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VAE: Urteile in Scheinverfahren erwartet
Der Blogger und Menschenrechtsverteidiger Ahmed Mansoor aus den Vereingten Arabischen Emiraten (Archivaufnahme)
© Martin Ennals Foundation
Am 9. Mai 2024 fand vor dem Bundesberufungsgericht in Abu Dhabi der zehnte und letzte Verhandlungstag in dem grob unfairen Verfahren gegen 84 emiratische Männer statt. Zu ihnen gehören die Menschenrechtsverteidiger und gewaltlosen politischen Gefangenen Ahmed Mansoor, Mohammed al-Roken und Nasser bin Ghaith. Das Gericht legte als Termin für die Urteilsverkündung den 10. Juli fest.
Appell an
Präsident
Sheikh Mohamed bin Zayed bin Sultan Al Nahyan
c/o Botschaft der Vereinigten Arabischen Emirate
S. E. Herrn Ahmed Alattar
Hiroshimastraße 18 – 20
10785 Berlin
Sende eine Kopie an
Sende einen Tweet an den Präsidenten:
Twitter/X: @MohamedBinZayed
Präsident
Sheikh Mohamed bin Zayed bin Sultan Al Nahyan
(Anrede: Your Highness / Hoheit)
oder sende ein Fax an die:
Botschaft der Vereinigten Arabischen Emirate
S. E. Herr Ahmed Alattar
Hiroshimastraße 18 – 20
10785 Berlin
Fax: 030 – 516 519 00
E-Mail: berlinemb.amo@mofaic.gov.ae
Amnesty fordert:
- Bitte veranlassen Sie, dass die gewaltlosen politischen Gefangenen Ahmed Mansoor, Mohammed al-Roken und Nasser bin Ghaith freigelassen werden, ebenso wie alle anderen Personen, die willkürlich in Haft sind und sich nur deshalb in dem derzeitigen Sammelverfahren verantworten müssen, weil sie ihre Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit wahrgenommen haben.
- Ich bitte Sie außerdem, dafür zu sorgen, dass alle Anklagen, die lediglich auf die Ausübung ihrer Menschenrechte zurückzuführen sind, fallen gelassen werden.
- In der Zwischenzeit fordere ich Sie auf sicherzustellen, dass die Männer unter Bedingungen festgehalten werden, die den internationalen Standards entsprechen, dass sie nicht gefoltert oder anderweitig misshandelt werden und dass sie unverzüglich und regelmäßig Zugang zu ihren Familien und Rechtsbeiständen sowie zu jeglicher medizinischen Versorgung haben, die sie benötigen.
Sachlage
Das Massenverfahren gegen 84 emiratische Männer, darunter 26 gewaltlose politische Gefangene wie Ahmed Mansoor, Nasser bin Ghaith und Mohammed al-Roken, ist gezeichnet von schweren Verstößen gegen die Grundsätze eines fairen Gerichtsverfahrens sowie Folter- und Misshandlungsvorwürfen.
Am 9. Mai 2024 fand vor dem Bundesberufungsgericht in Abu Dhabi der zehnte Verhandlungstag statt, um die Plädoyers der Verteidigung und die Aussagen einiger Inhaftierter zu hören. Der Menschenrechtsverteidiger und politische Gefangene Ahmed Mansoor, der sich selbst vertrat, erklärte, dass das, was die Staatsanwaltschaft als kriminelle Handlungen bezeichnete, lediglich die Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung durch die Inhaftierten sei. Mohammed al-Roken äußerte sich besorgt darüber, dass die Angeklagten wegen Vorwürfen vor Gericht stehen, für die sie bereits 2013 verurteilt worden waren. Andere Angeklagte berichteten von der Verschlechterung ihrer körperlichen und geistigen Gesundheit aufgrund der Haftbedingungen. Das Gericht legte als Termin für die Urteilsverkündung den 10. Juli fest.
Während des gesamten Verfahrens sagten Angeklagte vor Gericht aus, dass sie den ganzen Tag über und insbesondere während ihrer Ruhe- und Schlafzeiten mit sehr lauter Musik beschallt wurden. Sie schilderten, dass sie dann verhört und ihre "Geständnisse" gefilmt wurden und dass jede Verweigerung mit Isolationshaft bestraft wurde. Den Angeklagten wird weiterhin der Kontakt zu ihren Familien oder Rechtsbeiständen verwehrt.
Das neue Massenverfahren hatte am 7. Dezember 2023 unter dem Vorwurf der Gründung einer "terroristischen Vereinigung" und der Unterstützung und Finanzierung dieser Vereinigung begonnen. Bei mindestens 66 Angeklagten im laufenden Massenverfahren verstößt die strafrechtliche Verfolgung gegen das Verbot der Doppelbestrafung, denn sie wurden bereits 2013 in einem Massenverfahren, das als "VAE 94" bekannt ist, wegen der Gründung des Komitees für Gerechtigkeit und Würde, das die Achtung der Menschenrechte in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) einfordert, verurteilt. 60 der damals Verurteilten werden weiterhin festgehalten, obwohl sie ihre Strafe bereits vollständig verbüßt haben.
Hintergrundinformation
Seit Beginn des neuen Massenverfahrens am 7. Dezember 2023 wurden mehrere grobe Verstöße gegen die Rechte der Angeklagten auf ein faires Verfahren beobachtet. Dazu gehört die Beeinflussung von Zeugenaussagen durch die Behörden, das Zurückhalten wichtiger Informationen wie den genauen Anklagepunkten oder den zur Anklageerhebung herangezogenen Rechtsgrundlagen, Beschränkungen für Rechtsbeistände bei der Weitergabe fallrelevanter Dokumente an die Angeklagten und ihre Familien und das Verbot für Familienmitglieder, während des Prozesses an den Anhörungen teilzunehmen.
Einen Monat nach Beginn des Prozesses, am 6. Januar 2024, gaben die Behörden der VAE diesen schließlich über die offizielle Nachrichtenagentur WAM bekannt und bestätigten die Anzahl der Angeklagten sowie die Anklagepunkte, die gegen sie wegen "Gründung einer weiteren Geheimorganisation zum Zweck der Begehung von Gewalttaten und Terrorismus auf dem Boden der VAE" erhoben wurden. Angesichts der Informationen von Familienmitgliedern und der über WAM veröffentlichten Erklärung scheinen die Anklagen auf der Grundlage des Antiterrorgesetzes von 2014 erhoben zu werden und sich auf die angebliche Mitgliedschaft im Komitee für Gerechtigkeit und Würde zu stützen, einem Ableger der al-Islah-Bewegung, die als emiratische Version der Muslimbruderschaft gilt. In der Anklageschrift von 2013 und dem Urteil im sogenannten VAE-94-Prozess (siehe unten) heißt es, das Komitee habe "sich vorgenommen, das Bewusstsein der Gesellschaft für ihre Rechte zu schärfen", "Artikel über diese Rechte veröffentlicht" und "sich um die Kommunikation mit internationalen Rechtsorganisationen bemüht".
Am 19. Januar 2024 erklärten mehrere Expert*innen der Vereinten Nationen ihre Besorgnis angesichts dessen, "dass die neuen Anklagen gegen mindestens 84 Mitglieder der Zivilgesellschaft, darunter Menschenrechtsverteidiger, Aktivisten und politische Dissidenten, im Rahmen des Antiterrorgesetzes von 2014 gegen das internationale Verbot der Doppelbestrafung und das Rückwirkungsverbot verstoßen." Das Verbot der Doppelbestrafung bezieht sich auf den Rechtsgrundsatz, dass Angeklagte nicht innerhalb einer Gerichtsbarkeit erneut wegen einer Straftat angeklagt oder bestraft werden können, wenn sie bereits wegen dieser Tat verurteilt oder von dieser freigesprochen wurden.
Im Jahr 2014 gelang es den VAE, den schon begrenzten Raum für abweichende Meinungen im Land ganz zu schließen, indem sie zahlreiche emiratische Staatsangehörige willkürlich inhaftierten, darunter Dutzende von Personen, die im März 2011 eine an die Führung des Landes gerichtete Petition für demokratische Reformen unterzeichnet hatten. 2013 wurden nach einem grob unfairen, als "VAE 94" bekannten Massenverfahren gegen 94 Angeklagte 69 Personen zu Haftstrafen zwischen sieben und 15 Jahren verurteilt, viele von ihnen wegen ihrer Forderungen nach Reformen und Demokratie. Nach damals in den VAE geltendem Recht war das Urteil rechtskräftig und konnte nicht angefochten werden, was einen Verstoß gegen das Völkerrecht darstellt. Von den 69 verurteilten Männern erhielten fünf eine siebenjährige Haftstrafe, 56 eine zehnjährige Haftstrafe und acht wurden in Abwesenheit zu 15 Jahren Haft verurteilt. 60 der im Rahmen dieses Falls zu Haftstrafen verurteilten Männer bleiben auch nach Verbüßung ihrer Strafen willkürlich inhaftiert.
Der bekannte Menschenrechtsanwalt und ehemalige Präsident des Anwaltsverbands, Mohammed al-Roken, kam am 17. Juli 2012 in Haft. Er wurde im Juli 2013 nach Abschluss des "VAE 94"-Prozesses zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren und einer anschließenden dreijährigen Bewährungszeit verurteilt. Demnach hätte er am 17. Juli 2022 aus der Haft freigelassen werden müssen.
Der Menschenrechtsverteidiger Ahmed Mansoor wurde am 20. März 2017 festgenommen und im Mai 2018 zu zehn Jahren Haft verurteilt. Er wurde u. a. für schuldig befunden, "den Status und das Ansehen der Vereinigten Arabischen Emirate und deren Symbole beleidigt" zu haben, einschließlich der politischen Führung. Seit seiner Festnahme wird Ahmed Mansoor in Einzelhaft gehalten. Bis zu seiner Festnahme war er die einzige unabhängige Stimme in den VAE, die sich nach dem Massenprozess von 2013 weiterhin gegen Menschenrechtsverletzungen im Land aussprach.
Der Menschenrechtsverteidiger Nasser bin Ghaith wurde am 29. März 2017 vom Bundesberufungsgericht in Abu Dhabi Hauptstadt der VAE zu zehn Jahren Haft verurteilt. Er wurde unter anderem wegen "Veröffentlichung falscher Informationen" über die Führung der Vereinigten Arabischen Emirate und ihre Politik schuldig gesprochen, weil er in Kommentaren auf X (ehemals Twitter) erklärt hatte, dass ein früherer Prozess gegen ihn und vier andere Personen unfair gewesen sei. Während seines Prozesses im Jahr 2017 schränkten die Behörden den Zugang zu seinem Rechtsbeistand ein, sodass er sich nicht angemessen auf seine Verteidigung vorbereiten konnte.