Aktivist und Anwalt festgenommen

Hamma Hammani, Sprecher der verbotenen Kommunistischen Arbeiterpartei Tunesiens, ist am 12. Januar 2011 zusammen mit Mounia Obaid und dem Rechtsanwalt Mohamed Mzem in seiner Wohnung festgenommen worden.

Appell an

MINISTER FÜR JUSTIZ UND MENSCHENRECHTE
Lazhar Bououni
Ministry of Justice and Human Rights
31 Boulevard Bab Benat
1006 Tunis - La Kasbah, TUNESIEN
(korrekte Anrede: Your Excellency)
Fax: (00 216) 71 568 106

INNENMINISTER
Ahmed Friaa
Ministry of Interior and Local Development
Avenue Habib Bourguiba
1000 Tunis, TUNESIEN
(korrekte Anrede: Your Excellency)
Fax: (00 216) 71 340 888

Sende eine Kopie an

LEITER DER TUNESISCHEN STRAFVOLLZUGSBEHÖRDE
Directeur général des prisons et de la rééducation
Rue 8003 – Appartement L
Espace de Tunis
Monplaisir, Tunis
TUNESIEN

BOTSCHAFT DER TUNESISCHEN REPUBLIK
I.E. Frau Alifa Chaabane Ep Farouk Badra
Lindenallee 16
14050 Berlin
Fax: 030-3082 0683

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Französisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 23. Februar 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich appelliere an Sie, den Aufenthaltsort von Hamma Hammami und Mohamed Mzem bekannt zu geben, ihnen unverzüglich Kontakt zu ihren Familien und zu RechtsanwältInnen eigener Wahl zu ermöglichen und sicherzustellen, dass sie vor Folterungen und anderen Misshandlungen geschützt werden.

  • Ich bitte Sie, Hamma Hammami und Mohamed Mzem entweder einer erkennbar strafbaren Handlung anzuklagen und vor Gericht zu stellen oder aber freizulassen.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging the Tunisian authorities to immediately disclose the whereabouts of Hamma Hammami and Mohamed Mzem and to allow them immediate access to their family members, lawyers of their choice, and to ensure that they are protected from all forms of torture and other ill-treatment.

  • Calling on the Tunisian authorities to either charge Hamma Hammami and Mohamed Mzem with recognizable criminal offences, and try them accordingly, or to release them.

Sachlage

Nach vorliegenden Meldungen wurde Hamma Hammami von mehr als 20 MitarbeiterInnen des Sicherheitsdienstes des tunesischen Präsidenten in seiner Wohnung verhaftet. Mit ihm wurde auch seine elfjährige Tochter, der Rechtsanwalt Mohamed Mzem sowie eine Frau namens Mounia Obaid festgenommen. Seiner Tochter gelang es zu entkommen. Der Computer von Hamma Hammami wurde beschlagnahmt. Radhia Nasraoui, die Ehefrau von Hamma Hammami, eine Rechtsanwältin und Menschenrechtsaktivistin, vermutet, dass ihr Mann festgenommen worden ist, weil er in Gesprächen mit verschiedenen Medien die Haltung der Kommunistischen Arbeiterpartei Tunesiens (Parti Communiste des Ouvriers Tunisiens – PCOT) zu den anhaltenden Protesten erläutert und Forderungen der Partei nach besseren Lebensbedingungen für die Menschen und ein Ende der Arbeitslosigkeit und der Korruption bekräftigt hatte.

Von AugenzeugInnen erfuhr Radhia Nasraoui, dass Mounia Obaid zunächst nicht festgenommen worden war. Erst später, nachdem der Sicherheitsdienst offenbar angewiesen worden war, keine ZeugInnen zurückzulassen, wurde auch Mounia Obaid festgenommen. Sie kam nach einer Weile wieder frei, über Schicksal und Verbleib von Hamma Hammami und Mohamed Mzem liegen dagegen keine Informationen vor.

Hamma Hammami ist bereits in den Vorjahren mehrmals von den tunesischen Behörden festgenommen und Berichten zufolge gefoltert oder anderweitig misshandelt worden, weil er sein Recht auf freie Meinungsäußerung in friedlicher Weise wahrgenommen hat. Im September 2009 wurde er nach seiner Rückkehr aus Frankreich auf dem Flughafen der Hauptstadt Tunis von zivil gekleideten Männern angegriffen, bei denen es sich vermutlich um Polizisten handelte. Während seines Aufenthalts in Frankreich hatte Hamma Hammami in Interviews mit den Satellitensendern Al Jazeera Mubasher und France 24 die damaligen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen bemängelt, Kritik an Präsident Zine El-Abidine Ben Ali geübt und Korruption angeprangert. Im Oktober 2009 wurde Hamma Hammami von der Kriminalpolizei vorgeladen, kam der Aufforderung jedoch aus Furcht, willkürlich festgenommen zu werden, nicht nach. Er tauchte unter und wagte sich erst jüngst wieder aus seinem Versteck heraus. Auch die Ehefrau von Hamma Hammami und seine Kinder wurden vom tunesischen Sicherheitsdienst schikaniert.

Nach dem Selbstmord eines 26-jährigen arbeitslosen Hochschulabsolventen am 17. Dezember 2010 kam es in Tunesien über Wochen hinweg zu Protesten, gegen die die Regierung rigoros einschritt. Berichten zufolge wurden zahlreiche Menschen festgenommen, unter ihnen Medienschaffende, BloggerInnen und andere Personen, die ihre Meinung kundgetan hatten. Amnesty International fürchtet um die Sicherheit der noch in Haft befindlichen Menschen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 17. Dezember 2010 beging der 26 Jahre alte Universitätsabsolvent Mohamed Bouazizi in der Ortschaft Sidi Bouzid Selbstmord durch Verbrennen, nachdem die Polizei seinen nicht offiziell angemeldeten Obst- und Gemüsewagen konfisziert hatte, mit dem er seinen Lebensunterhalt verdiente. Nach dem Tod des jungen Mannes trugen GewerkschafterInnen, Studierende, MenschenrechtsaktivistInnen und RechtsanwältInnen ihre Forderung nach Arbeitsplätzen, besseren Lebensbedingungen und Beendigung der Korruption auf die Straße.

Als sich die Proteste auf andere Landesteile ausdehnten, gingen die Sicherheitskräfte mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen die TeilnehmerInnen vor, indem sie Tränengas und scharfe Munition einsetzten. Nach Angaben der tunesischen Behörden kamen 21 Personen ums Leben, Menschenrechtsorganisationen gehen jedoch von einer weitaus höheren Zahl an Opfern aus.

Landesweit ist es zu Festnahmewellen gekommen, die sich unter anderem gegen Medienschaffende, RechtsanwältInnen, Studierende und BloggerInnen richten, während gleichzeitig die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit eingeschränkt werden. Über die genaue Zahl der noch in Haft befindlichen Menschen liegen keine offiziellen Angaben vor, es ist jedoch aus der Vergangenheit bekannt, dass Inhaftierungen ohne Kontakt zur Außenwelt eine verbreitete Praxis darstellen.