Saudi-Arabien: Menschenrechtler verschwunden

Das Bild zeigt einen Mann, der auf einem Sofa vor einem Bücherregal sitzt

Der saudi-arabische Menschenrechtsverteidiger Mohammed al-Qahtani (Archivbild)

+++ Update 13. Januar 2025: Mit großer Freude haben wir erfahren, dass Dr. Mohammad al-Qahtani am 7. Januar freigelassen wurde. Leider muss er nun den zweiten Teil seiner Strafe, ein Reiseverbot, verbüßen. +++ 
Seit dem 24. Oktober 2022 verweigern die saudi-arabischen Behörden dem inhaftierten Menschenrechtsverteidiger Dr. Mohammad al-Qahtani den Kontakt zu seiner Familie. Seine Angehörigen erhalten keine Auskunft über seinen aktuellen Aufenthaltsort. Dr. Mohammad al-Qahtani ist Mitgründer der mittlerweile aufgelösten saudi-arabischen Organisation für bürgerliche und politische Rechte (ACPRA), ehemals eine der wenigen unabhängigen Menschenrechtsorganisationen Saudi-Arabiens. Der Aktivist sitzt eine 10-jährige Haftstrafe wegen seiner friedlichen Menschenrechtsarbeit ab. Seine Familie vermutet, dass die Behörden ihm den Kontakt untersagen, weil er sich zuvor über Übergriffe gegen ihn beschwert hatte; ein anderer Insasse sei ihn im Oktober 2022 angegangen. Amnesty International ruft die saudi-arabischen Behörden dazu auf, den Aufenthaltsort von Dr. Mohammad al-Qahtani preiszugeben, ihm den Kontakt zu seiner Familie zu erlauben und ihn sofort und bedingungslos freizulassen.

Appell an

König Salman bin Abdulaziz Al Saud
The Custodian of the two Holy Mosque
Office of His Majesty the King
Royal Court, Riyadh
SAUDI-ARABIEN

Sende eine Kopie an

Botschaft des Königreichs Saudi-Arabien
S.E. Herrn Essam Ibrahim Baitalmal
Tiergartenstraße 33-34
10785 Berlin

Fax: 030-889 25 00
E-Mail: deemb@mofa.gov.sa

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie höflich auf, den Aufenthaltsort von Dr. Mohammad al-Qahtari preiszugeben und ihn umgehend und bedingungslos freizulassen.
  • Bis zu seiner Freilassung müssen die zuständigen Behörden sicherstellen, dass er sofort wieder mit seiner Familie in Kontakt treten darf.

Sachlage

Dem saudi-arabischen Menschenrechtsverteidiger und Mitbegründer der ehemaligen saudi-arabischen Menschenrechtsorganisation für bürgerliche und politische Rechte (ACPRA) Dr. Mohammad al-Qahtani (auch Mohammed al-Qahtani) wird seit dem 24. Oktober 2022 der Kontakt zu seiner Familie verweigert. Die Familie darf ihm seitdem auch nicht mehr besuchen.

Gegenüber Amnesty International gab Dr. Mohammad al-Qahtanis Ehefrau an, sie habe seit 11 Tagen keinen Kontakt mehr zu ihrem Mann. Am 30. Oktober 2022 rief sie im Gefängnis an, um sich nach ihrem Mann zu erkundigen. Das Wachpersonal am Telefon teilte ihr mit, dass Dr. Mohammad al-Qahtani in ein anderes Gefängnis verlegt worden sei und dass man seinen neuen Aufenthaltsort nicht kenne.

Dr. Mohammad al-Qahtani war im März 2012 festgenommen und wegen seiner Arbeit für die ACPRA und wegen seines friedlichen Aktivismus verhört worden. Am 9. März 2013 verurteilte ihn das Strafgericht in Riad zu 10 Jahren Gefängnis mit anschließendem Reiseverbot von ebenfalls 10 Jahren Dauer. Verurteilt wurde Dr. Mohammad al-Qahtani unter anderem wegen "Verletzung der Treuepflicht gegenüber dem Herrscher", "Infragestellen der Integrität von Staatsbediensteten", "der Beabsichtigung, die Sicherheit des Landes durch Demonstrationsaufrufe zu gefährden und einen Aufruhr zu starten" sowie "Aufwiegelung internationaler Organisationen gegen das Königreich". Das Gericht ordnete auch die Auflösung der Organisation ACPRA an sowie die Beschlagnahmung ihres Eigentums und die Schließung aller ihrer Social-Media-Konten.

Für Dr. Mohammad al-Qahtani ist es nicht das erste Mal, dass ihm der Kontakt zu seiner Familie verwehrt wird. Im April 2021 war er zeitweise ohne Kontakt zur Außenwelt, nachdem er sich mit dem Coronavirus infiziert hatte. Dies führte zu Sorgen über seinen Gesundheitszustand während der Dauer der Coronainfektion.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Im März 2012 wurden Dr. Mohammad al-Qahtani und Dr. Abdullah al-Hamid (auch: Dr. Abdullah bin Hamid bin Ali al-Hamid) wegen ihrer Arbeit und friedlichen Aktivismus festgenommen. Beide waren Gründungsmitglieder der saudi-arabischen Menschenrechtsorganisation für bürgerliche und politische Rechte (Saudi Civil and Political Rights Association – kurz: ACPRA), die 2009 gegründet wurde. Im März 2013 wurden sie zu 10 bzw. 11 Jahren Gefängnis verurteilt. Dr. Abdullah al-Hamid erlitt am 9. April 2020 einen Schlaganfall und blieb weiterhin in Gewahrsam, obwohl er auf der Intensivstation des al-Shumaisi-Krankenhauses in Riad im Koma lag. Er starb am 24. April 2021.

Mohammed al-Bajadi, ein weiteres der elf Gründungsmitglieder der ACPRA, wurde im März 2011 festgenommen und vor das berüchtigte Sonderstrafgericht in Riad (SCC) gestellt wegen Teilnahme an einem friedlichen Protest vor dem Innenministerium in Riad. Im April 2012 wurde er zu vier Jahren Gefängnis mit anschließendem Reiseverbot von fünf Jahren Dauer verurteilt. Das Gericht befand ihn in einer Reihe von Anklagepunkten für schuldig, die mit seiner friedlichem Menschenrechtsaktivismus zusammenhängen. Nachdem er seitdem mehrere Male festgenommen und wieder freigelassen wurde, nahm man Mohammed al-Bajadi im Mai 2018 erneut fest. Seitdem ist er ohne Anklage oder Gerichtsurteil in Haft.

Mitglieder der mittlerweile aufgelösten saudi-arabischen Menschenrechtsorganisation ACPRA wurden in den vergangenen zehn Jahren häufig zur Zielscheibe der saudi-arabischen Behörden. Vor ihrer Auflösung berichtete ACPRA über Menschenrechtsverletzungen und half den Familien von Gefangenen, die ohne Anklage inhaftiert waren, dabei, mit Beschwerden gegen das Innenministerium vor das Beschwerdegericht zu ziehen – ein Verwaltungsgericht, das für Beschwerden gegen den Staat und öffentliche Dienste zuständig ist.

Stand November 2022 hat Amnesty International die Fälle von 55 Menschen in Saudi-Arabien dokumentiert, die wegen der Ausübung ihrer Rechte auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit strafrechtlich verfolgt worden sind. Unter diesen 55 Menschen sind Menschenrechtsverteidiger*innen, friedliche politische Aktivist*innen, Journalist*innen, Dichter*innen, führende Mitglieder von Religionsgemeinschaften und andere.