Menschenrechtsanwalt weiterhin "verschwunden"

Der Menschenrechtsanwalt Gao Zhisheng, der seit Februar vermisst wird, wurde Ende Juni oder Anfang Juli in seiner Heimatstadt in der Provinz Shaanxi gesehen. Bewohner der Stadt erkannten ihn, als er von einem Dutzend örtlicher PolizistInnen und BeamtInnen der Pekinger Behörde für öffentliche Sicherheit begleitet wurde. AugenzeugInnen berichteten, er sehe abgemagert und schwach aus. Sein derzeitiger Aufenthaltsort ist weiterhin unbekannt, und er ist in Gefahr, gefoltert oder in anderer Weise misshandelt zu werden.

Appell an

MINISTERPRÄSIDENT DER VOLKSREPUBLIK CHINA
WEN Jiabao Guojia Zongli
The State Council General Office, 2 Fuyoujie, Xichengqu Beijingshi 100017
VOLKSREPUBLIK CHINA
(korrekte Anrede: Your Excellency)
Fax: (00 86) 10 6596 1109 (c/o Ministry of Foreign Affairs)

DIREKTOR DER PEKINGER BEHÖRDE
FÜR ÖFFENTLICHE SICHERHEIT
MA Zhenchuan Juzhang
Beijingshi Gong'anju, 9 Qianmen Dongdajie
Dongchengqu, Beijingshi 100740
VOLKSREPUBLIK CHINA
(korrekte Anrede: Dear Director)
Fax: (00 86) 10 6524 2927

KOPIEN AN
DIREKTOR DER ABTEILUNG FÜR ÖFFENTLICHE SICHERHEIT DER PROVINZ SHAANXI
WANG Rui Tingzhang
Shaanxisheng Gong'anting
Xinchengdayuan Donglou
Xi'anshi 710006
Shaanxisheng, VOLKSREPUBLIK CHINA
(korrekte Anrede: Dear Director)
E-Mail: info@shxga.gov.cn

BOTSCHAFT DER VOLKSREPUBLIK CHINA
S.E. Herrn Wu Hongbo
Märkisches Ufer 54
10179 Berlin
Fax: 030-27 58 82 21
E-Mail: chinesischeBotschaft@debitel.net
chinaemb_de@mfa.gov.cn
de@mofcom.gov.cn

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Chinesisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 27. Oktober 2009 keine Appelle mehr zu verschicken.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY IN MANDARIN CHINESE OR YOUR OWN LANGUAGE:

  • calling on the authorities to release Gao Zhisheng immediately and unconditionally;

  • urging them to ensure Gao Zhisheng has access to proper medical treatment while he remains in custody;

  • urging the authorities to guarantee that Gao Zhisheng is not tortured or ill-treated while he remains in custody;

  • urging the authorities to provide information on his whereabouts, and the reasons and legal basis for his continued detention.

Amnesty fordert:

SCHREIBEN SIE BITTE WEITERE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE, IN DENEN SIE

  • die Behörden auffordern, Gao Zhisheng umgehend und bedingungslos freizulassen;

  • die Behörden drängen, zu gewährleisten, dass Gao Zhisheng die erforderliche medizinische Versorgung erhält, solange er sich in Haft befindet;

  • die Behörden auffordern, sicherzustellen, dass Gao Zhisheng weder gefoltert noch in anderer Weise misshandelt wird, solange er sich in Gewahrsam befindet;

  • an die Behörden appellieren, Informationen über seinen Aufenthaltsort sowie die Gründe und die rechtliche Grundlage für seine andauernde Haft zu liefern.

Sachlage

Nach Angaben der Ehefrau von Gao Zhisheng, Geng He, die sich momentan in den USA aufhält, erklärten BewohnerInnen, dass sich Gao Zhisheng einige Stunden lang in der Provinz Shaanxi in Zentralchina aufhielt und dort das Grab seiner Mutter besuchte, bevor er von PolizistInnen abgeführt wurde. Es ist unklar, ob er sich mit seinen Familienangehörigen treffen konnte, die immer noch unter strenger polizeilicher Überwachung stehen.

AugenzeugInnen berichteten, dass Gao Zhisheng krank aussah und noch dünner wirkte als vor seinem "Verschwinden" im Februar. Trotz des warmen Wetters trug er Winterkleidung. Amnesty International befürchtet, dass er gefoltert oder in anderer Weise misshandelt wird.

Gao Zhisheng wird seit seiner Verurteilung im Dezember 2006 von den Pekinger Behörden überwacht. Der US-Rundfunksender "Radio Free Asia" berichtete, dass er Peking jedoch verlassen durfte und vor dem chinesischen Neujahrfest am 26. Januar in seine Heimatstadt in der Provinz Shaanxi zurückkehren konnte. Trotzdem wurde er am 4. Februar von mehr als zehn Sicherheitskräften aus seinem Zuhause abgeführt, und sein Verbleib ist seither nicht bekannt.

Hintergrundinformation

Hintergrund

MenschenrechtsverteidigerInnen, die in China über Menschenrechtsverletzungen zu berichten versuchen oder Themen aufgreifen, die die Behörden als politisch brisant ansehen, oder die versuchen, andere von ihrer Sache zu überzeugen, drohen Menschenrechtsverletzungen. Viele werden nach politisch motivierten Verfahren als gewaltlose politische Gefangene inhaftiert. Auch werden immer mehr Personen unter Hausarrest gestellt, wobei die Polizei sie in aufdringlicher Weise überwacht und Wachen vor ihren Türen postiert.

Gao Zhisheng wurde im Dezember 2006 wegen "Anstiftung zur Subversion" zu drei Jahren Haft verurteilt, aber seine Strafe wurde fünf Jahre lang ausgesetzt. Außerdem entzog man ihm für ein Jahr seine politischen Rechte. Seit der Urteilsverkündung wird er ständig auf eine Weise observiert, die weit über die normale Praxis bei Verurteilten, deren Strafe ausgesetzt wurde, hinausgeht.

Die Behörden nahmen Gao Zhisheng am 22. August 2006 fest, erließen am 12. September Haftbefehl und verurteilten ihn am 22. Dezember in einem geheimen Verfahren. Der Grund für seine Festnahme war eine Hungerstreikkampagne, die er im Februar 2006 organisiert hatte, um größere Aufmerksamkeit auf die Verfolgung friedlicher AktivistInnen in China zu lenken.

Im April 2007 berichtete Gao Zhisheng öffentlich über die Folter und Misshandlungen, die er erlitten hatte, als er in der Haft auf sein Verfahren wartete. Dies führte zu einer Eskalation der Repression und Schikane gegen ihn und seine Familie.

Am 13. September 2007 veröffentlichte Gao Zhisheng einen Brief an den US-Kongress, in dem er auf die sich verschlechternde Menschenrechtslage in China aufmerksam machte. Neun Tage später kamen PolizistInnen in Zivil zu ihm nach Hause, um ihn zu verhaften. Sie zogen ihn aus und schlugen ihn bewusstlos. In den folgenden sechs Wochen illegaler Haft quälten die Sicherheitskräfte ihn immer wieder mit Schlägen sowie Elektroschocks an den Genitalien. Man hielt brennende Zigaretten stundenlang so nah vor seine Augen, dass er dadurch mehrere Tage lang teilerblindet war.