für den Nahen Osten und Nordafrika bei Amnesty International in Deutschland, sagt: "Obwohl Katar in den vergangenen fünf Jahren wichtige Schritte in Richtung einer Verbesserung der Rechte der Arbeitsmigrant*innen gemacht hat, ist es ganz offensichtlich, dass das bei Weitem nicht ausreicht. Tausende Arbeitsmigrant*innen befinden sich wegen legaler Schlupflöcher und unzureichender Reformumsetzungen immer noch in der allzu bekannten Spirale von Ausbeutung und Missbrauch."

Viele Arbeitsmigrant*innen, besonders Hauspersonal in Privathaushalten und Mitarbeiter*innen im privaten Sicherheitssektor, arbeiten weiterhin unter Bedingungen, die teilweise Zwangsarbeit gleichkommen: Hausangestellte arbeiten typischerweise zwischen 14 und 18 Stunden am Tag, ohne einen wöchentlichen Ruhetag und sind in den Privathaushalten von der Außenwelt abgeschottet. Mitarbeiter*innen von privaten Sicherheitsfirmen wird außerdem regelmäßig wochen- oder monatelang der Ruhetag gestrichen und sie sind gezwungen, unter Androhung von Strafe zu arbeiten. 

Instagram-Beitrag von Amnesty International:

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Nach wie vor ungeklärt sind Tausende von Todesfällen von Arbeitsmigrant*innen der letzten zwölf Jahre und darüber hinaus, die sich teils auf WM-Baustellen zugetragen haben. Wahrscheinlich sind Hunderte dieser Fälle zurückzuführen auf das Arbeiten in der sengenden Hitze Katars. Die neuen gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz vor Hitze stellen zwar eine Verbesserung dar, müssen aber weiter gestärkt werden, um für adäquaten Schutz der im Freien Arbeitenden zu sorgen. Die katarischen Behörden haben bislang wenig getan, um die Todesfälle von Arbeitsmigrant*innen, zu untersuchen, die Todesursache zu bestätigen oder Entschädigungen an die Angehörigen zu zahlen.

Weit verbreitet ist außerdem, dass zukünftige Arbeitsmigrant*innen illegale Vermittlungsgebühren zahlen müssen, um sich so einen Job in Katar zu sichern. Gebühren von 1.000 bis 3.000 Euro sorgen dafür, dass viele Arbeitsmigrant*innen Monate oder gar Jahre brauchen, ihre Schulden abzubezahlen. Hier sind neben den katarischen Behörden auch die Herkunftsländer der Arbeitsmigrant*innen stärker gefragt.

Amnesty International hat Fälle dokumentiert, in denen Arbeitgeber*innen ihre Machtposition über das Stornieren von Visa, die Verweigerung der Erneuerung von Aufenthaltsgenehmigungen und das Anzeigen wegen "unerlaubten Verlassens des Arbeitsplatzes" ausgenutzt haben, um diejenigen auszubeuten und zu bestrafen, die sich über die Arbeitsbedingungen beschwerten oder die ihren Job wechseln wollten.

"Trotz der großen und wachsenden Unterstützung von Fans, Fußballvereinen und Sponsoren für die Entschädigung von Arbeitsmigrant*innen, haben sich weder Katar noch die FIFA dazu geäußert, geschweige denn sich dazu bekannt. In nur einem Monat beginnt die Fußball-WM: Die katarischen Behörden müssen jetzt dringend Arbeitsschutzmaßnahmen verbessern und effizient durchsetzen, die Rechte von Arbeitsmigrant*innen stärken und den Zugang zur Justiz und zu Entschädigungen ermöglichen. Die FIFA wiederum muss endlich unmissverständlich zu ihrer Verantwortung für Menschenrechte stehen", fordert Müller-Fahlbusch.

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