Fußball-WM: Katar und die FIFA müssen Arbeitsmigrant*innen entschädigen!

Für die Errichtung der Infrastruktur der Fußball-WM 2022 in Katar werden seit Jahren Baustellenarbeiter*innen aus südasiatischen und afrikanischen Ländern ausgebeutet.
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Am 18.12.2022 ging die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar zu Ende. Im Vorfeld und während der WM haben wir die Aufmerksamkeit der Sportveranstaltung genutzt, um auf die Menschenrechtsverletzungen in Katar aufmerksam zu machen, die wir seit vielen Jahren untersuchen und dokumentieren. Und wir haben die Fußballverbände sowie die katarische Regierung gemeinsam mit anderen Organisationen, Gewerkschaften und Fangruppen aufgefordert, ihrer menschenrechtlichen Verantwortung gerecht zu werden. Trotz des großen öffentlichen Drucks, der dadurch entstanden ist, sind sie dieser Verantwortung bisher nicht gerecht geworden!
Deshalb fordern wir weiterhin einen Entschädigungsmechanismus für Arbeitsmigrant*innen, die von Menschenrechtsverletzungen betroffen sind, und ein "Zentrum für Arbeitsmigrant*innen", in dem sie unter anderem Rechtsbeistand bekommen.
Daher wird die globale Petition an die FIFA und Katar noch bis März 2023 weiterlaufen, denn dann findet der nächste FIFA-Kongress statt. Unterschreibe jetzt!
Wir wenden uns mit der Petition an den Arbeitsminister von Katar Dr. Ali bin Samikh Al Marri und den Präsidenten der FIFA Gianni Infantino.
Vielen Dank an alle, die sich bereits beteiligt haben!
Fordere Entschädigung für Menschen in Katar!
Lies hier den vollständigen Petitionstext
Ihre Exzellenz Dr. Ali bin Samikh Al Marri,
sehr geehrter Herr Gianni Infantino,
Katar und die FIFA sollten ein Entschädigungsprogramm auf den Weg bringen für alle Arbeitsmigrant*innen, die im Zuge der Fußballweltmeisterschaft 2022 von Menschenrechtsverstößen betroffen waren.
Trotz der wichtigen Reformen des katarischen Arbeitssystems erfuhren Hundertausende Arbeitsmigrant*innen im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft dennoch Menschenrechtsverstöße wie illegale Vermittlungsgebühren, nicht gezahlte Löhne sowie Verletzungen, in den schlimmsten Fällen, tödliche. Obwohl einige Arbeiter*innen Entschädigungen für einige der erlittenen Verstöße erhalten haben, wartet die Mehrheit der Betroffenen immer noch darauf, dass Katar und die FIFA wirksame Entschädigungen für das erlittene Leid zahlen.
Nach internationalem Recht ist Katar dazu verpflichtet, Entschädigungen für alle Verstöße, die auf seinem Staatsgebiet stattfinden, zu zahlen, und zwar unabhängig davon, ob die Verstöße mit der Fußballweltmeisterschaft in Verbindung stehen oder nicht.
Gemäß den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sowie den FIFA-eigenen Leitprinzipien zu Menschenrechtsfragen, steht die FIFA ebenfalls in der Pflicht, Menschenrechtsverstöße zu entschädigen, die in Verbindung mit der Fußballweltmeisterschaft stehen. Das heißt, die Entschädigungen dürfen nicht nur an diejenigen Arbeiter*innen gezahlt werden, die an den Stadien arbeiten, sondern auch an diejenigen, die an anderen Fußball-bezogenen Projekten mitarbeiten oder diese mitbetreuen; dazu zählen beispielsweise Arbeit*innen im Transport-, Unterkunfts-, Sicherheits- und Reinigungsbereich.
2017 begann Katar mit der Einführung mehrerer vielversprechender Abhilfe-Prozesse. Allerdings sind diese nicht geeignet, vergangene Verstöße dieses großen Ausmaßes anzugehen, und bleiben außerdem denjenigen Arbeiter*innen verschlossen, die das Land bereits verlassen haben. Das Resultat ist, dass heute Tausende von Arbeiter*innen und ihre Familien immer noch auf Entschädigungszahlungen warten, so dass sie endlich ihr Leben neu aufbauen können.
Die erste im Nahen Osten ausgetragene Fußballweltmeisterschaft sollte ein Anlass zur Freude und zum Stolz sein für alle Fußballfans auf der ganzen Welt. Um aber diesen Meilenstein angemessen feiern zu können, müssen die Arbeitnehmer*innen, die das Ganze ermöglicht haben, für das erfahrene Leid entschädigt werden.
Deshalb sollten die FIFA und Katar dringend folgende Maßnahmen ergreifen:
- Bekennen Sie sich öffentlich zu einer Entschädigung aller vergangener, aber bisher nicht entschädigter, Verstöße, die mit der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Verbindung stehen.
- Arbeiten Sie gemeinsam an der Einführung und Implementierung eines Entschädigungsprogramms, um die Hundertausenden von Arbeitsmigrant*innen und ihre Familien zu entschädigen.
- Stellen Sie genügend finanzielle Mittel zur Finanzierung dieses Entschädigungsprogramms zur Verfügung.
Hintergrundinformation
Vom 20. November bis 18. Dezember 2022 fand die Fußball-Weltmeisterschaft der Männer in Katar statt. Mit der Vergabe der WM wurden Hunderttausende zusätzliche ausländische Arbeitskräfte ins Land geholt. Mittlerweile machen Arbeitsmigrant*innen rund 90 Prozent der Bevölkerung des Emirats aus. Sie kamen beim Bau der Infrastruktur des Sportevents, im Sicherheitssektor sowie im Hotel- und Gaststättengewerbe rund um das Turnier zum Einsatz – oftmals unter ausbeuterischen und missbräuchlichen Arbeitsbedingungen.
Wir haben die internationale Aufmerksamkeit für die WM genutzt, um auf die Menschenrechtsverletzungen in Katar aufmerksam zu machen, die wir seit vielen Jahren untersuchen und dokumentieren, und bessere Bedingungen für Arbeitsmigrant*innen in Katar zu fordern. Konkret setzen wir uns dafür ein, dass Arbeitsmigrant*innen, deren Rechte im Zusammenhang mit der Fußball-WM verletzt wurden, von der FIFA und Katar entschädigt werden und ein "Zentrum für Arbeitsmigrant*innen" langfristig etabliert wird, in dem sie sich u.a. über ihre Rechte informieren können.
Im September 2022 konnten wir bereits einen ersten Erfolg der Kampagne verbuchen: Der DFB schloss sich eindeutig und öffentlich unseren Forderungen an, nachdem wir ihn nachdrücklich dazu aufgefordert hatten.
Gleichzeitig gilt, dass die Arbeitsrechtsverletzungen in Katar andauern und die Realisierung des Entschädigungsmechanismus und des Zentrums für Arbeitsmigrant*innen weiterhin ausstehen. Verantwortlich für die Umsetzung dieser konkreten Forderungen sind die FIFA und die katarische Regierung. An sie richtet sich deshalb unsere Petition.

Doha, Katar: Eine Replik des Pokals für die WM Katar 2022 in einem Laden auf dem Souq Waqif Markt. Ein Arbeiter aus Nepal in einer Unterkunft.
© Getty Images 2011, AFP via Getty Images
MENSCHENRECHTSVERLETZUNGEN IN KATAR
Die Arbeitsbedingungen von Arbeitsmigrant*innen in Katar kommen in einigen Fällen Zwangsarbeit gleich. Todesfälle werden nicht untersucht. Die Auszahlung des Mindestlohns von umgerechnet 247 Euro im Monat erfolgt oft unregelmäßig, verspätet oder gar nicht; Reisepässe werden von Arbeitgeber*innen einbehalten. Arbeitsmigrant*innen ist es per Gesetz untersagt, Gewerkschaften zu gründen. Das sind nur einige Beispiele, die zeigen, wie Arbeitsmigrant*innen in Katar trotz erster Reformen weiter ausgebeutet werden.
Und bisher werden Menschenrechtsverletzungen an Arbeitsmigrant*innen in Katar in der Regel nicht geahndet, noch erhalten Betroffene oder ihre Angehörigen eine Entschädigung. Amnesty International fordert deshalb jetzt Entschädigungszahlungen für erlittene Rechtsverletzungen an Arbeitsmigrant*innen von der FIFA und Katar.

Zwei Arbeitsmigrant*innen im Fußball-Stadion "Al Bayt" in Doha in Katar. Hier wird die Fußball-WM 2022 unter anderem stattfinden.
© AFP via Getty Images
FORDERUNGEN AN DIE FIFA UND AN KATAR:
Arbeitsmigrant*innen deren Menschenrechte im direkten Zusammenhang mit der Fußball-WM verletzt wurden, zu entschädigen.
Ihrer Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen in Katar gerecht zu werden.
Die Einrichtung eines Zentrums für Arbeitsmigrant*innen, in dem sie sich u.a. über ihre Rechte informieren können, zu ermöglichen und zu unterstützen.

Arbeitsmigrant*innen bauen alles für die Fußball-WM auf, die vom 21. November bis zum 18. Dezember in Katar stattfindet.
© Sam Tarling/Getty, Getty Images, AMA Sports Photo Agency/Getty 2019
Katar gab mehr als 200 Mrd. US-Dollar für die Weltmeisterschaft aus.
Die FIFA wird mindestens 6 Mrd. US-Dollar daran verdienen.
Die FIFA sollte mindestens eine Summe im Wert des Weltmeisterschafts-Preisgeldes – 440 Mio. US-Dollar – bereitstellen, um Arbeiter*innen zu entschädigen.

Todesfälle von Arbeitsmigrant*innen, die auf den Baustellen für die Fußball-WM 2022 gearbeitet haben, bleiben ungeklärt.
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FIFA UND CO: SPORTVERBÄNDE MÜSSEN AUCH LANGFRISTIG UMDENKEN!
Es war bereits bei der Vergabe der WM an Katar im Jahr 2010 offensichtlich, dass Katar für eine globale Veranstaltung dieser Größenordnung gewaltige Ressourcen aufbringen und unzählige Menschen beschäftigen müsse, um für Fußballfans aus der ganzen Welt neue Stadien, Straßen, Hotels und weitere Einrichtungen zu bauen. Auch der FIFA.
Da die Erwerbsbevölkerung des Landes zu mehr als 90 Prozent aus Arbeitsmigrant*innen besteht, lag ebenfalls auf der Hand, dass eben diese Menschen auch zum Großteil die WM-Bauprojekte und weitere mit der WM in direktem Zusammenhang stehende Arbeiten stemmen würden.
Die desolate Menschenrechtslage von Arbeitsmigrant*innen war zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt – auch der FIFA. Trotzdem hat die FIFA die WM an Katar vergeben, ohne Bedingungen und Standards für die Einhaltung der Menschenrechte festzuschreiben. Darin zeigt sich auch ein systemisches Problem: Menschenrechte werden im Sport regelmäßig anderen Erwägungen untergeordnet. Das ist nicht akzeptabel. Die Entscheidung über die Vergabe internationaler Sport-Großereignisse muss verbindlich an menschenrechtliche Standards gebunden sein. Mit der Kampagne fordern wir als nachhaltiges Erbe der WM Entschädigungszahlungen für Arbeitsmigrant*innen. Diese wären nicht nur eine wichtige Verbesserung für die Arbeitsmigrant*innen, sondern ein wegweisender Präzedenzfall im internationalen Profi-Fußball. Darüber hinaus muss es aber auch einen institutionellen Wandel bei den Fußballverbänden geben. Dieser hat Strahlkraft auf andere Sportverbände und verbessert insgesamt die Achtung der Menschenrechte im Kontext großer Sportveranstaltungen.
Lade hier unsere Berichte über die Menschenrechtssituation in Katar herunter:

Arbeiter auf der Baustelle des Lusail Iconic Stadium, einer Austragungsort der Fußballspiele der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2022.
© Valery Sharifulin/TASS