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Amnesty Report 2014/2015: Afrika
Überblick
Während Afrika 2014 des 20. Jahrestags des Völkermords in Ruanda gedachte, wurden gleichzeitig weite Teile des Kontinents von gewaltsamen Konflikten heimgesucht. In der Zentralafrikanischen Republik, im Südsudan und in Nigeria kam es zu blutigen Eskalationen, aber auch in der Demokratischen Republik Kongo, im Sudan und in Somalia war kein Ende der Kämpfe in Sicht.
Die bewaffneten Konflikte gingen mit massiven und systematischen Verletzungen des humanitären Völkerrechts und internationaler Menschenrechtsnormen einher. Sie brachten Unterdrückung, Unrecht und entsetzliche Verbrechen mit sich. Gleichzeitig wurde der Boden für weitere Konflikte und politische Instabilität bereitet, indem Menschen ausgegrenzt und diskriminiert wurden und man ihnen grundlegende Freiheiten sowie zentrale soziale und wirtschaftliche Rechte verweigerte.
In vielerlei Hinsicht konnte Afrika jedoch nach wie vor als aufstrebender Kontinent angesehen werden. In zahlreichen Ländern verbesserten sich die Voraussetzungen für Entwicklung. Überall in Afrika war 2014 ein rascher Wandel zu beobachten, was Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft betraf. Eine schnell wachsende Bevölkerung, ein hohes Wirtschaftswachstum und die rasante Verstädterung führten dazu, dass sich die Lebensumstände der Menschen in atemberaubender Geschwindigkeit veränderten. Trotz enormer Hindernisse machten viele afrikanische Staaten erhebliche Fortschritte in Bezug auf die UN-Millenniums-Entwicklungsziele. So stellten die Vereinten Nationen in ihrem Bericht zur Umsetzung der Millenniumsziele in Afrika 2014 fest, dass acht der zehn Staaten, die weltweit am schnellsten voranschritten, in Afrika lagen.
Doch gab es auch zahlreiche Indikatoren, die schmerzhaft daran erinnerten, dass sich die Lebensbedingungen vieler Menschen trotz des schnellen Wirtschaftswachstums nicht verbessert hatten. Zwar sank die Armutsrate in Afrika im vergangenen Jahrzehnt, die absolute Zahl der Menschen, die weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag zur Verfügung hatten und damit unterhalb der Armutsgrenze lebten, nahm jedoch zu. Fast 40% der von Armut betroffenen Afrikanerinnen und Afrikaner lebten in zwei Staaten, die von Konflikten erschüttert wurden: 25,89% in Nigeria und 13,60% in der Demokratischen Republik Kongo. Afrika hatte eine der höchsten Jugendarbeitslosigkeitsquoten weltweit und war nach Lateinamerika der Kontinent mit den extremsten Unterschieden zwischen Arm und Reich. Diese Faktoren machen den Zusammenhang deutlich zwischen Konflikten und politischer Instabilität einerseits und der Verweigerung zentraler sozialer und wirtschaftlicher Rechte, sozialer Ausgrenzung, Ungleichheit und wachsender Armut andererseits.
Dass Unterdrückung und die Verweigerung grundlegender Menschenrechte zu Instabilität und gewaltsamen Konflikten beitragen, zeigte sich 2014 besonders deutlich in Burkina Faso, im Sudan, im Südsudan und in der Zentralafrikanischen Republik. In zahlreichen afrikanischen Staaten gab es weiterhin eine Tendenz zur Unterdrückung und zur Einschränkung politischer Freiräume. In einigen Staaten gingen Sicherheitskräfte mit exzessiver Gewalt gegen friedliche Demonstrierende vor. In viel zu vielen Ländern wurden 2014 die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit massiv beschnitten – dies betraf nicht nur autoritär regierte Länder, sondern auch solche mit weniger autoritären Regierungen und solche, in denen sich ein politischer Umbruch vollzog oder ankündigte.
In Staaten wie Kenia, Somalia, Nigeria, Mali und in den Ländern der Sahelzone führte die zunehmende Gewalt, die von radikalen bewaffneten Gruppen wie Al-Shabab und Boko Haram ausging, 2014 zu einer massiven Bedrohung der inneren Sicherheit. Zehntausende Zivilpersonen wurden getötet, Hunderte wurden entführt, zahllose Menschen lebten in Angst und Ungewissheit. Viele Regierungen reagierten auf die Gewalt mit ebenso brutalen und wahllosen Maßnahmen, darunter massenhaften willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen sowie außergerichtlichen Hinrichtungen. In Kenia traten Ende 2014 Sicherheitsgesetze in Kraft, die zu Änderungen an 22 weiteren Gesetzen führten und weitreichende Auswirkungen auf die Menschenrechte hatten.
Charakteristisch für die Konflikte auf dem afrikanischen Kontinent war die Straflosigkeit für völkerrechtliche Verbrechen, die von Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen begangen wurden. Zu den Ländern, die 2014 weiterhin nichts gegen die Straflosigkeit unternahmen, zählten die Demokratische Republik Kongo, Nigeria, Somalia, der Sudan, der Südsudan und die Zentralafrikanische Republik. Außerdem waren schwerwiegende politische Rückschläge zu verzeichnen, was den Internationalen Strafgerichtshof betraf. Aufgrund einer völlig neuen politischen Dynamik wurde in Afrika zunehmend die Forderung erhoben, Staatschefs und hochrangige Funktionäre von der Strafverfolgung wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und anderer völkerrechtlicher Verbrechen auszunehmen. Dies gipfelte darin, dass das Protokoll der Afrikanischen Union (AU) über das Statut des noch einzurichtenden Afrikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte rückwirkend geändert wurde, und zwar dahingehend, dass Staatschefs und hochrangige Beamte Immunität genießen und nicht vor Gericht gestellt werden können.
2014 konnte der Friedens- und Sicherheitsrat der AU, ein ständiges Entscheidungsgremium zur Verhinderung, Behandlung und Lösung von Konflikten in Afrika, auf sein zehnjähriges Bestehen zurückblicken. Die AU und der Friedens- und Sicherheitsrat unternahmen einige bemerkenswerte Schritte, um Konflikten in Afrika zu begegnen. Dazu zählten die Entsendung der Internationalen Unterstützungsmission in der Zentralafrikanischen Republik unter afrikanischer Führung (MISCA), die Einsetzung einer Untersuchungskommission für den Südsudan, die Ernennung einer Sondergesandten für Frauen, Frieden und Sicherheit sowie mehrere politische Erklärungen, in denen Gewalt und Angriffe auf die Zivilbevölkerung verurteilt wurden. Es wurde jedoch deutlich, dass die Kapazitäten der AU zu gering waren, um auf bewaffnete Konflikte angemessen zu reagieren; häufig waren ihre Bemühungen nicht ausreichend oder kamen zu spät. In einigen Fällen wurde Einheiten der AU-Friedensmissionen vorgeworfen, sie hätten sich an schweren Menschenrechtsverletzungen beteiligt. Im Falle der MISCA richteten sich die Vorwürfe gegen das tschadische Kontingent, das deshalb aus der Zentralafrikanischen Republik abgezogen wurde.Doch nicht nur die Afrikanische Union reagierte unzureichend auf bewaffnete Konflikte.
So entsandten die Vereinten Nationen erst nach langem Zögern eine Friedensmission in die Zentralafrikanische Republik, der es zwar gelang, viele Menschenleben zu retten, die jedoch nicht über die notwendigen Mittel verfügte, um die Welle der Menschenrechtsverletzungen und Übergriffe einzudämmen. In vielen anderen Fällen herrschte Schweigen. So ergriff der UN-Menschenrechtsrat zum Beispiel keine wirksamen Maßnahmen, was den Konflikt im Sudan betraf, obwohl die dortige Menschenrechtslage eine unabhängige Beobachtung, Berichterstattung und Rechenschaftspflicht dringend erforderlich machte. Nachdem Vorwürfe laut geworden waren, Mitarbeiter der gemeinsamen UN/AU-Mission in Darfur (UNAMID) hätten Menschenrechtsverstöße in Darfur vertuscht, kündigte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon im Juli 2014 eine Untersuchung an.
Die bewaffneten Konflikte in Afrika stellen eine zunehmende Herausforderung dar, und um sie zu lösen, müssen führende afrikanische Politiker ihre politische Linie umgehend und grundlegend ändern. Gleichzeitig sind Anstrengungen auf nationaler, afrikanischer und internationaler Ebene notwendig, um den Teufelskreis der Straflosigkeit zu durchbrechen und die eigentlichen Ursachen bewaffneter Konflikte und mangelnder Sicherheit zu beseitigen. Gelingt das nicht, bleibt das afrikanische Ziel, "die Waffen bis zum Jahr 2020 zum Schweigen zu bringen", ein trügerischer und unerreichbarer Traum.
Bewaffnete Konflikte
Das Leben zahlloser Menschen wurde durch bewaffnete Konflikte und eine prekäre Sicherheitslage zerstört. Dies betraf nahezu alle Länder, wenn auch in unterschiedlichem Maße. Die Kämpfe waren durch anhaltende Menschenrechtsverstöße und Gräueltaten geprägt, für die sowohl Regierungstruppen als auch bewaffnete Gruppen verantwortlich waren.
Die Zentralafrikanische Republik befand sich in einer Spirale religiös motivierter Gewalt, die mit unzähligen Schreckenstaten einherging. Dazu gehörten Tötungen, Folter, Vergewaltigungen, Verstümmelungen, Entführungen, die Rekrutierung sowie der Einsatz von Kindersoldaten und die Vertreibung ganzer Bevölkerungsgruppen. Trotz einer Waffenstillstandsvereinbarung im Juli 2014 und der Entsendung einer UN-Friedenstruppe (MINUSCA) im September kam es in den folgenden Monaten zu einer Eskalation der Angriffe, insbesondere im Zentrum des Landes. Im Oktober 2014 brach in der Hauptstadt Bangui erneut Gewalt aus. Die Zivilbevölkerung wurde während der zunehmenden Kämpfe zwischen den verschiedenen bewaffneten Gruppen Opfer zahlreicher Menschenrechtsverstöße. Dabei waren alle Seiten – Einheiten der bewaffneten Gruppen Séléka und Anti-Balaka sowie bewaffnete Kämpfer der ethnischen Gruppe der Peulh – für systematische Angriffe auf die Zivilbevölkerung verantwortlich, ohne dass dies geahndet worden wäre. Die Hoffnungen, dass sich die Lage durch den Einsatz der UN-Friedenstruppe ändern würde, erfüllten sich nicht. Dass einen Monat später die Gewalt im ganzen Land bereits wieder dramatisch zunahm, machte deutlich, dass die Kapazitäten und die Reaktionsfähigkeit der internationalen Einheiten nicht ausreichten.
Im benachbarten Südsudan wurden seit dem Ausbruch bewaffneter Kämpfe im Dezember 2013 Zehntausende Menschen getötet, darunter viele Zivilpersonen, und mehr als 1,8 Mio. Menschen vertrieben. Sowohl Regierungskräfte als auch die Einheiten der Opposition legten eine völlige Missachtung des humanitären Völkerrechts und internationaler Menschenrechtsnormen an den Tag und verübten Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Alle Konfliktparteien griffen Menschen aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit gezielt an und töteten sie, selbst dann, wenn sie in Krankenhäusern oder Gotteshäusern Zuflucht gesucht hatten. Sexuelle Gewalt war weit verbreitet. Außerdem kam es zu Plünderungen und Zerstörungen. Trotz des enormen Ausmaßes der Menschenrechtsverstöße und der Tatsache, dass Millionen Menschen von Hunger und Krankheit bedroht waren, missachteten beide Seiten mehrere Waffenstillstandsvereinbarungen. Ende 2014 deutete nichts auf ein Ende der Straflosigkeit hin, und eine von der AU eingesetzte Untersuchungskommission für den Südsudan hatte ihren Schlussbericht noch nicht vorgelegt.
Im Nordosten Nigerias nahmen die gewaltsamen Angriffe der bewaffneten islamistischen Gruppe Boko Haram seit 2013 zu, was zu einer Ausweitung des Konflikts und zu immer mehr Opfern führte. Hier zeigte sich in aller Deutlichkeit, welche Gefahr nicht nur für die Stabilität des bevölkerungsreichsten afrikanischen Landes, sondern auch für den Frieden und die Sicherheit in der gesamten Region drohte. Im Zuge des bewaffneten Konflikts, der sich 2014 vor allem in kleinere Städte und Ortschaften verlagerte, wurden seit 2009 mehr als 4000 Zivilpersonen getötet. Die Entführung von 276 Schülerinnen im April 2014 durch Boko Haram war ein besonders drastisches Beispiel dafür, wie rücksichtslos die bewaffnete Gruppe die Zivilbevölkerung terrorisiert, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Gleichzeitig waren Orte, die bereits seit Jahren unter dem Terror von Boko Haram litten, zunehmend Übergriffen staatlicher Sicherheitskräfte ausgesetzt, die auf die Angriffe der bewaffneten Gruppe mit harten und wahllosen Attacken, willkürlichen Massenfestnahmen, Prügel und Folter reagierten. Drastische Videoaufnahmen sowie Bilder und Augenzeugenberichte, die Amnesty International zusammengetragen hat, enthielten neue Belege für mutmaßliche Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und andere schwere Menschenrechtsverletzungen und Verstöße aller Konfliktparteien.
Die nigerianischen Sicherheitskräfte griffen nicht nur im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt im Nordosten, sondern im gesamten Land regelmäßig und systematisch auf Folter und andere Misshandlungen zurück, wurden dafür jedoch nur äußerst selten zur Rechenschaft gezogen. Nachdem im Mai 2013 im Nordosten des Landes der Notstand ausgerufen worden war, kam es dort vermehrt zu willkürlichen Massenfestnahmen und Inhaftierungen durch das Militär. Bis Ende 2014 trafen auch immer wieder Meldungen über außergerichtliche Hinrichtungen durch Militär und Polizei ein.
In einigen bereits lange währenden Konflikten Afrikas zeichnete sich weiterhin keine Lösung ab. So hielten im Sudan die bewaffneten Auseinandersetzungen in Darfur sowie in den Bundesstaaten Südkordofan und Blue Nile unvermindert an und weiteten sich auf den Bundesstaat Nordkordofan aus. Alle Konfliktparteien verstießen gegen internationale Menschenrechtsnormen und das humanitäre Völkerrecht. In Darfur führten zahllose Übergriffe und Auseinandersetzungen zwischen den Konfliktparteien sowie Angriffe regierungsnaher Milizen und bewaffneter Oppositionsgruppen dazu, dass die Zahl der getöteten und vertriebenen Zivilpersonen deutlich zunahm.
In der Demokratischen Republik Kongo kam es im Zuge der Operation "Sokola 1" im Osten des Landes zu zahlreichen Angriffen bewaffneter Gruppen. Dabei wurden Tausende Menschen getötet und mehr als 1 Mio. vertrieben. Die Eskalation der Gewalt war begleitet von Tötungen und Massenvergewaltigungen, für die sowohl die Sicherheitskräfte als auch bewaffnete Gruppen verantwortlich waren.
In Süd- und Zentralsomalia setzte sich der bewaffnete Konflikt zwischen regierungstreuen Militäreinheiten, der Friedensmission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) und der bewaffneten islamistischen Gruppe Al-Shabab fort. Dabei wurden mehr als 100000 Zivilpersonen getötet, verletzt oder vertrieben. Alle Konfliktparteien waren für Verletzungen internationaler Menschenrechtsnormen und des humanitären Völkerrechts verantwortlich. Bewaffnete Gruppen nahmen Zwangsrekrutierungen vor – auch von Minderjährigen – und verschleppten, folterten und töteten Menschen. Vergewaltigungen und andere Formen sexueller Gewalt waren weit verbreitet. Der bewaffnete Konflikt, die anhaltende Dürre und der eingeschränkte Zugang von Hilfsorganisationen zu notleidenden Menschen hatten zur Folge, dass sich die humanitäre Lage im Land rapide verschlechterte. Ende 2014 waren mehr als 1 Mio. Menschen von der humanitären Krise betroffen, weitere 2,1 Mio. waren auf Hilfe angewiesen.
Es gab bereits deutliche Alarmsignale, die auf künftige Konflikte in Afrika hinwiesen. Die Lage in der Sahelzone war weiterhin hochexplosiv. Hier gingen politische Instabilität, extreme Armut und soziale Ausgrenzung mit dem Erstarken radikaler bewaffneter Gruppen und der organisierten Kriminalität einher. In Mali führte der interne bewaffnete Konflikt zu einer anhaltend kritischen Sicherheitslage, insbesondere im Norden des Landes. Dort war es den Behörden noch immer nicht gelungen, die Kontrolle über alle Gebiete wiederzuerlangen. Trotz eines 2013 unterzeichneten Friedensabkommens zwischen bewaffneten Gruppen und der malischen Regierung, gingen die Entführungen und Tötungen durch bewaffnete Gruppen weiter. Es kam 2014 immer wieder zu Gewaltausbrüchen, obwohl die Friedensgespräche zwischen der Regierung und den bewaffneten Gruppen fortgesetzt wurden.
Die Zunahme terroristischer Angriffe führte in Somalia, Kenia, Nigeria und in den Ländern der Sahelzone zu noch mehr Gewalt und Instabilität. Regierungen reagierten auf die Terrorakte häufig mit gravierenden Menschenrechtsverletzungen. Bewaffnete Gruppen waren für Entführungen, wahllose Angriffe, Folter, rechtswidrige Tötungen und andere Menschenrechtsverstöße verantwortlich. In Somalia folterten und töteten Al-Shabab-Milizen Personen, denen sie vorwarfen, Spione zu sein oder nicht ihrer strengen Auslegung islamischen Rechts zu folgen. Sie richteten Menschen öffentlich hin, u.a. durch Steinigungen, und nahmen Zwangsamputationen von Gliedmaßen und Auspeitschungen vor. Angehörige von Boko Haram und anderen islamistischen Gruppen aus Nigeria töteten auch in Kamerun Zivilpersonen, nahmen Geiseln, entführten Personen und griffen Menschenrechtsverteidiger an.
Einschränkung politischer Freiräume und Verweigerung von Grundrechten
In sehr vielen Ländern des afrikanischen Kontinents war 2014 eine Tendenz in Richtung Unterdrückung und Einschränkung politischer Freiräume zu beobachten.
In Eritrea waren oppositionelle Parteien, unabhängige Medien und zivilgesellschaftliche Organisationen grundsätzlich verboten. Tausende politische Gefangene waren weiterhin willkürlich inhaftiert. In Äthiopien gerieten Blogger, Journalisten und unabhängige Medien erneut ins Visier der Behörden. Mitglieder von Oppositionsparteien und friedliche Demonstrierende kamen in Haft. In Ruanda war es für die Zivilgesellschaft so gut wie unmöglich, die Menschenrechtspolitik der Regierung zu kritisieren. In Burundi wurden Oppositionspolitiker, zivilgesellschaftlich engagierte Bürger, Rechtsanwälte, Journalisten und andere Kritiker zunehmend unter Druck gesetzt, je näher die Wahlen im Jahr 2015 rückten. Die Rechte auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wurden beschnitten. Veranstaltungen und Protestmärsche wurden regelmäßig verboten.
In Gambia beging Staatspräsident Yahya Jammeh 2014 sein 20-jähriges Amtsjubiläum – zwei Jahrzehnte, die geprägt waren von der massiven Unterdrückung abweichender Meinungen. Journalisten, politische Gegner und Menschenrechtsverteidiger wurden in Gambia nach wie vor eingeschüchtert und gefoltert. Ein Putschversuch in den frühen Morgenstunden des 30. Dezember 2014 zog zahlreiche Festnahmen und weitreichende Repressionen gegen die Medien nach sich. In Burkina Faso kam im November 2014 eine Übergangsregierung ins Amt, die das Land bis zu den nächsten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Jahr 2015 führen soll. Der langjährige Präsident Blaise Compaoré war Ende Oktober nach landesweiten Demonstrationen zurückgetreten. Auslöser der Proteste war eine geplante Verfassungsänderung, die ihm eine erneute Kandidatur für das Präsidentenamt ermöglicht hätte.
In Angola, Burkina Faso, Guinea, , Togo, im Senegal und im Tschad sowie in anderen afrikanischen Staaten setzten die Sicherheitskräfte bei Demonstrationen und Protesten exzessive Gewalt ein. In den meisten Fällen untersuchten die Behörden die unangemessenen Einsätze nicht und zogen niemanden dafür zur Rechenschaft.
In vielen Ländern Afrikas waren Journalisten, Menschenrechtsverteidiger und Oppositionspolitiker flächendeckend und systematisch Drohungen, willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen sowie Folter und Verschwindenlassen durch Regierungssoldaten und bewaffnete Gruppen ausgeliefert, oder es drohte ihnen gar der Tod. In Angola, Äthiopien, Burkina Faso, Eritrea, Gambia, Guinea, Kamerun, Mauretanien, Ruanda, Sambia, Simbabwe, Somalia, Swasiland, Togo, Uganda und im Tschad wurden die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit beschränkt oder gänzlich unterbunden. In Angola, Burundi und Gambia traten neue Gesetze und andere Vorschriften in Kraft, mit denen die Arbeit der Medien und Aktivitäten der Zivilgesellschaft noch stärker eingeschränkt wurden.
Im Sudan waren die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit weiterhin stark beschnitten, obwohl die Regierung versprach, einen nationalen Dialog anzustreben, um Frieden im Land zu schaffen und die in der Verfassung verbürgten Rechte zu schützen. Die Regierung setzte nach wie vor den Geheimdienst (NISS) sowie andere Sicherheitskräfte ein, um vermeintliche Gegner der regierenden Nationalen Kongresspartei willkürlich zu inhaftieren, die Medien zu zensieren, öffentliche Foren zu schließen und Proteste zu ersticken.
Im Südsudan beschlagnahmte der Geheimdienst (NSS) Zeitungsausgaben und schloss Zeitungsverlage; er schikanierte Journalisten, schüchterte sie ein und nahm sie ohne rechtliche Grundlage fest. Durch das harte Vorgehen des Geheimdienstes wurde das Recht auf freie Meinungsäußerung beschnitten und die öffentliche Debatte darüber, wie der bewaffnete Konflikt beendet werden könnte, massiv behindert. Das südsudanesische Parlament verabschiedete ein Geheimdienstgesetz, das dem NSS weitreichende Befugnisse einräumte, darunter in Bezug auf Festnahmen und Inhaftierungen, für die keine unabhängigen Kontrollmechanismen und Schutzklauseln gegen Missbrauch vorgesehen waren. Der Präsident musste dem Gesetz noch zustimmen.
Straflosigkeit und fehlende Gerechtigkeit
Das Problem der Straflosigkeit zog sich durch alle bewaffneten Konflikte Afrikas. Personen, die im Verdacht standen, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt zu haben, wurden so gut wie nie zur Rechenschaft gezogen.
In der Zentralafrikanischen Republik wurden einige Mitglieder bewaffneter Gruppen festgenommen, die niedrigen Rängen angehörten. Die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs kündigte Vorermittlungen zu den gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Zentralafrikanischen Republik an. Dies waren jedoch die einzigen Hoffnungszeichen, ansonsten war Straflosigkeit vorherrschend, was den bewaffneten Konflikt noch weiter befeuerte. Nahezu alle Anführer bewaffneter Gruppen, die im Verdacht standen, in dem Land Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt zu haben, befanden sich Ende 2014 auf freiem Fuß.
In der Demokratischen Republik Kongo führten die Bemühungen, Völkerrechtsverbrechen zu ahnden, die von der Armee und bewaffneten Gruppen begangen worden waren, nur vereinzelt zum Erfolg. Von 39 Soldaten, die sich wegen der Massenvergewaltigung von mehr als 130 Frauen und Mädchen sowie wegen Mordes und Plünderungen in Minova vor einem Militärgericht verantworten mussten, wurden nur zwei wegen Vergewaltigung schuldig gesprochen. Andere Angeklagte wurden wegen Mordes, Plünderungen und Militärdelikten schuldig befunden.
Auch jenseits bewaffneter Konflikte bestand in Afrika das grundsätzliche Problem, dass Personen, die für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich waren, nicht zur Rechenschaft gezogen wurden und im Großen und Ganzen tun und lassen konnten, was sie wollten. So wurden Menschen in Ländern wie Äquatorialguinea, Äthiopien, Eritrea, Gambia, Mauretanien, Nigeria und Togo nach wie vor gefoltert und in anderer Weise misshandelt, was vor allem darauf zurückzuführen war, dass diese Verbrechen nicht geahndet wurden.
Im Fall Kenias gelang es nicht, diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und andere Völkerrechtsverstöße verantwortlich waren, die während der Ausschreitungen nach den Wahlen 2007/08 verübt wurden. Der Internationale Strafgerichtshof setzte das Verfahren gegen Vizepräsident William Samoei Arap Ruto und den Journalisten Joshua Arap Sang 2014 fort. Es wurde allerdings durch Vorwürfe beeinträchtigt, Zeugen seien eingeschüchtert und bestochen worden. Die Anklage gegen Präsident Uhuru Kenyatta zog die Chefanklägerin zurück, nachdem das Gericht ihre Beschwerde über mangelnde Kooperationsbereitschaft der kenianischen Regierung abgelehnt hatte. In Kenia selbst wurde nichts unternommen, um die massiven Menschenrechtsverletzungen zu ahnden, die nach den Wahlen 2007/08 verübt worden waren.
Im Verfahren gegen den kongolesischen Rebellenführer Thomas Lubanga Dyilo bestätigte der Internationale Strafgerichtshof hingegen 2014 den Schuldspruch und das Strafmaß. Er war 2102 Kriegsverbrechen für schuldig befunden worden, weil er Kinder unter 15 Jahren rekrutiert, eingezogen und bei Kampfhandlungen in der Demokratischen Republik Kongo aktiv eingesetzt hatte. Außerdem wurde Germain Katanga, der die Miliz Kräfte des patriotischen Widerstands in Ituri (Forces de Résistance Patriotique en Ituri) angeführt hatte, wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen für schuldig befunden und zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt. Der Internationale Strafgerichtshof bestätigte 2014 auch die Anklage gegen Bosco Ntaganda, dessen Prozess voraussichtlich im Juni 2015 beginnen wird. Ihm werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sexuelle Gewalt und andere Kriegsverbrechen zur Last gelegt, die 2002/03 in Ituri in der Demokratischen Republik Kongo verübt wurden. Im Juni 2014 bestätigte der Internationale Strafgerichtshof außerdem die Anklage gegen den ehemaligen Präsidenten von Côte d’Ivoire, Laurent Gbagbo, wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Der Beginn seines Prozesses war für Juli 2015 geplant.
Es gab auch Bemühungen, die Straflosigkeit für Völkerrechtsverbrechen auf nationaler Ebene zu bekämpfen. So leitete Mali Ermittlungen ein, um Fälle von Verschwindenlassen aufzuklären. Der ehemalige tschadische Präsident Hissène Habré befand sich weiterhin im Senegal in Gewahrsam und wartete auf seinen Prozess vor einem Sondergericht (Extraordinary African Chambers), das die Afrikanische Union eingerichtet hatte. Hissène Habré war im Juli 2013 verhaftet und wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen angeklagt worden, die im Tschad in den Jahren 1982–90 begangen worden waren.
Im März 2014 lieferte Côte d’Ivoire Charles Blé Goudé an den Internationalen Strafgerichtshof aus. Ihm werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der Ausschreitungen nach den Wahlen im Jahr 2010 vorgeworfen. Im Dezember 2014 bestätigte die Vorverfahrenskammer des Gerichts die Anklage wegen vierfacher Verbrechen gegen die Menschlichkeit und überwies den Fall an eine Hauptkammer. Ebenfalls im Dezember wies die Vorverfahrenskammer den Einspruch von Côte d’Ivoire gegen die Zulässigkeit des Verfahrens gegen Simone Gbagbo ab. Die Ehefrau des ehemaligen Präsidenten steht im Verdacht, Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben.
Das südafrikanische Verfassungsgericht fällte im Oktober 2014 eine wegweisende Entscheidung zur universellen Gerichtsbarkeit, die ein ermutigendes Zeichen setzte. In einem Verfahren, das die Menschenrechtsorganisation Southern African Human Rights Litigation Centre und eine weitere Organisation gegen den südafrikanischen Polizeichef angestrengt hatten, entschied das Gericht, die südafrikanische Polizei müsse auf der Grundlage des Weltrechtsprinzips Vorwürfen über Folter in Simbabwe nachgehen, auch wenn Täter und Opfer simbabwische Staatsangehörige seien.
Allerdings wurden auf afrikanischer und internationaler Ebene Errungenschaften rückgängig gemacht, die Afrika bezüglich des Völkerrechts in den vergangenen Jahren bereits erzielt hatte. Zwar sind 34 afrikanische Staaten dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs beigetreten, und damit mehr als in anderen Erdteilen, doch gab es 2014 gezielte politische Manöver, um die enormen Fortschritte bezüglich der strafrechtlichen Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen zunichtezumachen. Kenia schlug vor, das Römische Statut in fünf Punkten zu reformieren; u.a. solle Artikel 27 dahingehend geändert werden, dass Staats- und Regierungschefs von strafrechtlicher Verfolgung durch den Internationalen Strafgerichtshof ausgenommen sind.
Im Mai 2014 verständigten sich die zuständigen Minister der Afrikanischen Union darauf, das Protokoll über das Statut eines künftigen Afrikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte (African Court of Justice and Human Rights) zu ändern und den Personenkreis, der Immunität vor strafrechtlicher Verfolgung genießt, auszuweiten. Auf ihrer 23. Sitzung billigte die AU-Versammlung diese Änderung, die gewährleisten soll, dass Staats- und Regierungschefs sowie andere hochrangige Regierungsvertreter nicht wegen Völkermordes, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit strafrechtlich verfolgt werden können. Dies bedeutet einen Rückschritt und stellt einen Verrat an den Opfern schwerer Menschenrechtsverletzungen dar. Den Staats- und Regierungschefs war es wichtiger, sich und zukünftige Amtsinhaber gegen strafrechtliche Verfolgung wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen zu schützen, als sicherzustellen, dass Opfer völkerrechtlicher Verbrechen Gerechtigkeit erfahren.
Ganz unabhängig davon, wird der Internationale Strafgerichtshof weiterhin die Befugnis haben, wegen Völkerrechtsverbrechen gegen regierende Staats- und Regierungschefs afrikanischer Staaten zu ermitteln, die Vertragsparteien des Römischen Status sind. Doch wird 2014 als ein Jahr in Erinnerung bleiben, in dem einige afrikanische Staaten und die AU erhebliche politische Anstrengungen unternahmen, um die Arbeit des Strafgerichtshofs zu torpedieren.
Armut
Trotz eines anhaltend starken Wirtschaftswachstums im Jahr 2014 waren die Lebensbedingungen vieler Afrikanerinnen und Afrikaner nach wie vor schlecht. Viele Staaten hatten bemerkenswerte Fortschritte gemacht, um die Millenniumsziele der Vereinten Nationen bis zum Jahr 2015 zu erreichen. Im Vergleich zu Entwicklungsländern in anderen Teilen der Welt lagen die afrikanischen Staaten jedoch bei vielen Millenniumszielen noch zurück. Zwar ging die Armut in Afrika weiterhin zurück, doch nicht schnell genug, um das Ziel einer Halbierung bis 2015 zu erreichen. Tatsächlich gab es vielmehr Hinweise darauf, dass die Zahl derjenigen, die weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag zur Verfügung hatten und damit unterhalb der Armutsgrenze lebten, zugenommen hatte. Andere Millenniumsziele, wie die Verringerung der Zahl untergewichtiger Kinder und ein Rückgang der Müttersterblichkeit, dürften wohl ebenfalls nicht erreicht werden.
Die Städte Afrikas wuchsen in beispiellosem Tempo, die zunehmende Verstädterung führte jedoch auch zu wachsender Unsicherheit und Ungleichheit. In den Städten bedeutete Armut, dass die Menschen weder angemessenen Wohnraum noch Zugang zu Grundversorgungseinrichtungen hatten. Dies galt besonders für diejenigen, die in informellen Siedlungen oder Slums lebten. Rechtswidrige Zwangsräumungen beraubten die Betroffenen ihrer Lebensgrundlagen und ihres Besitzes und trieben sie noch tiefer in die Armut. In Angola wurden in der Provinz Luanda mindestens 4000 Familien aus ihren Wohnungen vertrieben. In Kenia bestätigten Gerichte erneut das Recht auf angemessenen Wohnraum und verboten Zwangsräumungen. Das Hohe Gericht wies die Regierung an, den ehemaligen Bewohnern der informellen Siedlung City Carton in Nairobi, deren Häuser im Mai 2013 geräumt worden waren, eine Entschädigung in Höhe von 33,6 Mio. Kenia-Schilling (etwa 335000 Euro) zu zahlen.
Die Ebola-Epidemie, die im Jahr 2014 einige Länder Westafrikas erfasste, war nach Ansicht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) der stärkste und der am schwierigsten zu bekämpfende Ausbruch seit der Entdeckung des Virus im Jahr 1976. Bis Ende 2014 waren in Guinea, Liberia, Mali, Nigeria und Sierra Leone etwa 8000 Menschen an der Epidemie gestorben. Mehr als 20000 Menschen waren nach Angaben der WHO mit dem Virus infiziert (Verdachtsfälle und bestätigte Fälle). Es wurde befürchtet, dass es Anfang 2015 zu gravierenden Engpässen bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln kommen könnte. Die Epidemie führte dazu, dass Gemeinschaften auseinandergerissen wurden und Gesundheitssysteme kurz vor dem Zusammenbruch standen.
In den am stärksten betroffenen Ländern Guinea, Liberia und Sierra Leone waren die Gesundheitssysteme bereits zuvor nicht sehr leistungsfähig, da diese Staaten gerade erst dabei waren, sich nach vielen Jahren politischer Konflikte und Instabilität zu erholen. In Guinea, wo Hunderte Menschen – unter ihnen mindestens 70 medizinische Fachkräfte – starben, war die schnelle und tödliche Verbreitung des Virus auch darauf zurückzuführen, dass die Regierung erst sehr spät reagierte und es an finanziellen Mitteln zur Bekämpfung der Krankheit mangelte.
Die Epidemie machte deutlich, dass die Regierungen das Recht ihrer Staatsbürger auf bestmögliche Gesundheitsversorgung nicht respektieren, schützen und verwirklichen. Sie zeigte aber auch, dass die internationale Gemeinschaft nicht in der Lage war, angemessen auf die Krise zu reagieren. Ende 2014 riefen führende Hilfsorganisationen die internationale Gemeinschaft zu mehr Unterstützung auf. Die UN erklärten, um die Verbreitung des Ebola-Virus zu stoppen, benötige sie für den Zeitraum von Oktober 2014 bis März 2015 etwa 1,5 Mrd. US-Dollar. Bis Dezember 2014 waren jedoch erst 1,2 Mrd. US-Dollar zusammengekommen. Außerdem kündigten die UN an, sollte die Epidemie anhalten, wären für den Zeitraum von April bis September 2015 weitere 1,5 Mrd. US-Dollar notwendig.
Diskriminierung und Ausgrenzung
Hunderttausende Menschen in Afrika waren bereits vertrieben oder verließen 2014 ihre Heimat – aufgrund bewaffneter Konflikte, politscher Verfolgung oder um sich anderswo ein besseres Leben aufzubauen. Die meisten waren gezwungen, ihr Zuhause und ihren Lebensunterhalt aufzugeben, um unter schwierigen und gefährlichen Bedingungen entweder im eigenen Land oder im Ausland Zuflucht zu suchen. Unzählige Flüchtlinge und Migranten lebten unter elenden Umständen und in ständiger Gefahr, weitere Menschenrechtsverletzungen zu erleiden. Häufig waren sie in Lagern untergebracht, in denen es an Gesundheitsfürsorge, Trinkwasserversorgung, Sanitäreinrichtungen, Lebensmitteln und Schulen mangelte.
Allein aus Eritrea flohen jeden Monat Tausende Menschen, die in den meisten Fällen dem Militärdienst entgehen wollten, der nicht zeitlich begrenzt ist. Viele eritreische Flüchtlinge liefen Gefahr, in die Hände von Menschenhändlern zu geraten, die u.a. im Sudan und in Ägypten tätig waren. In Kamerun lebten Tausende Flüchtlinge, die vor der Gewalt bewaffneter Gruppen in der Zentralafrikanischen Republik und in Nigeria geflüchtet waren, in den Grenzgebieten unter unsäglichen Bedingungen in überfüllten Lagern. Von den mehr als 1 Mio. Menschen, die durch den bewaffneten Konflikt im Sudan vertrieben wurden, blieben viele im Land, mindestens 600000 lebten in Flüchtlingslagern im Tschad, im Südsudan oder in Äthiopien. In Kenia wurde die elende Lage Tausender Flüchtlinge aus Somalia durch Internierungen verschlimmert. Die Flüchtlinge mussten ihre Bleibe in den Städten verlassen und in erbärmlichen, überfüllten Lagern leben. In Südafrika waren Flüchtlinge und Asylsuchende nach wie vor ausländerfeindlichen Angriffen ausgesetzt und wurden von den Behörden praktisch nicht geschützt.
Auch viele andere Gruppen mussten die Erfahrung machen, dass ihre Menschenrechte nicht geschützt wurden und dass sie keine Möglichkeit hatten, ihre Rechte einzuklagen oder Wiedergutmachung für Übergriffe zu erhalten. Frauen wurden häufig nicht an nationalen Friedensprozessen beteiligt, obwohl sie entscheidend zur Stabilisierung von Gesellschaften beitragen können, die von bewaffneten Konflikten betroffen sind. In vielen Ländern, in denen bewaffnete Konflikte herrschten oder in denen es viele Flüchtlinge und Vertriebene gab, wurden Frauen und Mädchen Opfer von Vergewaltigung und anderen Formen sexueller Gewalt, so zum Beispiel im Südsudan und in Somalia. Doch auch in Ländern ohne bewaffnete Konflikte war Gewalt gegen Frauen allgegenwärtig. In einigen Ländern waren dafür kulturelle Traditionen und Normen verantwortlich, in anderen wurde die geschlechtsspezifische Diskriminierung durch Gesetze legitimiert.
Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle konnten 2014 etwas Hoffnung schöpfen, als die Afrikanische Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker eine entscheidende Resolution verabschiedete, in der sie Gewalt, Diskriminierung und andere Verletzungen der Rechte von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität verurteilte. Die Zusicherung Malawis, einvernehmliche sexuelle Handlungen zwischen Personen des gleichen Geschlechts zu entkriminalisieren, war ebenfalls ein Zeichen der Hoffnung auf Gleichheit und Gerechtigkeit.
Dennoch wurden auch 2014 Menschen wegen ihrer vermeintlichen oder tatsächlichen sexuellen Orientierung in vielen afrikanischen Ländern verfolgt und bestraft, u.a. in Gambia, Kamerun, Sambia, Uganda und im Senegal. In einigen Staaten gab es sogar rückwärtsgewandte Bemühungen, die Kriminalisierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität zu verschärfen, indem bestehende ungerechte Gesetze verfestigt oder neue eingeführt wurden. Der Präsident Nigerias unterzeichnete ein restriktives Gesetz, das gleichgeschlechtliche Ehen verbot und Diskriminierung aufgrund vermeintlicher oder tatsächlicher sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität erlaubte. In Uganda wurde ein Gesetz gegen Homosexualität eingeführt, das zwar vom Verfassungsgericht des Landes aufgehoben wurde, weil das Parlament bei der Abstimmung nicht beschlussfähig gewesen war. Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle, bzw. Personen, die dafür gehalten wurden, genossen jedoch weiterhin keinerlei Schutz.
Sie wurden willkürlich festgenommen, verprügelt, aus ihren Wohnungen vertrieben, verloren ihren Arbeitsplatz und liefen Gefahr, von aufgebrachten Menschenmengen angegriffen zu werden. Gambias Präsident billigte eine vom Parlament verabschiedete Reform des Strafgesetzbuches, die "schwere Homosexualität" als neue Straftat einführte. Sie wird mit lebenslanger Haft geahndet und lädt durch ihre vage Definition zu umfangreichem Missbrauch ein. Dem tschadischen Parlament lag ein homophober Gesetzentwurf zur Beratung vor, der für Personen, die sich homosexueller Handlungen "schuldig machen", Freiheitsstrafen von bis zu 20 Jahren sowie hohe Geldstrafen vorsah.
Ausblick
Das ganze Jahr 2014 über setzten sich überall in Afrika Einzelpersonen und Gruppen dafür ein, Verständnis und Respekt für die Menschenrechte zu schaffen und zu vertiefen. Sie erhoben ihre Stimme und traten in Aktion, auch wenn sie sich damit manchmal in Gefahr brachten oder sogar ihr Leben riskierten, und setzten sich als Teil einer wachsenden Menschenrechtsbewegung für eine Welt ein, in der Menschen in Gerechtigkeit, Würde und Hoffnung leben können.
Das Jahr 2014 erinnerte gleichzeitig aber auch in aller Deutlichkeit daran, wie viel noch zu tun ist, was die Menschenrechte in Afrika betrifft, und dass nachhaltigere und raschere Fortschritte erzielt werden müssen, um all diesen Rechten zur Durchsetzung zu verhelfen.
Die jüngsten Ereignisse führten auf dramatische Weise vor Augen, dass ein gemeinsames und beständiges Handeln notwendig ist, um die gewaltsamen Konflikte in Afrika zu entschärfen und zu lösen. Mit Blick auf die Zukunft sollte die AU-Kommission in ihrem Bemühen unterstützt werden, einen strategischen Plan zu erarbeiten, um alle Waffen auf dem Kontinent zum Schweigen zu bringen. Außerdem ist es dringend erforderlich, dass die afrikanischen und die internationalen Institutionen wesentlich tragfähigere, konsequentere und kohärentere Ansätze auf Grundlage internationaler Menschenrechtsnormen finden, um die Konflikte zu bewältigen, als dies in der Vergangenheit der Fall war.
Eine weitere grundlegende Voraussetzung für Frieden, Sicherheit und Gerechtigkeit ist, dass die afrikanischen Staaten ihre vereinten Angriffe auf die internationale Justiz und insbesondere auf die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs einstellen. Stattdessen sollten sie sich vielmehr auf afrikanischer und internationaler Ebene im Kampf gegen Straflosigkeit vereinen und darauf hinarbeiten, dass die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen und andere völkerrechtliche Verbrechen tatsächlich zur Rechenschaft gezogen werden.
Es ist absehbar, dass Afrika in den kommenden Jahren einen tiefgreifenden Wandel erleben wird. Für die Mitgliedstaaten der AU bieten nicht zuletzt die Vereinbarungen, die im Anschluss an die UN-Millenniumsziele für die Zeit nach 2015 getroffen werden, eine historische Gelegenheit, sich auf menschenrechtliche Zielsetzungen zu verständigen, die das Leben zahlloser Menschen entscheidend verbessern könnten. In künftigen Zielvereinbarungen sollte Rechenschaftspflicht enthalten sein und anhand konkreter Ziele und Indikatoren für Gerechtigkeit definiert werden. Gleichzeitig müssen die Rechte auf Beteiligung, Gleichheit, Nicht-Diskriminierung, Rechtsstaatlichkeit und andere Grundfreiheiten gestärkt werden.