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USA (Alabama): Hinrichtung stoppen!
Diese Urgent Action ist beendet.
Protestaktion in Montgomery im US-Bundesstaat Alabama für die Abschaffung der Todesstrafe am 21. März 2024
© IMAGO / USA TODAY Network
Keith Gavin soll am 18. Juli 2024 im US-Bundesstaat Alabama hingerichtet werden. Er war 1999 schuldig gesprochen worden, im Jahr zuvor einen Mord begangen zu haben. Die Geschworenen sprachen sich mit zehn zu zwei Stimmen für die Todesstrafe aus. Im Jahr 2020 entschied eine Bundesrichterin, dass seine rechtliche Vertretung nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprochen hatte, was jedoch 2022 von einem Berufungsgericht wieder rückgängig gemacht wurde. Laut Völkerrecht müssen alle, denen die Todesstrafe droht, in allen Prozessphasen Zugang zu angemessener rechtlicher Vertretung haben. Dies war bei Keith Gavin nicht der Fall. Die Gouverneurin muss das Todesurteil daher umwandeln.
Appell an
The Office of Governor Kay Ivey
State Capitol
600 Dexter Avenue
Montgomery, AL 36130
USA
Sende eine Kopie an
Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika
I. E. Frau Amy Gutmann
Clayallee 170, 14195 Berlin
Fax: 030-83 05 10 50
E-Mail: feedback@usembassy.de
und
E-Mail über das Online-Formular: https://contact.governor.alabama.gov/contact.aspx
Amnesty fordert:
- Ich appelliere an Sie, Keith Gavin nicht hinzurichten und sein Todesurteil umzuwandeln.
Sachlage
Keith Gavin soll am 18. Juli 2024 in Alabama hingerichtet werden. Er wurde 1999 wegen des Mordes an einem Auslieferungsfahrer verurteilt, der am 6. März 1998 in Centre, einer Stadt in Cherokee County, Alabama, in seinem Lieferwagen erschossen worden war. Keith Gavin, damals 37 Jahre alt, wurde noch am selben Tag festgenommen. Einige Tage später fand man die Mordwaffe – eine Pistole, die dem Cousin von Keith Gavin gehörte, der mit ihm zusammen in Centre gewesen war. Der Cousin wurde ursprünglich ebenfalls in der Mordsache angeklagt, doch die Anklage wurde später fallengelassen und der Cousin sagte selbst als Kronzeuge für die Staatsanwaltschaft aus. Der Mord wurde als Kapitalverbrechen eingestuft, weil Keith Gavin 1982 wegen eines anderen Mordes verurteilt worden war und sich im März 1998 auf Bewährung in Freiheit befand.
In der Strafzumessungsphase des Verfahrens gegen Keith Gavin im Jahr 1999 wurden den Geschworenen kaum Informationen über mildernde Umstände vorgelegt, die sie bei ihrer Entscheidung über Leben und Tod hätten berücksichtigen können. Dabei stellte sich später heraus, dass es zahlreiche Nachweise dafür gab, dass er während seiner Jugendzeit, die er in einer Sozialwohnung in Chicago verbrachte, sowohl zuhause als auch im sozialen Umfeld Gewalt ausgesetzt war. Der Jury wurden diese strafmildernden Faktoren vorenthalten, weil die Rechtsbeistände von Keith Gavin es schlicht versäumt hatten, sie zu untersuchen und vorzulegen. Stattdessen präsentierten sie einen Geistlichen und die Mutter des Angeklagten, die beide um Gnade für Keith Gavin baten.
Im Jahr 2020 befand die Richterin des US-Bezirksgerichts in einer langen und detaillierten Stellungnahme, dass die seither neu eingesetzten Rechtsbeistände "eindeutig nachgewiesen" hätten, dass Keith Gavins Rechtsbeistand bei der Strafzumessung nicht den verfassungsrechtlichen Standards entsprach. Die ursprünglichen Rechtsbeistände seien "völlig unvorbereitet in die Strafzumessungsphase" gegangen; hätten sie die "Fülle an strafmildernden Beweisen" vorgelegt, die im anschließenden Verfahren aufgedeckt wurden, so die Richterin, bestünden gute Chancen, dass die Geschworenen für lebenslänglich statt für die Todesstrafe gestimmt hätten. Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung später wieder auf. Allerdings kann sich die Gouverneurin von Alabama nach wie vor dafür entscheiden, das Todesurteil von Keith Gavin umzuwandeln.
Laut Völkerrecht müssen alle, denen die Todesstrafe droht, in allen Prozessphasen Zugang zu wirksamer rechtlicher Vertretung haben, und dies sollte "die Schutzmaßnahmen übersteigen, die auf Fälle angewendet werden, in denen keine Todesurteile verhängt werden". Dies war bei Keith Gavin nicht der Fall.
Seit 1976 gab es in den USA 1.591 Hinrichtungen, 74 davon in Alabama. Alabama ist für zwei von neun in den USA im Jahr 2024 vollzogene Hinrichtungen verantwortlich. Amnesty International lehnt die Todesstrafe grundsätzlich und uneingeschränkt ab.
Hintergrundinformation
In der Strafzumessungsphase des Verfahrens gegen Keith Gavin im Jahr 1999 lud die Verteidigung nur zwei Zeug*innen vor und zeigte sich unvorbereitet. Bei den Zeug*innen handelte es sich um die Mutter des Angeklagten und einen Geistlichen der Zeugen Jehovas. Als der Verteidiger den Geistlichen vorstellte, nannte er ihn in Anwesenheit der Geschworenen beim falschen Namen. Er hatte ihn in der ersten Phase des Prozesses einmal für einen fünfminütigen Austausch in einer Pause getroffen. Der Geistliche, der Keith Gavin im Gefängnis kennengelernt hatte und ihn in den Monaten vor dem Gerichtsverfahren wöchentlich besuchte, sagte aus, dass Keith Gavin "allen außer sich selbst die Schuld gab" und sogar "Gott für einige Dinge, die passiert sind, verantwortlich machte". Wenn Keith Gavin die Möglichkeit gegeben würde, weiterzuleben, so der Geistliche, "habe er das Potenzial, eine tiefere Beziehung zu Gott aufzubauen", und er äußerte die Ansicht, dass "es auch heute noch Gelegenheiten gibt, bei denen die Barmherzigkeit über schlichte kalte Gerechtigkeit siegen könnte". Vor der Zeugenaussage der Mutter des Angeklagten bot der Verteidiger eine Entschuldigung an: "Ich hatte keine wirkliche Gelegenheit, Sie auf Ihre heutige Aussage vorzubereiten, aber ich weiß, dass Sie sich an das Gericht und die Geschworenen wenden möchten, um über Ihre Gefühle gegenüber Keith zu sprechen." Sie sagte aus, dass ihr Sohn schon immer Berührungspunkte mit dem Glauben der Zeugen Jehovas gehabt habe und dass er "wirklich eine große Quelle der Unterstützung für andere und für unseren Schöpfer sein könnte". Sie appellierte an die Geschworenen, ihn nicht zum Tode zu verurteilen. Nach 75-minütigen Beratungen außerhalb des Gerichtssaals kehrten die Geschworenen zurück und empfahlen mit zehn zu zwei Stimmen die Todesstrafe. Der Richter nahm diese Empfehlung im Januar 2000 an.
Nach der Verhandlung entdeckten neu eingesetzte Rechtsbeistände viele strafmildernde Faktoren, die den Geschworenen nicht vorgelegt worden waren. Hierzu zählten zahlreiche psychologische Risikofaktoren aus der Kindheit und Jugend des Angeklagten, einschließlich der Gewalt, der Keith Gavin zu Hause und im sozialen Umfeld ausgesetzt war. Er wuchs mit elf Geschwistern in einer heruntergekommenen Wohnung auf, die sich in einem von Chicagos berüchtigten Sozialwohnungskomplexen befand. Die Geschwister, denen er am nächsten stand, hatten alle mit Gefängnisaufenthalten und Drogenabhängigkeit zu kämpfen. Er wurde von seinem Vater mehr als die anderen geschlagen, weil er "die Verantwortung für Dinge übernahm, die er nicht getan hatte, da er sich stark genug fühlte, die Schläge einzustecken". Im sozialen Umfeld war er Bandengewalt ausgesetzt. Sieben der zwölf Geschwister schlossen sich Banden an, und mehrere wurden Opfer von Bandengewalt. Im Alter von 17 Jahren kam Keith Gavin ins Krankenhaus, nachdem Bandenmitglieder ihn mit Pistolen und Baseballschlägern verprügelt hatten. Da er den Großteil seines Erwachsenenlebens im Gefängnis verbracht hatte, hatte man den ursprünglichen Rechtsbeiständen von Keith Gavin den Namen einer*s Sachverständigen für die psychischen Folgen von Institutionalisierung gegeben und ihnen zu einem Austausch geraten. Dem waren sie jedoch nicht nachgekommen. Im Berufungsverfahren sagte diese*r Sachverständige aus, dass Keith Gavins 17 Jahre im Gefängnis im Anschluss an seine Verurteilung im Jahr 1982 tiefgreifende Auswirkungen auf ihn hatten. So wurde er z. B. Opfer einer Messerattacke durch Bandenmitglieder. Die Tatsache, dass er erst 22 Jahre alt war, als er inhaftiert wurde, und eine traumatische Kindheit hinter sich hatte, wirkte sich auf das Ausmaß seiner Institutionalisierung aus. Laut Angaben der*s Sachverständigen habe sich Keith Gavin mit der Zeit an das Leben im Gefängnis angepasst, fand es aber schwierig, sich an sein Leben nach der Freilassung auf Bewährung zu gewöhnen. Zwei Monate später geschah der Mord.
Hintergrundinformationen – Fortsetzung (auf Englisch)
Even so, two of the jurors voted for life. The appeal lawyers argued that if the jury had heard about the defendant’s "youth in the gang-infested Chicago projects and the abuse he suffered, along with the rest of the available mitigation evidence presented in post-conviction proceedings, those two votes in Gavin’s favour could easily have turned into seven or more". In 2020, a US District Court judge agreed, and decided that, even under the highly deferential standards she had to apply both to the lawyers’ performance and to state court decisions, Keith Gavin had been denied his constitutional right to effective legal representation at the sentencing and was prejudiced by this: "Counsel were totally unprepared for the penalty phase of Mr Gavin’s trial", she wrote. If the lawyers had conducted the necessary investigation, "they could have uncovered the wealth of mitigating evidence" provided on appeal. She concluded that the lawyers "were deficient", and if they had offered the sort of evidence presented in post-conviction proceedings, "a reasonable probability exists that he would have been sentenced to life imprisonment rather than death". In 2022, the US Court of Appeals for the 11th Circuit reversed this ruling, deciding that the District Court had erred in not deferring to the Alabama court’s decision that the mitigation efforts had been reasonable.
An investigation by the appeal lawyers uncovered that the jury had engaged in premature deliberation on sentencing and had taken a vote on it before the penalty phase had even begun. The jury foreman revealed that before the guilt phase vote, one of the jurors had asked the others if they thought he would vote differently because he and the defendant were both Black, and he wanted them to know that he was going to vote for death. Each juror then wrote down their vote, on both guilt and sentence. The vote then was 10-2 for death, the same as it was after the sentencing phase. The appeal courts have rejected the claim that this premature deliberation constituted juror misconduct.