Foltervorwürfe

Thailand, Landkarte

Thailand

Die Entscheidung der thailändischen Staatsanwaltschaft, ob sie Anklage gegen drei Menschenrechtler_innen wegen mutmaßlicher Diffamierung und Computerkriminalität erheben wird, steht kurz bevor. Die Vorwürfe stehen im Zusammenhang mit Online-Berichten über Folter in Thailand. Die Angeklagten müssen mit bis zu sieben Jahren Haft und einer Geldstrafen von bis zu 300.000 Baht (etwa 7.500 Euro) rechnen. Sie müssen am 21. Februar auf der Polizeiwache von Pattani vorstellig werden.

Appell an

STELLVERTRETENDER GENERALKOMMISSAR Sakron Thongmunee Provincial Police Region 9, Lomg Praram Rd, Bo Yang Mueang Songkhla, Songkhla, 90000, THAILAND (Anrede: Dear Deputy Commissioner General / Sehr geehrter Herr stellv. Generalkommissar) Fax: (00 66) 7 431 2005 oder (00 66) 7 431 2819

STAATSANWALT DER PROVINZ PATTANI Soontom Saengkunakup

Office of Provincial Public Prosecution Pattani, Nhong Jik, Sabarung, Mueang Pattani, 94000, THAILAND (Anrede: Dear Provincial Chief Public Prosecutor / Sehr geehrter Herr Staatsanwalt) Fax: (00 66) 7 333 2042 E-Mail: ptani@ago.go.th

Sende eine Kopie an

KOMMANDANT DER 4. ARMEEREGION Lt. Gen. Piyawat Nakwanich Sirinthon Army Camp, Yarang district Pattani Province, 94160 THAILAND Fax: (00 66) 7 326 2583 E-Mail: isoc4hr@gmail.com

 

BOTSCHAFT DES KÖNIGREICHS THAILAND S. E. Herrn Dr. Dhiravat Bhumichitr Lepsiusstr. 64-66 12163 Berlin Fax: 030-7948 1511 oder 030-7948 1251 E-Mail: general@thaiembassy.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Thailändisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 30. März 2017 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Beenden Sie die strafrechtliche Verfolgung von Somchai Homla-or, Pornpen Khonkachonkiet und Anchana Heemmina.

  • Lassen Sie die Anklagen gegen Somchai Homla-or, Pornpen Khongkachonkiet und Anchana Heemina bitte umgehend und bedingungslos fallen.

  • Bitte ändern Sie die Gesetze über Diffamierung dahingehend ab, dass keine strafrechtlichen Sanktionen verhängt werden können.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Not prosecute Somchai Homla-or, Pornpen Khongkachonkiet and Anchana Heemmina.

  • Withdraw its complaints of criminal defamation and computer crimes against Somchai Homla-or, Pornpen Khongkachonkiet and Anchana Heemmina.

  • Amend the Penal Code to remove criminal penalties for defamation.

Sachlage

Die Staatsanwaltschaft steht kurz vor der Entscheidung, ob der Aktivist Somchai Homla-or und die Aktivistinnen Pornpen Khongkachonkiet und Anchana Heemmina wegen mutmaßlicher Diffamierung und Computerkriminalität angeklagt werden. Sie hatten Berichte in Form von Online-Publikationen veröffentlicht, nach denen die thailändische Armee und die Polizei in den südlichen Grenzprovinzen Personen gefoltert haben soll. Am 21. Februar müssen die Aktivist_innen auf der Polizeiwache von Pattani vorstellig werden. Die Beamt_innen wiesen den Antrag der Gruppe zurück, weitere gewünschte Zeug_innen vorzuladen. Die Untersuchungen sind laut der Polizei abgeschlossen. Es wird erwartet, dass die Polizei die Beschuldigten zur Staatsanwaltschaft bringen und empfehlen wird, Anklage zu erheben.

Der Aktivist Somchai Homla-or und die Aktivistinnen Pornpen Khongkachonkiet und Anchana Heemmina gehören den Nichtregierungsorganisationen Cross Cultural Foundation und Duay Jai (Hearty Support) Group an. Im Januar 2016 legten diese Organisationen dem Kommando für Operationen der inneren Sicherheit in der Region 4 (Internal Security Operations Command – ISOC Region 4) der thailändischen Streitkräfte, zuständig für Sicherheitseinsätze in den südlichen Grenzprovinzen, einen Bericht über 54 Fälle mutmaßlicher Folter vor. Der Bericht wurde im Februar 2016 online gestellt. Am 17. Mai 2016 erhob ein Offizier des Kommandos für Operationen der inneren Sicherheit in der Region 4 (ISOC Region 4) Anzeige gegen die drei Aktivist_innen wegen Diffamierung und Verstoß gegen das Computerkriminalitätsgesetz B.E. 2550 (2007). Das ISOC-Kommando gab an, dass die Vorwürfe rufschädigend seien und dass die Aktivist_innen nicht mit den Behörden zusammengearbeitet hätten, um weitere Informationen bezüglich der in dem Bericht aufgezeigten Fälle bereitzustellen.

Cross Cultural Foundation und Duay Jai Group sind nichtstaatliche Organisationen, die in den südlichen Grenzprovinzen Thailands vertreten sind. In diesen Teilen des Landes wurden Personen von Armeeangehörigen im Rahmen von Einsätzen zur Aufstandsbekämpfungen systematisch gefoltert. Personen, die sich ohne Anklage oder Gerichtsverfahren und unter Notstandsgesetzen in Haft befinden, sind in besonderer Gefahr, gefoltert und anderweitig misshandelt zu werden.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Unmittelbar nachdem die Duay Jai Group und die Cross Cultural Foundation gemeinsam mit der Patani Human Rights Organization im Februar ihren Bericht mit dem Titel "Folter und Misshandlung im tiefen Süden, dokumentiert in den Jahren 2014-2015" im Februar 2016 veröffentlichten, wurden sie von einem Armeesprecher beschuldigt, die Foltervorwürfe konstruiert zu haben, um ausländische Gelder zu erhalten. Der Sprecher stellte die Legitimität ihrer Untersuchung zu offiziellen Aktivitäten infrage und warnte, dass sie sich der Diffamierung schuldig machen könnten.

Somchai Homla-or ist der leitende Berater und ehemalige Vorsitzende von Cross Cultural Foundation, einer Organisation, die Missbrauch in der Justizverwaltung dokumentiert und auf konsequenten Schadensersatz klagt. Pornpen Khongkachonkiet ist Direktorin der Cross Cultural Foundation und Vorstandsvorsitzende von Amnesty International in Thailand. Anchana Heemmina ist eine ehemalige Geschäftsfrau und nun Direktorin der Duay Jai Group. Sie gründete die Organisation, um rechtliche Unterstützung für die Familien von Personen bereitzustellen, die in den südlichen Grenzprovinzen wegen mutmaßlicher Straftaten gegen die öffentliche Sicherheit unter Verdacht stehen.

Dies ist bereits das zweite Mal, dass die thailändische Armee wegen der Menschenrechtsarbeit von Somchai Homla-or und Pornpen Khongkachonkiet Diffamierungsvorwürfe gegen sie erhoben hat. Beide waren im August 2014 von der Polizei vorgeladen worden, nachdem die Streitkräfte wegen Rufschädigung des Militärs Anzeige gegen sie erstattet hatten. Man warf ihnen vor, vorsätzlich die Wahrheit verzerrt und falsche Nachrichten veröffentlicht zu haben, weil sie Ende April 2014 in einem offenen Brief die strafrechtliche Untersuchung von Foltervorwürfen gefordert hatten. Im September 2015 wurden diese Anklagen fallengelassen, nachdem die Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren ablehnte.

Die drei Aktivist_innen wurden seit Juli 2016 zweimal dazu aufgefordert, in der Polizeistelle von Pattani Muang vorstellig zu werden, um ihnen Informationen zu den Diffamierungsvorwürfen gegen sie mitzuteilen. Ihr nächster Termin steht am 21. Februar an.

Eine steigende Anzahl von Menschenrechtsverteidiger_innen in Thailand werden mit strafrechtlichen Verleumdungsklagen wegen ihrer legitimen Arbeit und ihren Schadensersatzforderungen für Überlebende von Folter überzogen. Die Behörden weisen die Foltervorwürfe immer wieder zurück und erklären, damit solle ihre Arbeit diskreditiert werden oder die Personen, die solche Vorwürfe erheben, würden sich damit einen persönlichen Vorteil verschaffen. Im September 2016 sagte Amnesty International eine geplante Pressekonferenz zum Bericht über Folter ab, nachdem die Behörden damit gedroht hatten, Sprecher der Veranstaltung festzunehmen, sollte die Pressekonferenz stattfinden.

Das Einsetzen strafrechtlicher Verleumdungsklagen verstößt gegen die Verpflichtung Thailands zur Gewährleistung des Rechts auf freie Meinungsäußerung, wie es im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte festgeschrieben ist. Thailand ist Vertragsstaat des Paktes. Der UN-Menschenrechtsausschuss fordert Staaten seit Längerem auf, den Tatbestand der Diffamierung nicht strafrechtlich zu verfolgen und bekräftigte, dass nationale Verleumdungsgesetze mit Sorgfalt gestaltet werden müssen, um internationalen Menschenrechtsverpflichtungen gerecht zu werden und das Recht auf Meinungsfreiheit in der Praxis nicht einzuschränken. In Verleumdungsfällen sollte es Angeklagten möglich sein, das öffentliche Interesse als Verteidigung anzuführen, und Staaten sollten darauf achten, exzessive Strafmaßnahmen zu vermeiden.