In Haft wegen Facebook-Beitrag

Der Filmemacher Min Htin Ko Ko Gyi
© UN
Die 24-jährige Chaw Sandi Tun ist in Myanmar in Zusammenhang mit einem Beitrag, den sie auf Facebook veröffentlicht hatte, inhaftiert worden. Amnesty International betrachtet Chaw Sandi Tun als gewaltlose politische Gefangene und fordert ihre sofortige und bedingungslose Freilassung.
Appell an
PRÄSIDENT
Thein Sein
President’s Office
Office No.18
Nay Pyi Taw, MYANMAR
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 95) 1 652 624
INNENMINISTER
Lt Gen. Ko Ko
Ministry of Home Affairs
Office No. 10
Nay Pyi Taw, MYANMAR
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 95) 67 412 439
Sende eine Kopie an
VORSITZENDER DER MENSCHENRECHTSKOMMISSION
U Win Mra
27 Pyay Road
Hline Township
Yangon, MYANMAR
Fax: (00 95) 1 659 668
E-Mail: chmyanmarnhrc@gmail.com
BOTSCHAFT DER UNION MYANMAR
S. E. Herrn Soe Nwe
Thielallee 19
14195 Berlin
Fax: 030-2061 5720
E-Mail: info@botschaft-myanmar.de
Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Birmanisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 26. November 2015 keine Appelle mehr zu verschicken.
Amnesty fordert:
LUFTPOSTBRIEFE, E-MAILS ODER FAXE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN
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Bitte lassen Sie Chaw Sandi Tun sofort und bedingungslos frei.
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Bitte stellen Sie sicher, dass sie bis zu ihrer Freilassung vor Folter und anderweitiger Misshandlung geschützt ist, nicht in abgelegene Gefängnisse verlegt wird und regelmäßigen Zugang zu ihren Angehörigen und Rechtsbeiständen ihrer Wahl sowie jegliche erforderliche medizinische Versorgung erhält.
- Ich bitte Sie außerdem, alle Gesetze, mit denen das Recht auf freie Meinungsäußerung willkürlich oder auf unverhältnismäßige Weise eingeschränkt wird, in Übereinstimmung mit internationalen Menschenrechtsstandards- und -normen aufzuheben oder abzuändern.
PLEASE WRITE IMMEDIATELY
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Calling on the Myanmar authorities to immediately and unconditionally release Chaw Sandi Tun.
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Urging them to ensure that, pending her release, she is not tortured or otherwise ill-treated; is not transferred to a remote prison; has regular access to family members and lawyers of her choosing; and is provided with any medical care she may require.
- Calling on them to repeal or amend all laws which impose arbitrary or sweeping restrictions on the right to freedom of expression, in line with international human rights law and standards.
Sachlage
Chaw Sandi Tun, die auch unter dem Namen Chit Tha Mee bekannt ist, wurde am 12. Oktober in Rangun, Myanmars größter Stadt, festgenommen. Grund für ihre Festnahme war ein Beitrag, den sie über Facebook geteilt hatte. Darin war dargestellt worden, dass die Farbe der Kleidung von Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi der von Armeeuniformen und insbesondere der Farbe der Uniform des Oberbefehlshabers der myanmarischen Streitkräfte, Senior General Min Aung Hlaing, entspricht. In einem Kommentar erklärte Chaw Sandi Tun: "Wenn du sie [Aung San Suu Kyi] so sehr liebst, leg dir ein Stück ihres Longyi [Sarong] auf den Kopf." In Myanmars Gesellschaft wird die Vorstellung, dass ein Mann die Kleidung einer Frau auf dem Kopf trägt, traditionell als beleidigend betrachtet.
Es ist noch immer nicht klar, auf welcher Rechtsgrundlage man Chaw Sandi Tun festhält. NGOs und Medienberichte geben an, dass gemäß Abschnitt 34(d) des 2004 erlassenen und 2014 überarbeiteten Gesetzes über elektronische Transaktionen gegen sie ermittelt werde. Trifft dies zu, so würde ihr eine Geldstrafe von zwischen fünf Millionen Kyat (ca. 3350 Euro) und zehn Millionen Kyat (ca. 6700 Euro) drohen. Sollte sie diese Geldstrafe nicht bezahlen können oder wollen, sind gemäß Abschnitt 34(d) bis zu drei Jahre Haft vorgesehen. Laut anderen ihr nahestehenden Quellen und Polizeibeamt_innen der Polizeiwache des Townships Maubin sind jedoch gemäß Paragraf 66(d) des Telekommunikationsgesetzes von 2013 Ermittlungen gegen Chaw Sandi Tun eingeleitet worden. Demnach würde ihr eine Haftstrafe bis zu drei Jahren drohen. Verlässliche Quellen geben außerdem an, dass die Polizei seit dem 14. Oktober zudem wegen "Verleumdung" gegen sie ermittle, die laut Paragraf 500 des myanmarischen Strafgesetzbuchs mit bis zu zwei Jahren Haft geahndet werden kann.
Nach ihrer Festnahme wurde Chaw Sandi Tun in das Gefängnis von Maubin in der Region Ayeyarwady verlegt, wo sie noch immer festgehalten wird. Verlässlichen Quellen zufolge hat man ihr bisher noch keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand gewährt. Am 27. Oktober soll ihr nächster Gerichtstermin stattfinden.
Hintergrundinformation
Der Großteil der wenigen Menschen, die in Myanmar Zugang zum Internet haben, ist bei Facebook aktiv, darunter auch Aktivist_innen, Regierungsbeamt_innen und Nachrichtenagenturen. Am 14. Oktober wurde der Friedensaktivist Patrick Khum Jaa Lee in Rangun wegen eines Facebook-Beitrags inhaftiert, mit dem die myanmarischen Streitkräfte verspottet worden waren. Er wird derzeit auf der Polizeistation des Townships Hlaing in Rangun festgehalten. (Weitere Informationen zu seinem Fall finden Sie in UA-227/2015.) Amnesty International ist sehr besorgt angesichts dieser Fälle, die möglicherweise Anzeichen für ein umfassenderes Vorgehen sind, mit dem das Recht auf freie Meinungsäußerung im Internet eingeschränkt werden soll.
Menschenrechtsverteidiger_innen und andere Aktivist_innen werden in Myanmar auch weiterhin nur deshalb festgenommen und inhaftiert, weil sie ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit wahrnehmen. Dieses Recht ist in Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert. Amnesty ist angesichts einiger myanmarischer Gesetze besorgt, mit denen die Rechte auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung eingeschränkt werden.
Das Recht auf freie Meinungsäußerung schützt Anschauungen jeglicher Form, darunter auch solche, die als beleidigend oder anstößig betrachtet werden könnten.
Mitte Oktober 2015 hat Amnesty International ein Briefing herausgegeben, das herausstellt, wie die Unterdrückungsmaßnahmen durch die Regierung in Myanmar in den vergangenen zwei Jahren und insbesondere im Vorlauf der Parlamentswahlen, die am 8. November 2015 stattfinden, zugenommen haben. Das englischsprachige Dokument finden Sie unter: https://www.amnesty.org/en/documents/asa16/2457/2015/my/.
Paragraf 34(d) des Gesetzes über elektronische Transaktionen von 2004 beschreibt die Straftat des "Schaffens oder Veränderns von Informationen oder der elektronischen Verbreitung geschaffener oder veränderter Informationen, die den Interessen von Organisationen oder Personen unzuträglich sind oder deren Würde verletzen". In Paragraf 66(d) des Telekommunikationsgesetzes von 2013 heißt es, dass jeder wegen "Erpressung, Nötigung, unrechtmäßiger Einschränkung, Verleumdung, Beeinträchtigung, unzulässiger Beeinflussung und Bedrohung anderer Personen im Rahmen der Nutzung eines Telekommunikationsnetzwerkes" angeklagt werden kann.