In Strafkolonie drangsaliert

Diese Urgent Action ist beendet.

Der palästinensische Zirkuskünstler Mohammad Faisal Abu Sakha ist wieder frei.

Der Kreml möchte Kritiker mundtot machen, die von einer aktiven Rolle Russlands im Ukrainekonflikt sprechen

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Der Aktivist Rafis Kashapov, der sich für die Rechte der Tataren einsetzt, verbüßt eine dreijährige Haftstrafe, weil er die russische Regierung kritisiert hat. Er wird in der Strafkolonie in der Republik Koni im Norden der Russischen Föderation drangsaliert und mit besonderen Strafmaßnahmen belegt.

Appell an

LEITER DER STRAFVOLLZUGSBEHÖRDE DER RUSSISCHEN FÖDERATION
Gennady Kornienko

Federal Penitentiary Service, 119991 Moscow
Ul. Zhitnaya 14
RUSSISCHE FÖDERATION
(Anrede: Sehr geehrter Herr Direktor / Dear Director)
Fax: (007) 495 799 3240
E-Mail: udmail@fsin.su

LEITER DER STRAFKOLONIE NR. 31
Vasily Sedrisev
169060 Respublika Komi, Ust-Vymsky rayon
g. Minkun, ul. Vostochnaya
RUSSISCHE FÖDERATION
(Anrede: Sehr geehrter Herr Direktor / Dear Director)
E-Mail: ik31ufsinkomi@mail.ru

GENERALSTAATSANWALT DER RUSSISCHEN FÖDERATION
Yury Yakovlevich Chaika, Prosecutor General’s Office
ul. B. Dmitrovka, d.15a, 125993 Moscow GSP- 3
RUSSISCHE FÖDERATION
(Anrede: Dear Prosecutor General / Sehr geehrter Herr Generalstaatsanwalt)
Fax: (00 7) 495 9875 841 oder (00 7) 495 692 1725

Sende eine Kopie an

BOTSCHAFT DER RUSSISCHEN FÖDERATION
S. E. Herrn Vladimir M. Grinin
Unter den Linden 63-65, 10117 Berlin
Fax: 030-2299 397
E-Mail: info@russische-botschaft.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 3. Juni 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Lassen Sie Rafis Kashapov bitte umgehend und bedingungslos frei, da er allein aufgrund der friedlichen Wahrnehmung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung inhaftiert ist.

  • Bitte stellen Sie sicher, dass Rafis Kashapov nicht diskriminiert oder drangsaliert wird, da die UN-Mindestgrundsätze für die Behandlung von Gefangenen festschreiben, dass Gefangene keiner rassistischen Diskriminierung ausgesetzt, oder wegen ihres Geschlechts, ihrer Sprache, Religion oder politischen oder anderen Überzeugung diskriminiert werden dürfen.

  • Bitte verlegen Sie Rafis Kashapov in eine Strafkolonie, die näher an seinem Heimatort Naberezhnye Chelny liegt. Auch in diesem Zusammenhang möchte ich Sie an die UN-Mindestgrundsätze für die Behandlung von Gefangenen erinnern, die festlegen, dass Gefangene, "falls möglich in einer Hafteinrichtung in zumutbarer Entfernung zu ihrem gewöhnlichen Wohnort unterzubringen" sind.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Reiterating calls for Rafis Kashapov's immediate and unconditional release, as he is a prisoner of conscience jailed solely for the peaceful exercise of his right to freedom of expression, and in the meantime.

  • Urging the prison authorities to ensure that Rafis Kashapov is not discriminated against or exposed to harassment, reminding them that the UN Standard Minimum Rules for the Treatment of Prisoners state that there should be no discrimination on the basis of race, colour, sex, language, religion, political or other opinion.

  • Calling on the prison authorities to move Rafis Kashapov to a prison colony closer to his home in Naberezhnye Chelny and pointing out that the UN Standard Minimum Rules also require prisoners to be allotted to prisons as close to their home and place of rehabilitation as possible.

Sachlage

Rafis Kashapov wurde am 15. September 2015 wegen seiner Kritik an der Beteiligung russischer Streitkräfte am bewaffneten Konflikt in der Ostukraine und der Verfolgung von Krim-Tataren auf der besetzten Halbinsel zu drei Jahren Haft verurteilt. Mitte März wurde er in die Strafkolonie Nr. 19 in der Republik Komi gebracht, die ca. 1.200 km von seinem Heimatort Naberezhnye Chelny in der Republik Tatarstan entfernt liegt. Am 14. April verlegte man ihn in die Strafkolonie Nr. 31, die ebenfalls in der Republik Komi liegt.

Als Rafis Kashapov in der ersten Strafkolonie eintraf, teilte ihm der Leiter der Strafvollzugsverwaltung mit, er werde als "Terrorist" betrachtet. In weiteren Gesprächen mit dem Gefängnispersonal erklärte man ihm, die Tataren seien für die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl verantwortlich. Kurz nach seinem Eintreffen in der Strafkolonie wurde er in eine Strafzelle gesperrt, weil er sich morgens kaltes Wasser über den Körper gegossen hatte (als Gesundheitsvorsorge und übliche Praxis in Russland). Er erhielt drei weitere Verwarnungen, weil er entweder Angehörige des Gefängnispersonals nicht gegrüßt oder seine Hände nicht hinter dem Rücken gehalten hatte. Rafis Kashapov hat erläutert, dass er bei einer dieser Gelegenheiten einen Verweis erhielt, weil er die Hände nicht hinter dem Rücken hatte, als er sich ankleidete.

Seine Handlungen werden nun als "böswillige Verstöße" gegen die Gefängnisregeln eingestuft, was Auswirkungen auf eine mögliche Begnadigung oder vorzeitige Haftentlassung hat. Es ist Rafis Kashapov zudem untersagt, sich mit Kopfmassagen selbst gegen Kopfschmerzen und Bluthochdruck zu behandeln, an denen er aufgrund einer früheren Kopfverletzung leidet. Ende März machte sich seine Frau auf die 1.200 km-lange Reise, um ihn zu besuchen. Sie durfte ihren Mann jedoch nicht sehen, weil er sich zu der Zeit in einer Strafzelle befand. Die Wärter_innen verweigerten auch die Annahme eines Lebensmittelpakets, das sie für Rafis Kashapov mitgebracht hatte. Rafis Kashapov ist auch weiterhin in Gefahr diskriminiert und drangsaliert zu werden.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Rafis Kashapov, Direktor einer örtlichen Zweigstelle der NGO Tatar Public Centre in Naberezhnye Chelny in Tatarstan (eine der Republiken der Russischen Föderation), wurde am 28. Dezember 2014 um 6 Uhr in seiner Wohnung von zehn bewaffneten Männern in Zivilkleidung festgenommen. Er wurde nach Kasan, die Hauptstadt der Republik Tatarstan, gebracht und in eine Untersuchungshafteinrichtung eingewiesen. Dort erfuhr er, dass auf Grundlage der Paragrafen 280(1) und 282 des Strafgesetzbuches der Russischen Föderation ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet worden war.

In einer Stellungnahme vom 30. Dezember 2014 erläuterte die Ermittlungsbehörde, dass die Anklagen gegen Rafis Kashapov sich auf vier Beiträge auf seiner privaten Profilseite im sozialen Netzwerk VKontakte beziehen. In diesen Beiträgen kritisierte Rafis Kashapov den russischen Präsidenten Putin und die russische Regierung wegen ihrer Ukraine-Politik und der Verfolgung von Tataren auf der besetzten Halbinsel Krim.

Rafis Kashapov blieb während der Ermittlungen und des Gerichtsverfahrens in Haft, weil nach Angaben des zuständigen Ermittlers die Gefahr bestand, er könne erneut "kriminelle Handlungen" begehen. Der Antrag seines Rechtsbeistands, seinen Mandanten unter Hausarrest zu stellen und seinen Internetzugang einzuschränken, wurde abgelehnt. Das Gerichtsverfahren in Naberezhnye Chelny begann am 26. Juni, das Urteil erging am 15. September. Das Gericht machte geltend, dass die Einträge von Rafis Kashapov bei VKontakte der Textanalyse durch Expert_innen zufolge eine "Sprache der Feindseligkeit enthielten, die darauf abzielt, Hass zwischen Gruppen zu schüren". Dabei definierte das Gericht "Gruppen" sehr vage und bezog sich auf Angehörige der Regierungsbehörden sowie auf russische und tatarische "Gruppen". Das Gericht vertrat außerdem die Auffassung, dass Rafis Kashapov durch die Beleidigung von Präsident Putin auch dessen Wähler_innen beleidigt habe.

Bereits 2009 war Rafis Kashapov der "Anstiftung zu Hass" für schuldig befunden worden. Damals war seine Haftstrafe allerdings zur Bewährung ausgesetzt worden. Weder die Texte, wegen derer er 2009 verurteilt wurde, noch die Einträge, die 2015 zu seiner Inhaftierung geführt hatten, enthielten Anstiftungen zu Hass. Mit der Veröffentlichung der Texte und seiner Ansichten zur russischen Regierung und deren Politik hat Rafis Kashapov lediglich sein Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen. Alle Personen des öffentlichen Lebens, darunter auch diejenigen, die hohe politische Ämter wahrnehmen, müssen sich Kritik stellen. Diese Kritik fällt laut dem UN-Menschenrechtsausschuss unter das Recht auf freie Meinungsäußerung.