Inhaftiert und gefoltert

Usbekistan

Usbekistan

Der usbekische Fischzüchter Aramais Avakian ist am 19. Februar in einem unfairen Gerichtsverfahren zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt worden, weil er "verfassungsfeindliche Aktivitäten geplant" haben soll. Er war seit dem 4. September 2015 inhaftiert und wurde in Haft gefoltert.

Appell an

GENERALSTAATSANWALT
Ihtior Abdullaev

Prosecutor General’s Office
ul. Gulyamova 66
Tashkent 100047
USBEKISTAN
(Anrede: Dear Prosecutor General / Sehr geehrter Herr Generalstaatsanwalt)
Fax: (00 998) 71 133 39 17
E-Mail: info@prokuratura.uz

INNENMINISTER
Adham Ahmedbaev
Ministry of Internal Affairs
ul. Junus Rajabiy 1
Tashkent 100029, USBEKISTAN
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 998) 71 233 89 34
E-Mail: info@mvd.uz

Sende eine Kopie an

VORSITZENDER DES NATIONALEN SICHERHEITSDIENSTES USBEKISTANS (SNB)
Rustam Inoyatov
Predsedatel Sluzhby Nacionalnoj bezopasnosti Respubliki Uzbekistan
Ulica Matbuotchilar 9
Tashkent
USBEKISTAN

BOTSCHAFT DER REPUBLIK USBEKISTAN
S. E. Herrn Durbek Amanov
Perleberger Str. 62
10559 Berlin
Fax: 030-3940 9862
E-Mail: botschaft@uzbekistan.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Usbekisch, Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 1. April 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte leiten Sie umgehend eine unparteiische und wirksame Untersuchung der Vorwürfe ein, laut denen Aramais Avakian gefoltert und anderweitig misshandelt wurde, und stellen Sie die Verantwortlichen vor Gericht.

  • Ich fordere Sie höflich auf, sicherzustellen, dass Aramais Avakian uneingeschränkten Zugang zu sämtlichen rechtlichen Schutzmechanismen, einschließlich des ungehinderten Zugangs zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl, und zu jeglicher erforderlicher medizinischer Behandlung erhält.

  • Bitte sorgen Sie dafür, dass das Rechtsmittelverfahren von Aramais Avakian internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren vollständig entspricht.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging the authorities to carry out a prompt, impartial and effective investigation into the allegations of torture and other ill-treatment of Aramais Avakian, and bring those responsible to justice.

  • Calling on them to ensure that Aramais Avakian has full access to all legal safeguards in detention, including unimpeded access to a lawyer of his choice, and any medical treatment he might require.

  • Urging the Uzbekistani authorities to ensure that Aramais Avakian’s appeal hearing is held in full conformity with international fair trial standards.

Sachlage

Der Fischzüchter Aramais Avakian ist am 19. Februar zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Die Anklagen lauteten auf die Planung verfassungsfeindlicher Aktivitäten, Sabotage, Herstellung oder Verbreitung von bedrohlichen Materialen, Mitgliedschaft in einer extremistischen religiösen Organisation und Diebstahl (jeweils Paragrafen 159, 161, 244 und 169 des usbekischen Strafgesetzbuchs). Aramais Avakian bestreitet alle Vorwürfe. Die letzte Anhörung vor dem regionalen Strafgericht in Dzhizakh im Nordosten Usbekistans dauerte nur gut eine Stunde. Aramais Avakians Ehefrau wurde der Zutritt zum Gerichtssaal verweigert, und Amnesty International vorliegenden Informationen zufolge wurde seinem Rechtsbeistand drei Tage vor der Anhörung die Anwaltslizenz entzogen. Ein Familienangehöriger eines Zeugen der Staatsanwaltschaft gab an, der Zeuge sei geschlagen und dazu gedrängt worden, den Angeklagten zu belasten. Aramais Avakian will gegen das Urteil Rechtsmittel einzulegen.

Am 4. September 2015 kehrten Aramais Avakian und vier seiner Freunde nicht nach Hause zurück und ihre Angehörigen meldeten sie als vermisst. Am 5. September 2015 erhielten Verwandte von zwei der Männer Textnachrichten von unbekannten Mobiltelefonnummern aus Kasachstan, in denen es hieß, sie seien fortgegangen, um in den "Dschihad" zu ziehen. Vierzig Tage später informierten die Behörden die Angehörigen der fünf Männer darüber, dass diese sich seit dem 4. September in Haft befänden. Nach Ansicht der Angehörigen ist es dadurch unwahrscheinlich, dass die Textnachrichten von den Männern verschickt wurden. Menschenrechtsverteidiger_innen vor Ort fanden heraus, dass maskierte Mitarbeiter_innen des nationalen Sicherheitsdienstes (SNB) das Auto, in dem Aramais Avakian und seine Freunde unterwegs waren, anhielten, sie zum Aussteigen zwangen, ihnen Kapuzen überstülpten und sie in die Hafteinrichtung des SNB in der Hauptstadt Taschkent brachten, wo die Männer ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten und gefoltert wurden, um sie zum Unterzeichnen von "Geständnissen" zu zwingen. Später wurden sie in die Untersuchungshaftanstalt in Dzhizakh verlegt, wo sie sich derzeit in Haft befinden. Während der Anhörung am 2. Februar 2016 gestanden alle Angeklagten, außer Aramais Avakian, die Straftaten, die ihnen vorgeworfen wurden, und baten um Vergebung.

Seit seinem Verschwinden am 4. September 2015 sah Aramais Avakians Familie ihn erstmals bei einer Anhörung am 6. Januar 2016 wieder. Er hatte Verletzungen an den Händen, hatte sichtlich stark abgenommen und konnte kaum stehen. In den Gerichtssaal wurde er auf einer Bahre getragen. Medienberichte zitierten eine Quelle aus den Reihen der Strafverfolgungsbehörden, die erklärte, Aramais Avakian habe sich das Bein gebrochen, als er "von seinem Stuhl gefallen" sei. Aramais Avakian nahestehenden Quellen zufolge hat er zudem Elektroschocks erhalten.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Aramais Avakian gehört eine Fischfarm in Dzhizakh. Seine Angehörigen und Freund_innen glauben, dass die lokalen Behörden seine Fischfarm, die er zu einem erfolgreichen Unternehmen gemacht hat, übernehmen möchten und ihn deshalb strafrechtlich verfolgen.

Die abschließende Anhörung war ursprünglich für den 18. Februar 2016 angesetzt, doch nachdem sie mehrere Stunden vor dem Gerichtsgebäude gewartet hatten, teilte man den Familienangehörigen mit, dass der Gerichtstermin auf den nächsten Tag verschoben wurde. Am 19. Februar fand sich Aramais Avakians Ehefrau um neun Uhr früh am Gerichtsgebäude ein. Man sagte ihr, die Anhörung habe noch nicht begonnen und sie könne das Gebäude nicht vor zehn Uhr betreten. Nachdem sie um zehn Uhr die erste Sicherheitskontrolle passiert hatte, wurde ihr jedoch mitgeteilt, dass die Anhörung bereits um neun Uhr begonnen habe und dass sie ihr nicht beiwohnen dürfe.

Folter ist ein Grundmerkmal des usbekischen Strafrechtssystems. Sie ist ein zentrales Mittel der usbekischen Behörden, mit Kritiker_innen umzugehen, um tatsächliche oder vermeintliche Gefahren für die Sicherheit auszuschließen und um politische Gegner_innen zu unterdrücken. Die Sicherheitskräfte foltern Männer und Frauen, die wegen Straftaten wie Diebstahl und Mord angeklagt werden, sowie Personen, die bei den Behörden in Ungnade gefallen sind, darunter ehemalige Beamt_innen, Polizist_innen und Unternehmer_innen. In den vergangenen 15 Jahren sind jedoch zunehmend Männer und Frauen, die wegen staatsgefährdenden oder terroristischen Straftaten angeklagt oder verurteilt wurden, Opfer von Folter oder anderweitigen Misshandlungen geworden.

Zu den Folter- und Misshandlungsmethoden, von denen ehemalige Häftlinge, darunter freigelassene Menschenrechtsverteidiger_innen, berichten, zählen das Schlagen der Gefangenen mit Schlagstöcken, Eisenstangen und mit Wasser gefüllten Flaschen, während sie mit Handschellen an Heizkörper gekettet sind oder an Haken von der Decke hängen; der Entzug der Atemluft durch Plastiktüten oder Gasmasken ohne Luftzufuhr; das Einführen von Nadeln unter Finger- oder Zehennägel; Elektroschocks sowie die Vergewaltigung und sexuelle Nötigung von Frauen und Männern. Die Recherchen von Amnesty International zeigen, dass die Behörden die Vorwürfe der Folter oder anderweitigen Misshandlung der Gefangenen in einem Großteil der Fälle nicht wirksam untersuchen.

Amnesty International hat den Fall von Vahit Güneş, einem erfolgreichen türkischen Geschäftsmann, dokumentiert. Bis zu seiner Festnahme und Folter im Jahr 2011 betrieb er eine Kaufhauskette in Usbekistan. Ab März 2011 verbrachte er zehn Monate in einer Haftanstalt des usbekischen Sicherheitsdienstes in Taschkent, bis er nach seiner Begnadigung durch den Präsidenten im Dezember 2011 freigelassen wurde. Er und seine vier Mitangeklagten, seine Geschäftspartner, wurden anschließend in die Türkei abgeschoben. Er gab an, dass man ihn und andere in der Haftanstalt des SNB in Taschkent gefoltert hatte, um sie zum Unterzeichnen falscher Geständnisse zu zwingen, und dass sie ihre Rechtsbeistände nicht frei hatten wählen können. Zudem seien andere Gefangene in einer Untersuchungshaftanstalt des SNB gefoltert worden und einige seien infolgedessen verstorben.

Weitere Informationen über Folter in Usbekistan finden Sie in dem Bericht Lügen und Geheimnisse: Folter in Usbekistan, online unter https://www.amnesty.de/files/STOP_FOLTER_Usbekistan_Bericht_Kurzfassung_April2015.pdf.