Venezuela: Zivilgesellschaftliche Organisationen in Gefahr

Appell an

Jorge Rodriguez
Esqs. Monjas a San Francisco
Hemiciclo. Palacio Federal Legislativo
Carmelitas, Av Sur 2

Caracas, Distrito Capital
VENEZUELA
 

Sende eine Kopie an

Botschaft der Bolivarischen Republik Venezuela
S.E. Herr Ramon Orlando Maniglia Ferreira
Schillstraße 10
10785 Berlin

Fax: 030 – 83 22 40 20
E-Mail: embavenez.berlin@botschaft-venezuela.de

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie auf, diese Gesetzesvorlage in der Nationalversammlung umgehend zu stoppen und jegliche Angriffe, Kontrollversuche, strafrechtliche Verfolgung und Zensur von zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich für den Schutz der Rechte aller Venezolaner*innen und insbesondere der Schutzbedürftigsten unter ihnen einsetzen, zu unterlassen.
  • Außerdem bitte ich Sie, den Menschenrechtsverteidiger, gewaltlosen politischen Gefangenen und Leiter der örtlichen NGO FundaREDES, Javier Tarazona, unverzüglich und bedingungslos freizulassen.

Sachlage

Die neue Gesetzesvorlage, die am Dienstag, den 24. Januar 2023, zur ersten Abstimmung in der Nationalversammlung vorgelegt wurde, zielt darauf ab, in Venezuela tätige Nichtregierungsorganisationen zu kontrollieren, einzuschränken und möglicherweise strafrechtlich zu verfolgen.

Diese Gesetzesvorlage ist ein erneuter Versuch NGOs, humanitäre Organisationen und andere Vertreter*innen der venezolanischen Zivilgesellschaft zu kontrollieren. Sie schränkt deren Menschenrechtsarbeit unverhältnismäßig ein, zu der auch die Unterstützung von Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen, Empfänger*innen von humanitärer Hilfe und anderen hilfsbedürftigen Menschen in Venezuela gehört. NGOs und zivilgesellschaftliche Organisationen erfüllen in jedem Land eine essentielle Aufgabe – insbesondere jedoch in Venezuela, wo über 7,1 Millionen Menschen vor massiven Menschenrechtsverletzungen fliehen mussten. Zahlreiche Venezolaner*innen sind täglich auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Zu den bisherigen Versuchen der Regierung, die venezolanische Zivilgesellschaft zu kontrollieren und anzugreifen gehören die Verwaltungsverordnung Nr. 001 aus dem Jahr 2021 und das sogenannte "Gesetz über die Internationale Zusammenarbeit" ("Ley de Cooperación Internacional") aus dem Jahr 2022. Amnesty International verurteilte beide dieser Initiativen öffentlich und reagierte auf erstere mit der Urgent Action 046/2021 und auf letztere mit einem Offenen Brief an Präsident Nicolás Maduro, der von über 500 zivilgesellschaftlichen Organisationen unterschrieben wurde. Die Verwaltungsverordnung Nr. 001 wurde damals durch neue Verordnungen der venezolanischen Regierung ersetzt, durch die zumindest die problematischsten Elemente der vorherigen Gesetzgebung wieder rückgängig gemacht werden konnten – darunter die Pflicht, die von der NGO unterstützten Personen innerhalb einer einmonatigen Frist offenzulegen, und die Möglichkeit der strafrechtlichen Verfolgung von NGOs im Falle der Unterlassung. Über das "Ley de Cooperación Internacional" stimmte die Nationalversammlung schlussendlich nie ab.

Die aktuelle Gesetzesvorlage ist unter dem Namen "Gesetz über die Überprüfung, Regulierung, Tätigkeit und Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen und verwandten Organisationen" ("Ley de fiscalización, regularización, actuación y financiamiento de las organizaciones no gubernamentales y afines") ein weiterer Versuch, die venezolanische Zivilgesellschaft einzuschränken und zu kontrollieren. Das Gesetz würde bei seiner Verabschiedung strenge Kontrollen mit sich bringen, darunter die Pflicht, Listen mit Informationen über die Mitglieder und das Personal, deren Vermögenswerte, die Spender*innen und die Finanzen der Organisation einzureichen. Die Nichteinhaltung dieser Vorschriften könnte zur Schließung zivilgesellschaftlicher Organisationen und möglicherweise zu ihrer strafrechtlichen Verfolgung führen. Am 24. Januar 2023 wurde erstmals in der Nationalversammlung über die neue Gesetzesvorlage diskutiert und abgestimmt. Sie wurde angenommen und durchläuft nun das Gesetzgebungsverfahren, sofern das Verfahren nicht aufgehalten wird.

Menschenrechtsverteidiger*innen sind in Venezuela ständig der Gefahr von Schikane, Angriffen und möglicher Inhaftierung ausgesetzt. Der Menschenrechtsverteidiger, gewaltlose politische Gefangene und Leiter der örtlichen NGO FundaREDES, Javier Tarazona, befindet sich weiterhin in Haft und wird für seine Verteidigung der Menschenrechte straftrechtlich verfolgt. Wir fordern seine sofortige und bedingungslose Freilassung.

Die Regierung unter Nicolás Maduro fährt eine repressive und auf Schikane, Strafverfolgung und Zensur beruhende Linie gegen Aktivist*innen und zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für die Rechte der Venezolaner*innen einsetzen. In Venezuela herrscht derweil eine komplexe humanitäre und menschenrechtliche Krise, die dazu geführt hat, dass zahllose Menschen bereits das Land verlassen haben, um im Ausland Schutz zu suchen. Im Dezember 2022 hatten bereits 7,1 Millionen Menschen das Land verlassen.

Seit 2020 konnte die unabhängige internationale Ermittlungsmission für die Bolivarische Republik Venezuela in drei Berichten zahlreiche seit 2014 begangene Menschenrechtsverletzungen ausführlich dokumentieren, darunter außergerichtliche Hinrichtungen, Verschwindenlassen, willkürliche Inhaftierungen sowie Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafen. Die Berichte kommen zu dem Schluss, dass die Regierung das Rechtssystem als Instrument der Unterdrückung missbraucht habe und dass die dadurch begagnenen schweren Menschenrechtsverletzungen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleichkommen könnten.