Hungerstreik beendet

Turkmenistan

Turkmenistan

Am 8. Juni hat Mansur Mingelov seinen beinahe dreiwöchigen Hungerstreik beendet. Zuvor hatten ihn Berichten zufolge einige turkmenische Beamt_innen im Gefängnis besucht. Zudem hat sich seine Behandlung durch die Gefängnisbehörden verbessert. Dennoch gibt es keine offiziellen Hinweise darauf, dass es in seinem Fall zu einem Wiederaufnahmeverfahren kommen wird, das den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entspricht.

Appell an

GENERALSTAATSANWALT
Amanmyrat Khallyyev
Ul. 2005 (Seidi) 4, 744000 Ashgabat, TURKMENISTAN
(Anrede: Dear Prosecutor General / Sehr geehrter Herr Generalstaatsanwalt)

PRÄSIDENT
Gurbanguly Berdymukhamedov
Presidential Palace,
744000 Ashgabat, TURKMENISTAN
(Anrede: Dear President / Sehr geehrter Herr Präsident)
Fax: (00 993) 12 93 51 12
(bitte faxen Sie zwischen 11.00 und 16.00 Uhr MEZ)

Sende eine Kopie an

INNENMINISTER
Isgender Mulikov
Ul. 2033 (pr. Mahtumkuli) 85
744000 Ashgabat, TURKMENISTAN
Fax: (00 993) 12 39 1944 (bitte faxen Sie zwischen 11.00 und 16.00 Uhr MEZ)

BOTSCHAFT VON TURKMENISTAN
Herr Annamammet Annayev
Geschäftsträger a.i., Botschaftsrat
Langobardenallee 14, 14052 Berlin
Fax: 030-3010 2453
E-Mail: info@botschaft-turkmenistan.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Turkmenisch, Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 25. Juli 2014 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich bitte Sie eindringlich, ein sofortiges Wiederaufnahmeverfahren für Mansur Mingelov zu veranlassen, das den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entspricht. Hierzu zählt auch der Zugang zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl.

  • Leiten Sie bitte unverzüglich eine unparteiische und wirksame Untersuchung aller durch Mansur Mingelov vorgebrachten Foltervorwürfe ein, identifizieren Sie alle für Folter oder Misshandlung Verantwortlichen und stellen Sie sie vor Gericht.

  • Bitte gewährleisten Sie die Sicherheit von Mansur Mingelov sowie seinen Angehörigen und allen Personen, die mit ihm in Verbindung stehen.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the authorities to instigate a prompt retrial of Mansur Mingelov in line with international fair trial standards, including allowing him access to a lawyer of his choice.

  • Urging the authorities to initiate a prompt, impartial and effective investigation into all allegations of torture and other ill-treatment reported by Mansur Mingelov, and identify the perpetrators and bring them to justice.

  • Calling on them to ensure safety of Mansur Mingelov as well as safety of members of his family and anyone associated with him.

Sachlage

Aus Protest gegen seine 22-jährige Haftstrafe, zu der er aufgrund mutmaßlicher Drogendelikte und Straftaten im Zusammenhang mit Pornografie in einem unfairen Verfahren verurteilt worden war, befand sich Mansur Mingelov seit dem 19. Mai im Hungerstreik. Am 8. Juni begann er, wieder flüssige Nahrung zu sich zu nehmen. Er befindet sich weiterhin in einem Gefängniskrankenhaus, wo er intravenös ernährt wird. Einer vertraulichen Quelle zufolge hat er aufgrund mehrerer Besuche durch Beamt_innen zu essen begonnen. Über den Inhalt ihrer Gespräche ist jedoch nichts bekannt. Berichten zufolge hat sich die Behandlung Mansur Mingelovs durch die Gefängnisbehörden verändert. Die Behördenmitarbeiter_innen sind ihm gegenüber jetzt höflich und erkundigen sich regelmäßig nach seinem Befinden. Am 19. Mai hatte er der Leitung des Gefängnisses LBK/11 in Seidi in der Provinz Lebap im Osten Turkmenistans schriftlich mitgeteilt, dass er in den Hungerstreik treten werde. Seine Mutter besuchte ihn am 10. Juni.

Einer vertraulichen Quelle zufolge weist Mansur Mingelov alle Vorwürfe von sich und beteuert seine Unschuld. Er ist im Gefängnis zunehmendem Druck ausgesetzt, seitdem er öffentlich sein unfaires Verfahren und seine mögliche Verlegung in das Hochsicherheitsgefängnis Ovadan-Depe, die den Bedingungen seines Urteils widersprechen würde, angeprangert hat. Die Gefängnisbehörden drohten ihm damit, Familienbesuche zu verbieten und die Größe von Paketen einzuschränken, die er erhalten darf.

Mansur Mingelov wurde am 6. Juni 2012 in Verbindung mit einer Strafsache, die seinen Bruder betraf, festgenommen. Sein Bruder war einen Tag zuvor festgenommen worden. Mansur Mingelov soll am Tag seiner Festnahme von Angehörigen des Staatsdienstes für die Sicherheit und den Schutz einer gesunden turkmenischen Gesellschaft geschlagen worden sein. Er wurde zudem Zeuge, wie sein Bruder während des Verhörs von Sicherheitskräften geschlagen wurde. Mansur Mingelov kam aus der Haft frei, wurde später jedoch erneut festgenommen, nachdem er Fälle von Folter und anderweitigen Misshandlungen von Personen in Untersuchungshaft aufgedeckt hatte. Am 10. September 2012 wurde er in einem unfairen Gerichtsverfahren verurteilt.

Amnesty International hat in Turkmenistan Fälle dokumentiert, in denen Personen, die Menschenrechtsverletzungen erlitten hatten, und diejenigen, die mit ihnen in Verbindung standen, darunter auch Familienangehörige, Opfer von Schikane und Vergeltungsmaßnahmen wurden, nachdem ihre Fälle internationale Bekanntheit erlangten. Es wird befürchtet, dass nicht nur gegen Mansur Mingelov, sondern auch gegen seine nahen und entfernten Verwandten Vergeltungsmaßnahmen ergriffen werden könnten.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Mansur Mingelov wurde am 10. September 2012 in einem unfairen Verfahren verurteilt, weil er Minderjährige in "unangemessene Handlungen" involviert, pornografisches Material hergestellt und verteilt sowie Drogen geschmuggelt, hergestellt oder vertrieben haben soll (Paragrafen 156, 164, 254 und 292 des turkmenischen Strafgesetzbuchs). Vertraulichen Quellen zufolge soll Mansur Mingelov angegeben haben, den ihm von staatlicher Seite zugewiesenen Rechtsbeistand nur zweimal getroffen zu haben – nach ihrem ersten Treffen erst wieder bei der Gerichtsverhandlung. Während seiner Untersuchungshaft und im Laufe des Prozesses durfte Mansur Mingelov weder seine Familienangehörigen anrufen noch den Rechtsbeistand wechseln. Nach seiner Festnahme wurde er gegen seinen Willen für 15 Tage in ein Drogenrehabilitationszentrum verlegt. Am 22. Juni 2012 wurde er entlassen und legte bei der Generalstaatsanwaltschaft und dem turkmenischen Präsidenten Beschwerde gegen die Folter und Misshandlung seines Bruders ein. Dies führte zur Entlassung zweier Polizeibeamt_innen. Zwischen dem 25. Juni und dem 2. August 2012 – als er erneut festgenommen wurde – sammelte Mansur Mingelov Beweise dafür, dass auch andere Personen gefoltert und misshandelt wurden. Bei den meisten der mutmaßlichen Opfer handelt es sich um Belutschen aus der Provinz Mary welaýaty im Südosten Turkmenistans.

Mansur Mingelov hat bisher elf Fälle von Folter und anderer Misshandlung dokumentiert, die Angehörige der Gemeinschaft der ethnischen Belutschen in der Provinz Mary welaýaty betreffen. Die Informationen zu den Fällen brannte er auf CDs und schickte diese an die US-amerikanische Botschaft in der turkmenischen Hauptstadt Aşgabat sowie an die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und die Generalstaatsanwaltschaft. Mansur Mingelov zufolge erheben die Betroffenen unter anderem folgende Anschuldigungen gegen Angehörige der Sicherheitskräfte: Folter oder andere Misshandlung durch Verletzen der Knochen mit einem Meißel, Ziehen des Hodensacks mit einer Kneifzange, Elektroschocks sowie Schläge unter Einsatz von Stuhlbeinen und Plastikflaschen. Mansur Mingelov berichtet zudem, beim Staatsdienst für die Sicherheit und den Schutz einer gesunden turkmenischen Gesellschaft in Aşgabat einen Kasten mit Werkzeug gesehen zu haben, das speziell für Folterungen vorgesehen ist.

Einige turkmenische Menschenrechtsverteidiger_innen und Journalist_innen im Exil haben angegeben, dass Folter und Misshandlung in Turkmenistan ein sehr großes Problem ist. Es herrscht jedoch ein Klima der Angst, sodass kaum jemand Fälle von Folter oder Misshandlungen in Haft anzeigt oder nach der Entlassung aus dem Gefängnis darüber spricht. Diejenigen, die dies doch tun, sind ebenso wie ihre nahen und entfernten Verwandten Vergeltungsmaßnahmen durch die Behörden ausgesetzt. Amnesty International hat Fälle dokumentiert, in denen Personen, die solche Menschenrechtsverletzungen in Turkmenistan öffentlich machten, schikaniert und verfolgt wurden. Weitere Informationen finden Sie in dem englischsprachigen Bericht Turkmenistan: An "Era of Happiness" or more of the same repression? von Amnesty International (EUR 61/005/2013), online unter http://amnesty.org/en/library/info/EUR61/005/2013/en.

Soweit bekannt, wurde in Turkmenistan noch nie jemand für den Straftatbestand der Folter strafrechtlich verfolgt. Auch gab es noch nie einen Fall, in dem durch Folter oder andere Misshandlung erlangte Beweise vor Gericht nicht zugelassen worden wären. Der UN-Ausschuss gegen Folter merkte in seinen abschließenden Beobachtungen zu Turkmenistan an, dass "das Fehlen umfassender und aufgeschlüsselter Daten zu Beschwerden, Untersuchungen, Strafverfolgungen und Verurteilungen in Fällen von Folter und Misshandlung durch Ordnungskräfte ein Erkennen möglicher Missbrauchsmuster, die beseitigt werden müssten, stark erschwert". Der Ausschuss empfahl daher den turkmenischen Behörden, klare statistische Daten zu sammeln und zu veröffentlichen.

Der UN-Ausschuss gegen Folter drückte in seinen abschließenden Beobachtungen vom Juni 2011 Besorgnis über Berichte aus, dass grundlegende Schutzmechanismen gegen Folter, wie beispielsweise das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand, unmittelbar nach der Festnahme nicht eingehalten werden.