Journalist frei aber unter Anklage

Muhammad al-Maqalih

Muhammad al-Maqalih

Der Journalist Muhammad al-Maqalih ist am 25. März nach mehr als sechs Monaten Haft aus einem Gefängnis in Sana’a freigelassen worden. Die gegen ihn erhobenen Anklagen sind jedoch weiterhin anhängig. Sie lauten auf "Verleumdung des Präsidenten", Verbreitung von kritischen Informationen über die Sicherheitskräfte und Unterstützung von AnhängerInnen des Geistlichen Hussein al-Huthi. Bei einem Schuldspruch wegen der beiden letzt genannten Anklagepunkte droht dem Journalisten die Todesstrafe. Amnesty International vermutet, dass gegen den Journalisten allein deshalb strafrechtliche Schritte eingeleitet worden sind, weil er im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt im Norden des Landes die Politik der Regierung kritisiert hatte.

Appell an

INNENMINISTER
His Excellency Mutaher Rashad al-Masri
Ministry of Interior, Sana’a, JEMEN
(korrekte Anrede: Your Excellency)
Fax: (00 967) 1 332 511 oder
(00 967) 1 514 532 oder (00 967) 1 331 899
E-Mail: moi@yemen.net.ye

STAATSPRÄSIDENT
His Excellency ´Ali ´Abdullah Saleh
Office of the President of the Republic of Yemen, Sana'a, JEMEN (korrekte Anrede: Your Excellency)
Fax: (00 967) 127 4147

Sende eine Kopie an

MINISTERIN FÜR MENSCHENRECHTE
Her Excellency Dr. Houda 'Ali 'Abdullatif Alaan
Ministry for Human Rights, Sana’a, JEMEN
(korrekte Anrede: Your Excellency)
Fax: (00 967) 1 444 838 oder
(00 967) 1 419 555 oder (00 967) 1 419 700
E-Mail: mshr@y.net.ye

BOTSCHAFT DER REPUBLIK JEMEN
S.E. Herrn Prof. Dr. Mohammed L. Al-Eryani
Budapester Str. 37, 10787 Berlin
Fax: 030-8973 0562
E-Mail: info@botschaft-jemen.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 16. Juni 2010 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE

  • Fordern Sie die Behörden auf, sämtliche Anklagen gegen Muhammad al-Maqalih zurückzunehmen, sofern sie allein wegen seiner Kritik an der Regierung erhoben worden sind;

  • Weisen Sie darauf hin, dass er ein gewaltloser politischer Gefangener ist, falls er sich nur aufgrund seiner Kritik an der Regierung in Haft befindet. In diesem Fall muss er unverzüglich und bedingungslos freigelassen werden.

Fordern Sie die Behörden auf, sämtliche von Muhammad al-Maqalih erhobenen Folter- und Misshandlungsvorwürfe zu untersuchen.

Sachlage

Muhammad al-Maqalih war im September 2009 festgenommen und anschließend bis Februar 2010, als ihn sei-ne Familie erstmals besuchen durfte, ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten worden. Sein Prozess begann am 1. Februar vor dem Sonderstrafgericht in Sana’a. Die Anklage gegen Muhammad al-Maqalih lautete, über den Rundfunk Informationen verbreitet zu haben, die gegen die Sicherheitskräfte gerichtet waren und aus denen Un-terstützung für die AnhängerInnen des Geistlichen Hussein al-Huthi herauszuhören gewesen waren. Muhammad al-Maqalih schaltete keinen Rechtsanwalt ein, da er das Gericht als nicht verfassungsgemäß erachtet.

Vor seiner Freilassung aus der Hafteinrichtung des Politischen Sicherheitsdienstes in Sana’a wurde Muhammad al-Maqalih offenbar mitgeteilt, dass das Verfahren gegen ihn eingestellt werden würde. Dies entsprach jedoch nicht den Tatsachen. Im April 2010 erfuhr der Journalist, dass gegen ihn vor einem im Jahr 2009 neu geschaffenen Pressegericht eine Anklage wegen "Verleumdung des Präsidenten" anhängig war. Die Klage war anscheinend im Jahr 2005 wegen von ihm verfasster Artikel erhoben, später aber zurückgezogen worden.

Amnesty International geht davon aus, dass diese Entwicklung darauf zurückzuführen ist, dass Muhammad al-Maqalih nach seiner Freilassung offen über die in der Haft erlittenen Folterungen und Misshandlungen berichtet hatte. Im Gespräch mit Amnesty hatte er ausgeführt: "Ich bin auf einer der größten Straßen in Sana’a von be-waffneten Personen verschleppt worden... Sie haben mich am ganzen Körper geschlagen, bis Blut floss und ich das Bewusstsein verlor... Anschließend konnte ich mich rund zehn Tage lang kaum bewegen." Wie Muhammad al-Maqalih ferner angab, hatte man ihm zusätzlich die Augen verbunden und mit Hinrichtung gedroht.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Muhammad al-Maqalih ist Mitglied der Jemenitischen Sozialistischen Partei und hat früher deren Internetseite betreut. Er wurde am 17. September 2009 auf einer Straße in Sana’a von Männern verschleppt, bei denen es sich vermutlich um Angehörige der Sicherheitskräfte handelte. AugenzeugInnen gaben an, die in Zivil gekleideten Männer seien in einem weißen Kleinbus mit verdecktem Nummernschild vorgefahren.

Auslöser für die Verhaftung von Muhammad al-Maqalih waren vermutlich seine Äußerungen zum Vorgehen der Regierung im Konflikt zwischen den Sicherheitskräften und Anhängern von Hussein al-Huthi im Bezirk Sa’dah im Norden des Landes. Im Jahr 2004 war Hussein al-Huthi von Regierungstruppen getötet worden. MenschenrechtlerInnen vor Ort vermuten, dass seine Festnahme vor allem darauf zurückzuführen ist, dass er die Tötung von Zivilpersonen in Sa’dah durch Angehörige der Armee kritisiert hatte. Die Sozialistische Partei hatte die kritischen Worte von Muhammad al-Maqalih auf ihrer Internetseite veröffentlicht. Die vorerst letzte Runde des Konflikts hatte Mitte August 2009 eingesetzt und war am 12. Februar 2010 durch einen Waffenstillstand beendet worden. Regierungstruppen verhängten faktisch den Ausnahmezustand über die Region und starteten in dem offenkundigen Versuch, die AnhängerInnen von Hussein al-Huthi mundtot zu machen, eine Serie von Anschlägen. Dazu zählten auch Bombenabwürfe auf Dörfer und Städte.

Das Sonderstrafgericht wurde 1999 eingerichtet, um Hiraba-Verbrechen zu ahnden (ein Begriff der Schariah für Vergehen wie Besetzung öffentlichen Grund und Bodens, Diebstahl von Transportmitteln und Ungehorsam gegenüber der Obrigkeit). Im Jahr 2004 weitete die Regierung das Mandat dieses Gerichts aus und wies ihm die Kompetenz zu, Personen aufgrund von vage formulierten Straftatbeständen gegen die Staatssicherheit vor Gericht zu stellen. Das Gericht wendet die reguläre Strafprozessordnung an, die Gerichtsverfahren entsprechen jedoch Be-richten zufolge meist nicht den internationalen Standards für ein faires Gerichtsverfahren. StrafverteidigerInnen bemängeln ganz besonders, dass die RichterInnen dieses Gerichts nicht unparteiisch sind und sie ihnen keine Möglichkeit einer wirksamen Verteidigung geben. Ihren Aussagen zufolge werden sie durch eingeschränkten Zu-gang zu den Akten ihrer MandantInnen daran gehindert, eine Verteidigung zu erarbeiten; wenn StrafverteidigerInnen auf Verfahrensfehler hinweisen, werden diese routinemäßig ignoriert. Im Mai 2009 übertrug die Regierung einem von ihr neu eingesetzten Gericht die Zuständigkeit für Verfahren gegen die Medien. Hinter diesem Schritt scheint die Absicht zu stecken, die Freiheit der Medien weiter auszuhöhlen und die Berichterstattung über Ereignisse und die Kommentierung von Themen zu erschweren, die von der Regierung als brisant angesehen werden. MenschenrechtsverteidigerInnen im Jemen betrachten beide Gerichte als verfassungswidrig.

Weitere Informationen finden Sie auf Englisch in der Presseinformation Yemen: Security and human rights vom 25. Januar 2010 unter: http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE31/004/2010/en.