183 Todesurteile

Für eine Welt ohne Todesstrafe

Für eine Welt ohne Todesstrafe

Ein ägyptisches Gericht hat am 21. Juni in einem höchst unfairen Verfahren 183 Menschen zum Tode verurteilt. Unter den Verurteilten befindet sich auch Mohamed Badie, der inhaftierte Vorsitzende der Muslimbruderschaft.

Appell an

JUSTIZMINISTER
Mahfouz Saber
Ministry of Justice
Cairo, ÄGYPTEN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 202) 2 7958103
E-Mail: mojeb@idsc.gov.eg

PRÄSIDENT
Abdel Fattah al-Sisi
Office of the President
Al Ittihadia Palace
Cairo, ÄGYPTEN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 202) 2 391 1441

Sende eine Kopie an

STAATSANWALT
Hesham Mohamed Zaki Barakat
Office of the Public Prosecutor
Supreme Court House, 1 "26 July" Road
Cairo, ÄGYPTEN
Fax: (00 202) 2 577 4716 oder
(00 202) 2 575 7165
(Bürozeiten beachten, MEZ+1)

BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK ÄGYPTEN
S. E. Herrn Mohamed Abdelhamid Ibrahim Higazy
Stauffenbergstraße 6-7
10785 Berlin
Fax: 030-477 1049
E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 5. August 2014 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE, E-MAILS UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte treten Sie dafür ein, dass die am 21. Juni verhängten 183 Todesurteile und fünf Haftstrafen aufgehoben werden. Ordnen Sie bitte ein Wiederaufnahmeverfahren für alle Verurteilten an, in dem nicht auf die Todesstrafe zurückgegriffen wird.

  • Verfügen Sie ein Hinrichtungsmoratorium als ersten Schritt hin zur vollständigen Abschaffung der Todesstrafe.

Sachlage

Das Strafgericht in Minya verurteilte die Angeklagten auf Grundlage ihrer mutmaßlichen Teilnahme an einem tödlichen Anschlag auf eine Polizeistation im Dorf al-Adwa im August letzten Jahres. Die Richtersprüche vom 21. Juni ergingen infolge eines höchst unfairen Verfahrens vom 25. März. Damals wurden innerhalb weniger Stunden mehr als 50 Zeug_innen und 74 Angeklagte ohne Beisein ihrer Rechtsbeistände befragt.

Ein Prozessbeobachter von Amnesty International hat berichtet, dass die Angeklagten und ihre Familien an der gerichtlichen Anhörung vom 21. Juni nicht teilnehmen durften, und dass sehr viele Sicherheitskräfte anwesend waren. Das Gericht verurteilte 183 Männer zum Tode und verhängte gegen einen von ihnen noch zusätzlich eine 15 jährige Freiheitsstrafe. Vier weitere Männer wurden zu Haftstrafen verurteilt. Die übrigen 496 Mitangeklagten wurden freigesprochen.

Nach ägyptischem Recht muss ein Strafgericht vor der Verhängung eines Todesurteils die wichtigste islamische Institution, den Großmufti, um Rat fragen. Das Gericht hatte dem Großmufti die Fälle aller 683 Angeklagten am 28. April vorgelegt. Aus der Urteilsverkündung am 21. Juni ging nicht hervor, weshalb das Gericht einige der Angeklagten zum Tode und andere zu Haftstrafen verurteilte.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die Staatsanwaltschaft klagte alle 683 Personen wegen "Mordes", "versuchten Mordes", "Brandstiftung in der Polizeiwache von al-Adwa", "Mitgliedschaft in einer verbotenen Gruppierung" und "Teilnahme an einer Versammlung von mehr als fünf Personen mit dem Ziel, die vorgenannten Straftaten zu begehen" an.

Unterstützer_innen des abgesetzten Präsidenten Mursi gingen am 14. August 2013 in ganz Ägypten auf die Straße, nachdem die Sicherheitskräfte Pro-Mursi-Sitzstreiks im Bezirk Rabaa al-Adawiya von Nasr City und auf dem al Nahda-Platz in Gizeh mit Gewalt aufgelöst hatten. In den darauffolgenden Tagen starben mehrere hundert Menschen, als die Sicherheitskräfte exzessive Gewalt einsetzten, um Proteste aufzulösen. Danach griffen einige Anhänger_innen von Mohammed Mursi Regierungsgebäude, Polizeiwachen und Sicherheitskräfte an. Bei einigen dieser Angriffe wurden Polizist_innen verschleppt, geschlagen oder sogar getötet.

Am selben Tag kam es zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstrierenden, die sich im Dorf al Adwa im Gouvernement Minya versammelt hatten. Einige der Demonstrierenden marschierten anschließend zur Polizeistation, wo weitere Gewalttaten zum Tod eines Polizeibeamten und des Sohnes eines freiwilligen Polizisten führten. Ein Strafverteidiger gab gegenüber Amnesty International an, dass die Sicherheitskräfte daraufhin alle bei den Zusammenstößen Anwesenden inhaftierten.

Das Strafgericht in Minya sprach sich am 28. April dafür aus, alle 683 Angeklagten zum Tode zu verurteilen. Das Urteil wurde in einem unfairen Massenverfahren gefällt, dem zweiten innerhalb von fünf Wochen. Das Gericht sprach am selben Tag in einem anderen Fall Todesurteile gegen weitere 37 Personen aus und verurteilte 491 Personen zu einer lebenslangen Haftstrafe. Im März hatte das Gericht ursprünglich die Empfehlung ausgesprochen, alle 528 Personen zum Tode zu verurteilen (siehe UA 075/2014, https://www.amnesty.de/urgent-action/ua-075-2014/528-todesurteile).

Es ist nicht bekannt, welche Beweismittel der Staatsanwaltschaft den inhaftierten Vorsitzenden der Muslimbruderschaft mit den Ausschreitungen in al-Adwa in Verbindung bringen. Laut dem ägyptischen Innenministerium war Mohamed Badie am 20. August 2013 in Nasr City festgenommen worden. Er steht wegen einer Reihe von Fällen, die mit politischen Gewalttaten in Zusammenhang stehen, vor Gericht. Die Muslimbruderschaft, der Mohammed Mursi vor seinem Amtsantritt angehörte und der er weiterhin sehr nahesteht, ist verboten und von der Regierung als "terroristische Organisation" eingestuft worden.

Am 19. Juni sprach sich das Strafgericht in Gizeh für die Verhängung der Todesstrafe gegen 14 hochrangige Mitglieder der Muslimbruderschaft aus. Bei ihnen handelt es sich um Mohamed Badie, Safwat Hegazi, Mohamed El Beltagi, Assem Abdel-Maged (Mitglied der Gruppe Gamaa Islamiya), Essam El-Erian (Vizepräsident der Freiheits- und Gerechtigkeitspartei der Muslimbruderschaft), Bassem Ouda (Versorgungsminister unter Mohammed Mursi) sowie acht weitere Männer. Die Fälle sind an den Großmufti weitergeleitet worden und das Urteil wird für den 3. August erwartet.

Nach ägyptischem Recht muss der Großmufti bei allen Todesurteilen, die von Strafgerichten verhängt werden, konsultiert werden. Die Meinung des Großmuftis ist allerdings nicht rechtsverbindlich für das Gericht. Die Verurteilten können beim Kassationsgericht, dem obersten Gericht Ägyptens, Rechtsmittel einlegen. Die gesetzlichen Vorschriften in Ägypten erlauben Personen, die in Abwesenheit verurteilt wurden, zudem das Recht auf ein Wiederaufnahmeverfahren.

Seit dem 16. Juni sind in Ägypten sechs Männer und eine Frau erhängt worden. Sie waren wegen Mordes bzw. gewaltsamen Raubüberfalls verurteilt worden. Amnesty International vorliegenden Informationen zufolge sind dies die ersten Hinrichtungen in Ägypten seit Oktober 2011. Amnesty International wendet sich unter allen Umständen bedingungslos gegen die Todesstrafe.