Bekannter Gewerkschafter festgenommen

Mitglieder der iranischen Lehrergewerkschaft ITTA bei einer Demonstration 2007

Mitglieder der iranischen Lehrergewerkschaft ITTA bei einer Demonstration 2007

Ismail Abdi, Vorsitzender der Lehrergewerkschaft im Iran (ITTA) wird seit dem 27. Juni wegen "des Organisierens von und der Teilnahme an illegalen Versammlungen" im Evin-Gefängnis in Teheran festgehalten. Die Anschuldigungen stehen im Zusammenhang mit seinen rechtmäßigen Aktivitäten als Gewerkschafter. Er ist ein gewaltloser politischer Gefangener.

Appell an

RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei
The Office of the Supreme Leader
Islamic Republic Street – End of Shahid Keshvar Doust Street
Tehran, IRAN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: über die Webseite http://www.leader.ir/langs/en/index.php?p=letter
Twitter: @khamenei_ir (Englisch)

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT
Ayatollah Sadegh Larijani
c/o Public Relations Office, Number 4
2 Azizi Street intersection
Tehran, IRAN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: info@humanrights-iran.ir

Sende eine Kopie an

PRÄSIDENT
Hassan Rouhani
The Presidency
Pasteur Street, Pasteur Square
Tehran, IRAN
Twitter: @HassanRouhani (Englisch) @Rouhani_ir (Persisch)

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S. E. Herrn Ali Majedi
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: info@iranbotschaft.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 15. September 2015 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

E-MAILS, TWITTER-NACHRICHTEN ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich bitte Sie, Ismail Abdi sofort und bedingungslos freizulassen und alle Anklagen gegen ihn fallenzulassen, da er ein gewaltloser politischer Gefangener ist, der nur wegen seiner friedlichen Gewerkschaftsaktivitäten festgehalten wird.

  • Bitte stellen Sie sicher, dass ihm regelmäßig Zugang zu einem unabhängigen Rechtsbeistand seiner Wahl gewährleistet wird.

  • Ich möchte Sie daran erinnern, dass der Iran Vertragsstaat des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ist, welcher das Recht jeder Person garantiert, Gewerkschaften ihrer Wahl zur Förderung und zum Schutz ihrer wirtschaftlichen und sozialen Interessen zu gründen und diesen beizutreten.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the Iranian authorities to release Ismail Abdi immediately and unconditionally and drop all charges against him as he is a prisoner of conscience held solely for his peaceful trade union activities.

  • Urging them to ensure that he is granted regular access to an independent lawyer of his own choosing.

  • Reminding them that Iran has ratified the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, which recognizes the right of everyone to form and join trade unions of their choice for the promotion and protection of their economic and social interests.

Sachlage

Ismail (Esmail) Abdi wurde am 27. Juni festgenommen, nachdem er das Büro der Staatsanwaltschaft aufgesucht hatte, um Auskunft über sein Reiseverbot zu erhalten. Ihm war die Ausreise nach Armenien verweigert worden, wo er ein Visum für Kanada beantragen wollte, um am 7. Weltkongress der Bildungsinternationale in Ottawa teilzunehmen. Ismail Abdi wurde in den Trakt 2A des Evin-Gefängnisses verlegt, der von der Geheimdiensteinheit der Iranischen Revolutionsgarden geleitet wird. Er wurde mindestens 17 Tage ohne Zugang zu seinem Rechtsbeistand oder seiner Familie verhört. Die Behörden haben Ismail Abdi das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand offenbar auf Grundlage einer besonderen Bestimmung in der neuen Strafprozessordnung verwehrt. Demnach kann Personen, denen Vergehen im Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit vorgeworfen werden, während der Ermittlungsphase der Zugang zu einem Rechtsbeistand verweigert werden, mit Ausnahme einiger von der Obersten Justizautorität des Landes zugelassenen Rechtsbeistände.

Ismail Abdi gab an, dass die Vernehmungsbeamt_innen ihn des "Organisierens von und der Teilnahme an illegalen Versammlungen" beschuldigt haben. Bei den "Versammlungen" handelt es sich um eine Reihe friedlicher Demonstrationen, die in den vergangenen Monaten von Lehrer_innen und Mitgliedern der ITTA als Ausdruck ihres Protests gegen schlechte Bezahlung und den niedrigen Bildungsetat sowie gegen die Inhaftierungen von Lehrer_innen, die Gewerkschaftsmitglieder sind, veranstaltet wurden. Die ITTA ist im Iran eine rechtlich anerkannte Organisation.

Sollte Ismail Abdi am Ende des gegen ihn eröffneten Prozesses verurteilt werden, drohen ihm mehr als zehn Jahre Haft. Er war bereits 2010 einmal festgenommen und im Zusammenhang mit seinen Gewerkschaftsaktivitäten zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt worden, die allerdings zur Bewährung ausgesetzt wurde und nun vollstreckt werden könnte.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Vor seiner Festnahme am 27. Juni hatten Angehörige des Geheimdienstes Ismail Abdi bereits einige Mal zu Befragungen vorgeladen. Zudem hatten sie ihn dazu gedrängt, sein Amt als Vorsitzender der iranischen Lehrergewerkschaft (ITTA) aufzugeben und landesweite Proteste abzusagen, die die ITTA mitorganisiert hatte. Während dieser Befragungen, in denen Ismail Abdi Beleidigungen und Beschimpfungen ausgesetzt war, warnten ihn die Angehörigen des Geheimdienstes zudem davor, sich mit anderen internationalen Gewerkschaften von Lehrer_innen zusammenzuschließen und teilten ihm mit, dass er mit seiner Teilnahme an internationalen Veranstaltungen eine "rote Linie" überschreite.

Einen Tag nach dem nationalen Tag der Lehrer_innen im Iran am 3. Mai 2015 und vier Tage vor geplanten landesweiten Protesten, luden Angehörige des Geheimdienstes den Gewerkschafter vor und drohten, dass eine zur Bewährung ausgesetzte zehnjährige Haftstrafe aus dem Jahr 2010 sofort vollstreckt werden würde, sollte er bei Facebook in einer offiziellen Stellungnahme nicht verkünden, seinen Posten als Vorsitzender der ITTA aufzugeben und an keinen anstehenden Demonstrationen teilzunehmen. Ismail Abdi gab dies unter großem Druck bekannt, doch die ITTA akzeptierte den Rücktritt nicht. Die Demonstration fand ebenfalls wie geplant statt. Tausende Lehrer_innen versammelten sich vor dem Parlament in Teheran und vor den Büros des Bildungsministeriums in verschiedenen Städten im Iran.

Ismail Abdi war 2010 festgenommen und wegen "Versammlung und Verschwörung gegen den Staat" und "Teilnahme an illegalen Gewerkschaftstreffen" für schuldig befunden worden. Die Haftstrafe wurde jedoch zur Bewährung ausgesetzt.

Am 22. Juli wollten sich Tausende Lehrer_innen vor dem Parlament in Teheran versammeln, um gegen Drangsalierungen und Verstöße gegen Lehrer_innen in Gewerkschaften zu protestieren und die Freilassung von Ismail Abdi zu fordern. Sicherheitskräfte, die seit dem frühen Morgen um das Parlament herum positioniert waren, lösten die Versammlung allerdings auf und nahmen zahlreiche Protestierende fest. Laut einer Meldung des iranischen Bildungs- und Entwicklungsministers vom 27. Juli wurden inzwischen alle festgenommenen Lehrer_innen wieder freigelassen.

Derzeit verbüßen im Iran mindestens vier Lehrer_innen aufgrund legaler Gewerkschaftsaktivitäten Haftstrafen, unter ihnen Sayed Mohammad Bagheri, Ali Akbar Baghani, Alireza Hashemi und Rasoul Bodaghi (weitere Informationen dazu: UA 130/2010, https://www.amnesty.de/urgent-action/ua-130-2010-4/sorge-um-gesundheit).

Der Iran ist Vertragsstaat des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte. Darin heißt es in Artikel 22 (1): "Jedermann hat das Recht, sich frei mit anderen zusammenzuschließen sowie zum Schutz seiner Interessen Gewerkschaften zu bilden und ihnen beizutreten." Außerdem ist der Iran Vertragsstaat des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Artikel 8 dieses Paktes garantiert sowohl "das Recht eines jeden, zur Förderung und zum Schutz seiner wirtschaftlichen und sozialen Interessen Gewerkschaften zu bilden oder einer Gewerkschaft eigener Wahl allein nach Maßgabe ihrer Vorschriften beizutreten" sowie "das Recht der Gewerkschaften, sich frei zu betätigen, wobei nur solche Einschränkungen zulässig sind, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer erforderlich sind".

Obwohl die Rechte auf Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit in den Artikel 26 und 27 der iranischen Verfassung anerkannt sind, werden sie durch religiöse Bedingungen eingeschränkt, wie beispielsweise durch die Forderung, dass öffentliche Versammlungen "grundlegende islamische Prinzipien nicht verletzen" dürften.