Aktuell 16. Mai 2016

Öffentliche Beschlüsse der Jahresversammlung 2016 in Neuss

Das Diskussionsforum zum Thema Flüchtlingsschutz bei der Jahresversammlung 2016 in Neuss

Das Diskussionsforum zum Thema Flüchtlingsschutz bei der Jahresversammlung 2016 in Neuss

A-1: Verantwortung für den Schutz von Flüchtlingen

Die Jahresversammlung beschließt:

Die Jahresversammlung lehnt die Vereinbarung der Europäischen Union mit der Türkei ab, nach der die Türkei Flüchtlinge durch verstärkte Grenzüberwachung daran hindern soll, nach Europa zu gelangen und dort Schutz zu suchen. Zudem werden Asylsuchende, die über die Türkei nach Griechenland gelangt sind, ohne faires Asylverfahren in die Türkei zurückgeschoben. Die Türkei ist kein sicheres Drittland. Sie nimmt zwar viele Flüchtlinge auf, wendet die Genfer Flüchtlingskonvention aber nur für Flüchtlinge aus Europa (also nicht für Flüchtlinge bsp. aus Syrien und Afghanistan) an. Zum anderen hat Amnesty International zahlreiche Fälle dokumentiert, in denen die Türkei Flüchtlinge nach Syrien abgeschoben hat, was einen gravierenden Verstoß gegen das internationale Flüchtlingsrecht darstellt.

Die Jahresversammlung bekräftigt die Forderungen von Amnesty International nach Schaffung legaler und sicherer Zugangswege für Flüchtlinge nach Deutschland und Europa. Zu den sicheren Zugangswegen gehören eine Verstärkung des Resettlement-Programms (Programm der Neuansiedlung für in Erstaufnahmeländern bereits anerkannte Flüchtlinge), Aufnahmekontingente als Ergänzung des individuellen Flüchtlingsschutzes, die Ausstellung humanitärer Visa und eine schnellere Bearbeitung der Anträge auf Familienzusammenführung.

Durch Schaffung sicherer und legaler Zugangswege kann die Zahl der Menschen, die lebensgefährliche Fluchtwege nehmen müssen, um nach Europa zu gelangen, erheblich reduziert werden.

Die Europäische Union und Deutschland werden ihren Verpflichtungen zum Schutz von Flüchtlingen nicht durch Abwehrmaßnahmen an den Grenzen, sondern durch Aufnahme verfolgter Menschen gerecht

A-2: Asylrechtsverschärfungen

Die Jahresversammlung beschließt:

Die Jahresversammlung bekräftigt die Kritik von Amnesty International an den Einschränkungen des Asylrechts vom Oktober 2015 und vom Frühjahr 2016.

Insbesondere lehnt Amnesty International die Festlegung weiterer Staaten als "sichere Herkunftsstaaten" ab. Die Menschenrechtssituation lässt eine Einstufung dieser Staaten als "sicher" nicht zu.

Als Folge der Einstufung als "sichere Herkunftsstaaten" werden Asylverfahren von Menschen aus diesen Ländern nur in einem Schnellverfahren durchgeführt, das eine gründliche Überprüfung der Fluchtgründe nicht zulässt. Zudem steht ein effektives Rechtsmittel gegen eine ablehnende Entscheidung nicht zur Verfügung. Damit verstößt dieses Schnellverfahren gegen den Anspruch von Asylsuchenden auf Zugang zu einem fairen Asylverfahren.

Die Jahresversammlung kritisiert weiter, dass das geänderte Asylgesetz die Möglichkeit eröffnet, Asylanträge von Menschen, die nicht im Besitz gültiger Reisedokumente sind, ebenfalls im Schnellverfahren zu entscheiden. Dabei hat der Gesetzgeber die Tatsache nicht beachtet, dass Flüchtlinge in der Regel ohne gültige Ausweispapiere ihr Herkunftsland verlassen müssen.

Die Jahresversammlung befürchtet, dass die Aussetzung des Anspruchs auf Familiennachzug zu subsidiär Geschützten für zwei Jahre dazu führt, dass Frauen und Kinder diese Wartezeit nicht abwarten, sondern sich auf einen lebensgefährlichen Weg nach Europa begeben werden, um hier mit ihrer Familie zusammenleben zu können. Zudem verstößt die zeitweise Aussetzung des Familiennachzugs gegen europäische Richtlinien.

Zudem rügt die Jahresversammlung, dass ein Abschiebehindernis nur noch bei lebensbedrohlichen und schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, angenommen wird. Insbesondere psychologische Gutachten sollten in einem Asylverfahren entscheidend berücksichtigt werden.

A-3: Flüchtlingsschutz statt Abschottung

Die Jahresversammlung beschließt:

Diejenigen europäischen Staaten, die ein faires Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge aufbauen bzw. gewährleisten, und die gleichzeitig angemessene Kapazitäten für die Aufnahme der Asyl-Antragsteller für den Zeitraum des Verfahrens aufbauen bzw. gewährleisten, müssen darin aktiv und entschieden von der europäischen Staatengemeinschaft unterstützt werden.

Dasselbe muss für den Umgang mit denjenigen Menschen gelten, die vor schweren Menschenrechtsverletzungen fliehen, aber nur subsidiären Schutz erhalten, weil sie die Kriterien der Genfer Flüchtlingskonvention nicht erfüllen.

Die Jahresversammlung ruft die politischen Akteure in Deutschland und Europa auf, die Politik der Abschottung aufzugeben und einem gut organisierten Flüchtlingsschutz Vorrang einzuräumen. Innerhalb der EU müssen die dazu bestehenden Instrumente konsequent umgesetzt und um wirksame Anreize ergänzt werden.

Bei der Verteilung innerhalb der Europäischen Union sollen die berechtigten Interessen der Asylsuchenden und Flüchtlinge im Vordergrund stehen.

A-4: Bangladesch und Pakistan als sichere Herkunftsländer der EU verhindern

Die 51. Jahresversammlung von Amnesty International 2016 (JV) beschließt:

Die deutsche Sektion von Amnesty International lehnt die Festlegung von Staaten als "sichere Herkunftsländer" ab und fordert die Europäische Kommission auf, Pakistan und Bangladesch nicht zu sicheren Herkunftsländern zu erklären.

Die JV stellt fest,

  • In der Europäischen Kommission gibt es die Absicht Bangladesch und Pakistan zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Auch deutsche Politiker haben entsprechende Forderungen erhoben.
  • Dieses Vorhaben steht im Widerspruch zum Geist der Charta der Grundrechte der EU und den daraus folgenden Bestimmungen und zwar in jedem des unter dem Anhang I des Art. 37 (1) von a) bis d) der Asylverfahrensrichtlinie (RL) aufgeführten Detail.

Die JV stellt ferner für Pakistan fest:

  • Folter ist an der Tagesordnung. Bei Festnahmen werden Personen im Gewahrsam der Polizei oder der Sicherheitskräfte gefoltert. Frauen werden sexuell belästigt und oft vergewaltigt.
  • Tausende Personen sind in den letzten Jahren "verschwunden". Personen werden von Sicherheitskräften oder den Taliban festgenommen, verschleppt und die Familie erfährt nichts über ihren Verbleib.
  • Religiöse Minderheiten sind durch das Blasphemiegesetz stark bedroht. Es gibt keinen Schutz vor falschen Anschuldigungen. Wer der Blasphemie angeklagt wird, ist durch die Verhängung der Todesstrafe mit dem Tode bedroht.
  • Pakistan ist eines der Länder mit den meisten Ehrenmorden.
  • Für Journalisten zählt es zu den gefährlichsten Ländern der Welt.

Ebenfalls konstatiert die JV zu Bangladesch:

  • In Bangladesch ist Folter alltägliche Praxis. Neben mutmaßlichen Kriminellen werden auch Oppositionelle in großer Zahl verhaftet oder verschwinden. Insbesondere das Rapid Action Battalion wird jährlich für zahlreiche extralegale Hinrichtungen verantwortlich gemacht.
  • Presse- und Meinungsfreiheit werden unterdrückt. Blogger, Journalisten, Schriftsteller und Verleger, Mitarbeiter islamkritischer Nichtregierungsorganisationen sowie Angehörige von Minderheiten werden immer wieder Opfer von Angriffen, ohne dass die Behörden sie schützen.
  • Korruption ist auch in Polizei und Justiz verbreitet. Es gibt keine Rechtssicherheit.
  • In Bangladesch droht die Todesstrafe.

Der Vorstand wird beauftragt, diesen Antrag in geeigneter Weise in den internationalen und europäischen Gremien von Amnesty International zu kommunizieren und bei den zuständigen nationalen und europäischen Institutionen (z.B. Bundestag, Bundesregierung, Europäisches Parlament und Europäische Kommission) umzusetzen.

Plenum-1: Jemen

Die Jahresversammlung beschließt:

Die Jahresversammlung der Sektion von Amnesty International der Bundesrepublik Deutschland e. V.

  • erinnert daran, dass die UNO bereits am 1. Juli 2015 für den Jemen die höchste Stufe des "Humanitären Notstandes" erklärt hat (bis dahin "nur" für Irak, Süd-Sudan und Syrien),
  • ist darüber bestürzt, dass die am 23. März 2015 begonnenen wahllosen Angriffe auf den Jemen aus der Luft und später auf dem Boden durch Saudi-Arabien und seine Verbündeten anhalten und deswegen Kriegsverbrechen und andere Verletzungen des Völkerrechts einschließlich der Menschenrechte, wie sie durch diese Angriffe bereits begangen wurden, weiterhin höchst wahrscheinlich sind,
  • nimmt mit Besorgnis wahr, dass Saudi-Arabien und seine Verbündeten dennoch weiterhin Lieferungen von Waffen erhalten, die nachweislich auch gegen den Jemen eingesetzt werden und die mindestens teilweise international geächtet sind (z. B. "Streubomben"),
  • beklagt die Verletzungen des Völkerrechts einschließlich der Menschenrechte, die durch die Huthi und ihre Verbündeten im Jemen begangen wurden (bei bewaffneten Kämpfen gegen Saudi-Arabien und seine Verbündeten ebenfalls keine Rücksicht auf die unbeteiligte jemenitische Zivilbevölkerung, u. a. durch den Einsatz von Landminen, durch monatelanges Abschneiden von lebensnotwendiger Versorgung der jemenitischen Zivilbevölkerung in der Stadt Ta’iz, willkürliche Festnahmen, Folter und zwangsweises Verschwindenlassen),
  • ist äußerst besorgt über die hohe Zahl von Inlandsvertriebenen und -flüchtlingen ("internal displaced persons") im Jemen selbst (bereits im April 2016 mehr als 2,8 Millionen Menschen) sowie die Tatsache, dass sich mehr als 177 000 Jemenit_innen bereits als Flüchtlinge vor den Angriffen durch Saudi-Arabien und seine Verbündeten sowie wegen der Drangsalierungen durch die Huthi und deren Verbündeten in ein Drittland in der Region geflohen sind.

Die JV fordert die Regierung der Bundesrepublik Deutschland dazu auf,

  • verstärkt dafür zu sorgen, dass aus der Bundesrepublik Deutschland heraus international Maßnahmen zur Beseitigung des Humanitären Notstandes im Jemen rasch und massiv verstärkt werden,
  • keine Exporte von Waffen, Munition oder anderer militärischer Ausrüstung oder Technologie an die Konfliktparteien im Jemen (wie Saudi Arabien und seine Verbündeten) mehr zu genehmigen, wenn diese im Konflikt im Jemen verwendet werden könnten. Das betrifft auch logistische oder finanzielle Unterstützung für solche Rüstungstransfers.
  • sich auch auf der internationalen Ebene dafür einsetzen, dass keine der Konfliktparteien im Jemen direkt oder indirekt mit Waffen, Munition oder anderer militärischer Ausrüstung oder Technologie beliefert wird, die im Konflikt verwendet werden könnten. Das betrifft auch logistische oder finanzielle Unterstützung für solche Rüstungstransfers.

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