WM in Katar: Arbeitsmigrant*innen entschädigen!

Am 18.Dezember 2022 ging die Fußball-Weltmeisterschaft der Männer in Katar zu Ende. Vor und während der WM haben wir die Aufmerksamkeit der Sportveranstaltung genutzt, um auf die Menschenrechtsverletzungen in Katar aufmerksam zu machen, die wir seit vielen Jahren untersuchen und dokumentieren. Und wir haben die FIFA sowie die katarische Regierung gemeinsam mit anderen Organisationen, Gewerkschaften und Fangruppen aufgefordert, ihrer menschenrechtlichen Verantwortung gerecht zu werden. Trotz des großen öffentlichen Drucks, der dadurch entstanden ist, sind sie dieser Verantwortung bisher nicht gerecht geworden!

Mit unserer globalen Petition an die FIFA und Katar forderten wir einen Entschädigungsmechanismus für Arbeitsmigrant*innen, die von Menschenrechtsverletzungen betroffen sind, und ein "Zentrum für Arbeitsmigrant*innen", in dem sie unter anderem Rechtsberatung bekommen.

Wir haben die Petition Ende Februar 2023 geschlossen, um sie im März vor dem FIFA-Kongress übergeben zu können. Deutschlandweit haben über 20.000 Menschen unterschrieben.

Vielen Dank an alle, die sich beteiligt haben!

Zwei Bilder: Im Vordergrund eine Replik des FIFA WM Pokal für die WM Katar 2022, im Hintergrund drei Männer in Dischdaschas gekleidet. // In einem dunklen Raum, in dem Wäscheleinen mit Wäsche hängen, schaut ein Mann mit dem Rücken zum Fotografen stehend aus dem Fenster. Das Foto wurde in einer Unterkunft für Arbeitsmigrant*innen in Katar aufgenommen, die dort für die WM Katar 2022 arbeiten.

Doha, Katar: Eine Replik des Pokals für die WM Katar 2022 in einem Laden auf dem Souq Waqif Markt. Ein Arbeiter aus Nepal in einer Unterkunft.

Wir wissen nicht, was wir tun sollen... Bald sind es sieben Monate ohne Lohnauszahlung. Ich selbst komme zurecht, aber was ist mit meinen Kindern? Mein ältester Sohn ist jetzt zuhause, er kann nicht zur Schule gehen.

Daniel
ein Arbeitsmigrant, der bei Qatar Meta Coats angestellt war, eine Design- und Baufirma mit Beteiligung am Bau des Stadions Al Bayt

MENSCHENRECHTSVERLETZUNGEN IN KATAR

Die Arbeitsbedingungen von Arbeitsmigrant*innen in Katar kommen in einigen Fällen Zwangsarbeit gleich. Todesfälle werden nicht untersucht. Die Auszahlung des Mindestlohns von umgerechnet 247 Euro im Monat erfolgt oft unregelmäßig, verspätet oder gar nicht; Reisepässe werden von Arbeitgeber*innen einbehalten. Arbeitsmigrant*innen ist es per Gesetz untersagt, Gewerkschaften zu gründen. Das sind nur einige Beispiele, die zeigen, wie Arbeitsmigrant*innen in Katar trotz Reformen weiter ausgebeutet werden.

Bisher werden Menschenrechtsverletzungen an Arbeitsmigrant*innen in Katar in der Regel weder geahndet, noch erhalten Betroffene oder ihre Angehörigen eine Entschädigung. Amnesty International forderte deshalb Entschädigungszahlungen für erlittene Rechtsverletzungen an Arbeitsmigrant*innen von der FIFA und Katar.

Ein sattgrünes Fußballfeld, auf dem zwei Menschen den Rasen mähen. In der Mitte ist eine Illustration eingefügt: Auf einem gelben Kreis eine schwarze Trillerpfeife und auf einem schwarzen Kreis eine weiße Kerze.

Zwei Arbeitsmigrant*innen im Fußball-Stadion "Al Bayt" in Doha in Katar. Hier wird die Fußball-WM 2022 unter anderem stattfinden.

FORDERUNGEN AN DIE FIFA UND AN KATAR:

  • Arbeitsmigrant*innen deren Menschenrechte im direkten Zusammenhang mit der Fußball-WM verletzt wurden, zu entschädigen.

  • Ihrer Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen in Katar gerecht zu werden.

  • Die Einrichtung eines Zentrums für Arbeitsmigrant*innen, in dem sie sich u.a. über ihre Rechte informieren können, zu ermöglichen und zu unterstützen.

WM KATAR 2022: AUSBEUTUNG STOPPEN!

Das Bild zeigt mehrere Personen, die in Arbeitskleidung in einem Bus sitzen

Arbeitsmigrant*innen, die auf der Baustelle des al-Wakrah-Fußballstadions in Katar arbeiteten (Archivbild).

All unsere Träume platzten mit dem Tod meines Bruders. Er hatte gehofft, den Lebensstandard für uns alle zu verbessern, doch der Großteil seines Lohns ging für die Rückzahlung der Vermittlergebühren drauf.

Didarul
Islam
Bruder des 34-jährigen Mohammad Kaochar Khan aus Bangladesch, der am 15. November 2017 in Katar tot in seinem Bett aufgefunden wurde

UNBEZAHLTE LÖHNE, UNGEKLÄRTE TODESFÄLLE, ZWANGSARBEIT

Männer liegen auf drei Stockbetten aus Metall. Diverse Kleidungsstücke hängen an den Wänden und an den Betten.

Unbezahlte Löhne

Lohndiebstahl ist eine der gängigsten Ausbeutungsformen. Amnesty International hat tausende Fälle dokumentiert, in denen Arbeiter*innen monate- oder gar jahrelang gar nicht bezahlt oder unterbezahlt wurden – dies betraf sowohl den Lohn als auch andere Leistungen. In vielen Fällen mussten Arbeiter*innen teure und illegale Gebühren an die Arbeitsagenturen zahlen, die sie nach Katar vermittelten, wofür sie oft hochverzinste Darlehen aufnahmen. Aus diesem Grund können Verzögerungen bei der Lohnauszahlung verheerend sein, insbesondere für Arbeiter*innen, die nicht nur sich selbst, sondern auch eine Familie in ihrem Heimatland versorgen.

Ein Sarg, auf den mit Handschrift etwas geschrieben ist. Es ist der Sarg eines Arbeitsmigranten aus Nepal, der bei den Arbeiten in Katar für die Fußball-WM 2022 gestorben ist.

Ungeklärte Todesfälle unter Arbeitsmigrant*innen

Seit 2010 sind in Katar Tausende Arbeitsmigrant*innen plötzlich und unvermittelt gestorben, obwohl sie vor ihrer Einreise ärztlich untersucht worden waren. Trotz vorliegender Belege für einen Zusammenhang zwischen unvermittelten Todesfällen und unsicheren Arbeitsbedingungen haben die katarischen Behörden die Ursachen für diese Todesfälle bisher nicht untersucht. Folglich erfahren die trauernden Familien nie, was wirklich mit ihren Angehörigen geschehen ist, und haben keine Möglichkeit, von den Arbeitgeber*innen oder den Behörden eine Entschädigung zu erhalten.

In einem dunklen Raum, in dem Wäscheleinen mit Wäsche hängen, schaut ein Mann mit dem Rücken zum Fotografen stehend aus dem Fenster. Das Foto wurde in einer Unterkunft für Arbeitsmigrant*innen in Katar aufgenommen, die dort für die WM Katar 2022 arbeiten.

Zwangsarbeit

In vielen Fällen müssen Arbeitsmigrant*innen übermäßig lange arbeiten ohne dass ihnen Pausen oder freie Tage gewährt werden. Mitunter arbeiten Arbeiter*innen wochen-, monate- oder sogar jahrelang ohne einen freien Tag. Wenn sie ohne Erlaubnis des Arbeitgebers einen freien Tag oder einen Krankheitstag nehmen, drohen ihnen erhebliche Lohnkürzungen, die dem Gehalt von bis zu 15 Arbeitstagen entsprechen können. Hierbei kann es sich unter Umständen um Zwangsarbeit handeln, wie sie von der Internationalen Arbeitsorganisation definiert ist.

Das Bild besteht aus drei Teilen, die jeweils durch Risse voneinander getrennt sind. Links ein Arbeiter in blauem An

Arbeitsmigrant*innen bauen alles für die Fußball-WM auf, die vom 21. November bis zum 18. Dezember in Katar stattfindet.

Katar gab mehr als 200 Mrd. US-Dollar für die Weltmeisterschaft aus.

Die FIFA wird mindestens 6 Mrd. US-Dollar daran verdienen.

Die FIFA sollte mindestens eine Summe im Wert des Weltmeisterschafts-Preisgeldes – 440 Mio. US-Dollar – bereitstellen, um Arbeiter*innen zu entschädigen.

REFORMVERSPRECHEN: MOGELPACKUNGEN IM VORFELD DER WM KATAR 2022

An einer Garderobenleiste und an Nägeln hängen an einer Wand blaue Arbeitsanzüge und eine gelbe Schutzweste.

Uniformen hängen im Al-Wakrah-Lager, in dem die Mehrheit der Arbeiter des Khalifa-Stadions untergebracht war, die von Amnesty International im Mai 2015 befragt wurden.

Auf dem Papier wurden Veränderungen festgelegt, aber in der Praxis hat sich nichts geändert... es ist immer noch furchtbar.

Jacob
ein Arbeitsmigrant aus Kenia
Das Bild ist zweigeteilt, in der Mitte ist ein Riss, auf der linken Seite eine große Baustelle mit Baustellenfahrzeugen, auf der rechten Seite ist von oben ein Holzsarg zu sehen, der von vielen Menschen umgeben ist.

Todesfälle von Arbeitsmigrant*innen, die auf den Baustellen für die Fußball-WM 2022 gearbeitet haben, bleiben ungeklärt.

FIFA UND CO: SPORTVERBÄNDE MÜSSEN AUCH LANGFRISTIG UMDENKEN!

Es war bereits bei der Vergabe der WM an Katar im Jahr 2010 offensichtlich, dass Katar für eine globale Veranstaltung dieser Größenordnung gewaltige Ressourcen aufbringen und unzählige Menschen beschäftigen müsse, um für Fußballfans aus der ganzen Welt neue Stadien, Straßen, Hotels und weitere Einrichtungen zu bauen. Auch der FIFA.

Da die Erwerbsbevölkerung des Landes zu mehr als 90 Prozent aus Arbeitsmigrant*innen besteht, lag ebenfalls auf der Hand, dass eben diese Menschen auch zum Großteil die WM-Bauprojekte und weitere mit der WM in direktem Zusammenhang stehende Arbeiten stemmen würden.

Die desolate Menschenrechtslage von Arbeitsmigrant*innen war zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt – auch der FIFA. Trotzdem hat die FIFA die WM an Katar vergeben, ohne Bedingungen und Standards für die Einhaltung der Menschenrechte festzuschreiben. Darin zeigt sich auch ein systemisches Problem: Menschenrechte werden im Sport regelmäßig anderen Erwägungen untergeordnet. Das ist nicht akzeptabel. Die Entscheidung über die Vergabe internationaler Sport-Großereignisse muss verbindlich an menschenrechtliche Standards gebunden sein. Mit der Kampagne fordern wir als nachhaltiges Erbe der WM Entschädigungszahlungen für Arbeitsmigrant*innen. Diese wären nicht nur eine wichtige Verbesserung für die Arbeitsmigrant*innen, sondern ein wegweisender Präzedenzfall im internationalen Profi-Fußball. Darüber hinaus muss es aber auch einen institutionellen Wandel bei den Fußballverbänden geben. Dieser hat Strahlkraft auf andere Sportverbände und verbessert insgesamt die Achtung der Menschenrechte im Kontext großer Sportveranstaltungen.

 

Lade hier unsere Berichte über die Menschenrechtssituation in Katar herunter:

Im Hintergrund ein Stadion, im Vordergrund eine sandig-steinige Baustelle und einzelne Bauarbeiter in blauen Anzügen und orangefarbenen Westen.

Arbeiter auf der Baustelle des Lusail Iconic Stadium, einer Austragungsort der Fußballspiele der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2022.