USA: Hinrichtung stoppen!

Diese Urgent Action ist beendet.

Der Afroamerikaner Marcellus Williams ist am 24. September im US-Bundesstaat Missouri hingerichtet worden - trotz ernster Bedenken bezüglich der Qualität seiner rechtlichen Vertretung, der Glaubwürdigkeit wichtiger Zeug*innen, der DNA-Nachweise und möglichem Rassismus. Der Gouverneur begnadigte den Todeskandidaten nicht, und die Gerichte wiesen letzte Rechtsmittel zurück.

Eine Liege mit vielen Gurten in einem kleinen Raum mit einem Text dazu, der sagt: "USA: Hinrichtung verhindern!"

Der Afroamerikaner Marcellus Williams soll am 24. September im US-Bundesstaat Missouri hingerichtet werden. Er wurde 2001 von einer fast ausschließlich weißen Jury des Mordes an einer weißen Frau im Jahr 1998 für schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Er beteuert seine Unschuld. Die entscheidenden Beweismittel in seinem Gerichtsverfahren waren Aussagen von zwei Polizeiinformanten, denen eine Belohnung in Aussicht gestellt wurde. Keines der gerichtsmedizinischen Beweismittel bringt Marcellus Williams mit dem Verbrechen in Verbindung. Trotz zahlreicher Ungereimtheiten, offenkundiger Diskriminierung und dem Bemühen der Staatsanwaltschaft von St. Louis County, die Verurteilung von Marcellus Williams aufzuheben, wurde der Hinrichtungstermin festgesetzt.

Appell an

Governor Michael L. Parson
Capitol Building, Room 216
PO Box 720
Jefferson City
Missouri 65102, USA 

Sende eine Kopie an

Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika
Herrn Alan D. Meltzer 
Geschäftsträger a.i.
Clayallee 170, 14195 Berlin
Fax: 030-83 05 10 50
E-Mail: feedback@usembassy.de


 

Amnesty fordert:

  • Bitte begnadigen Sie Marcellus Williams und wandeln Sie sein Todesurteil in eine Haftstrafe um.

Sachlage

Das Strafverfahren gegen Marcellus Williams lässt zahlreiche Zweifel aufkommen. Sowohl die Beweislage als auch das Auswahlverfahren für die Geschworenen der Gerichtsverhandlung im Juni 2001 sind fragwürdig, außerdem wurden mildernde Umstände nicht berücksichtigt. Trotzdem soll Marcellus Williams am 24. September hingerichtet werden. Ihm wird der Mord an der 42-jährigen Felicia Gayle zur Last gelegt, die am 11. August 1998 zuhause in University City im St. Louis County im US-Bundesstaat Missouri erstochen aufgefunden worden war.

Während des Auswahlverfahrens für die Geschworenen der Gerichtsverhandlung im Juni 2001 wurden sechs von sieben afroamerikanischen Geschworenenkandidat*innen von der Staatsanwaltschaft abgelehnt. Die Jury bestand letztlich aus elf weißen Personen und einer Schwarzen Person – und dies in einem Bezirk, der sowohl für diskriminierende Taktiken der Staatsanwaltschaft bei der Auswahl von Geschworenen als auch einem Ungleichgewicht entlang rassistischer Kriterien bei der Verhängung von Todesurteilen bekannt ist. Felicia Gayle war weiß, Marcellus Williams ist Schwarz.

Es bestehen außerdem ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Belastbarkeit der Beweise, die zur Verurteilung von Marcellus Williams herangezogen wurden. Die Anklage stützte sich in erster Linie auf die Aussagen zweier Polizeiinformanten, deren Familie und Freund*innen inzwischen eidesstattliche Erklärungen abgegeben haben, wonach die beiden bereits in der Vergangenheit gelogen hatten, um in eigenen Strafverfahren milder beurteilt zu werden. Auch die in Aussicht gestellte Belohnung hätte sie zu den Aussagen motiviert. Derartig gewonnene Aussagen von Informant*innen führen in den USA nachweisbar zu regelmäßigen Fehlurteilen bei Kapitalverbrechen. Auch bringt keines der gerichtsmedizinischen Beweismittel Marcellus Williams mit dem Verbrechen in Verbindung. Drei DNA-Expert*innen sind unabhängig voneinander zu dem Schluss gekommen, dass die männliche DNA auf der Mordwaffe nicht von ihm stammt. Dieser DNA-Beweis, der Marcellus Williams hätte entlasten können, wurde jedoch durch einen unsachgemäßen Umgang unbrauchbar gemacht: Er kann nicht mehr zur Identifizierung eines möglichen anderen Täters verwendet werden, da er von Ermittlungsbeamt*innen verunreinigt wurde.

Darüber hinaus hatte es der Rechtsbeistand von Marcellus Williams im Prozess versäumt, den Geschworenen strafmilderndes Beweismaterial zu dem schweren Missbrauch vorzulegen, den sein Mandant in der Kindheit erlebt hatte. Auch dass Marcellus Williams in Armut lebte, war kein Thema. Die Geschworenen wussten weder um die Lebensumstände des Angeklagten noch um dessen psychische Beeinträchtigungen. Sie empfahlen die Verhängung des Todesurteils. Im Jahr 2010 ordnete ein US-Bezirksgericht angesichts dieser gravierenden Versäumnisse an, dass Marcellus Williams eine neue Anhörung zur Strafzumessung erhalten sollte. Diese Entscheidung wurde jedoch von einem Berufungsgericht – trotz unterschiedlicher Einschätzungen – wieder aufgehoben. 

Nach internationalem Recht muss ein Staat alle nur möglichen Maßnahmen ergreifen, um niemand zu Unrecht zum Tode zu verurteilen. Internationale Standards verbieten die Hinrichtung von Personen, deren Schuldspruch nicht auf "klaren und überzeugenden Beweisen beruht, die keinen Raum für eine alternative Erklärung des Sachverhalts lassen". Diese Standards wurden im Strafverfahren von Marcellus Williams nicht erfüllt. Es gibt stichhaltige Belege dafür, dass die Integrität seines Prozesses durch die diskriminierende Auswahl der Geschworenen und eine ineffiziente Verteidigung untergraben wurde. 

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 11. August 1998 wurde die 42-jährige Felicia Gayle zuhause in University City im St. Louis County im US-Bundesstaat Missouri erstochen. Da es keine Anhaltspunkte gab, schlug die Polizei vor, dass die Familie des Opfers eine Belohnung von 10.000 Dollar für Hinweise aussetzen sollte, die zur Identifizierung des Täters führen könnte. Ein Mann (H.C.) meldete sich bei der Polizei und behauptete, Marcellus Williams (der in einem anderen Fall festgenommen worden war) habe ihm in einer gemeinsamen Zelle gesagt, er habe den Mord begangen. H.C. verwies die Polizei an L.A., eine ehemalige Freundin von Marcellus Williams, die ebenfalls Marcellus Williams belastete. Die Behörden beschuldigten Marcellus Williams des Mordes.

Der Täter hinterließ einen Tatort mit vielen forensischen Beweisen, darunter Fingerabdrücke, Haare, blutige Schuhabdrücke sowie die Mordwaffe, ein Messer aus ihrer Küche, das noch in ihrem Hals steckte. Doch keines der gerichtsmedizinischen Beweismittel bringt Marcellus Williams mit dem Verbrechen in Verbindung. Bei der Verhandlung im Jahr 2001 stützte sich die Anklage in erster Linie auf die Aussagen von H.C. und L.A. Das einzige andere Beweismaterial stammte von einem Zeugen, der aussagte, dass Marcellus Williams ihm einen aus dem Haus des Opfers entwendeten Laptop verkauft hatte. Die Geschworenen stimmten dafür, ihn des Mordes ersten Grades zu verurteilen und die Todesstrafe zu verhängen. Dies tat der Richter am 27. August 2001. 

Es bestehen zahlreiche Zweifel an der Verurteilung von Marcellus Williams, die durch neuere Erkenntnisse weiter untermauert werden. Die letzte Anhörung zur Aufhebung des Urteils war am 21. August 2024. Doch der zuständige Richter lehnte den entsprechenden Antrag ab – der Hinrichtungstermin bleibt also bestehen.

Der UN-Menschenrechtsausschuss, der im Rahmen des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte eingerichtet wurde, welchen die USA 1992 ratifizierte, sagt Folgendes: "Die Hinrichtung einer Person, deren Schuld nicht zweifelsfrei erwiesen ist, stellt eine willkürliche Entziehung des Lebens dar."

Seit der Verabschiedung der neuen Todesstrafengesetze 1976 und der Wiederaufnahme von Hinrichtungen 1977 sind in den USA insgesamt 1. 595 Todesurteile vollstreckt worden, 99 davon in Missouri. 2024 sind in den USA bisher 13 Todesurteile vollstreckt worden, zwei davon in Missouri. Seit 1973 wurden in den USA mindestens 200 Menschen eines Kapitalverbrechens schuldig gesprochen, zum Tode verurteilt und später wieder entlastet, vier in Missouri. Amnesty International wendet sich in allen Fällen, weltweit und ausnahmslos gegen die Todesstrafe.

Hintergrundinformationen – Fortsetzung (auf Englisch)

In 2010, a federal judge ordered that Marcellus Williams receive a new sentencing hearing, having found that his trial lawyer failed to present any mitigating evidence of how Williams was subjected to physical and sexual abuse by family members and of how he was exposed to guns, drug and alcohol use at an early age. The US Court of Appeals reversed the ruling by two votes to one, applying the highly deferential standard for federal review of state court decisions. The dissenting judge accused his two colleagues of "an unreasonable deference to an unreasonable strategy based on unreasonable investigation" by the trial lawyer.

Since the trial, new information calls into serious question the soundness of the conviction. There was trace male DNA on the murder weapon, a kitchen knife left lodged in the victim’s neck. Three DNA experts have reviewed the post-conviction DNA testing of this knife and each independently excluded Marcellus Williams as the source of the DNA. Also, family members of H.C. provided sworn affidavits to the effect that he often lied, including to police to try to obtain leniency in his cases. One of his nephews, for example, said that "everyone in the family knew" that he "made up the story" about Marcellus Williams committing the murder, and that he did so because he wanted the reward money to leave town and go to New York. Friends of L.A. also signed affidavits that she was a known police informant and expected money for her testimony against Marcellus Williams. Finally, the trial witness who testified at trial that Marcellus Williams sold him the laptop signed an affidavit that Williams told him that the laptop belonged to L.A. and that if asked at the trial, he would have told the jury about this.

In January 2024 the current St. Louis County Prosecuting Attorney filed a motion to vacate Marcellus Williams’s conviction. He had concluded that "new evidence suggests that Mr Williams is actually innocent". The exculpatory DNA evidence, he said, "when paired with the relative paucity of other, credible evidence supporting guilt, as well as additional consideration of ineffective assistance of counsel and racial discrimination in jury selection, casts inexorable doubt on Mr Williams’s conviction and sentence". A court hearing was set for 21 August 2024 on the motion to vacate, but on the eve of the hearing, the Prosecuting Attorney discovered that the murder weapon had been contaminated by the DNA of members of the trial prosecution, destroying Marcellus Williams’s opportunity to identify the source of the male DNA (and possible perpetrator). Given this development and to prevent his execution, Marcellus Williams entered an "Alford plea", not admitting guilt but agreeing to a sentence of life imprisonment without the possibility of parole. The Prosecuting Attorney agreed with this. However, the state Attorney General objected, and the Missouri Supreme Court blocked the judge from re-sentencing Marcellus Williams. The judge then held an evidentiary hearing on 28 August 2024. The office of the Prosecuting Attorney conceded that the prior administration had committed constitutional errors that had contributed to the unreliability of the conviction and death sentence. On 12 September, the judge issued his ruling, concluding that "There is no basis for a court to find that Williams is innocent, and no court has made such a finding. Williams is guilty of first-degree murder, and has been sentenced to death." He denied the motion to vacate, leaving the execution date in place.