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Drohende Hinrichtung
Die Familie von Sulaimon Olufemi in Nigeria im Oktober 2015
© Amnesty International
Dem nigerianischen Staatsbürger Suliamon Olufemi droht in Saudi-Arabien die Hinrichtung. Er wurde 2005 in einem unfairen Gerichtsverfahren zum Tode verurteilt und hat inzwischen sämtliche Rechtsmittel ausgeschöpft. Während elf seiner Mitangeklagten im April aus der Haft entlassen wurden, nachdem sie ihre 15-jährigen Haftstrafen verbüßt hatten, droht Suliamon Olufemi die Vollstreckung seines Todesurteils.
Appell an
His Excellency Adel bin Ahmed Al-Jubeir
Ministry of Foreign Affairs
Postal Code: 55937
Riyadh 11544
SAUDI-ARABIEN
Sende eine Kopie an
Botschaft des Königsreichs Saudi-Arabien
Tiergartenstr. 33-34
10785 Berlin
Amnesty fordert:
- Bitte heben Sie das Todesurteil gegen Suliamon Olufemi auf und ordnen Sie ein neues Verfahren an, das internationalen Standards für faire Verfahren entspricht und nicht auf die Todesstrafe zurückgreift.
- Ich bitte Sie außerdem, eine unabhängige Untersuchung der Folter- und Misshandlungsvorwürfe einzuleiten.
- Bitte sorgen Sie dafür, dass Suliamon Olufemi der regelmäßige Kontakt zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl gewährt wird.
Sachlage
Dem nigerianischen Staatsbürger Suliamon Olufemi droht in Saudi-Arabien die Hinrichtung. Er wurde 2005 in einem unfairen Gerichtsverfahren zum Tode verurteilt und hat inzwischen sämtliche Rechtsmittel ausgeschöpft. Während elf seiner Mitangeklagten im April aus der Haft entlassen wurden, nachdem sie ihre 15-jährigen Haftstrafen verbüßt hatten, droht Suliamon Olufemi die Vollstreckung seines Todesurteils.
Am 17. Mai 2005 wurde der damals 39-jährige Suliamon Olufemi in einem nicht-öffentlichen Verfahren im Zusammenhang mit der Tötung eines Polizisten in Dschidda im Jahr 2002 zum Tode verurteilt. Elf weitere nigerianische Staatsangehörige wurden im selben Verfahren zu 15 Jahren Haft und 1000 Stock- bzw. Peitschenhieben verurteilt. Am 19. April wurden die elf Mitangeklagten aus dem Gefängnis in Dhaban außerhalb von Dschidda freigelassen. Sie hatten die gegen sie verhängten 15-jährigen Haftstrafen verbüßt, und auch die Prügelstrafen waren vollstreckt worden. Am 27. April wurden zehn der Männer nach Nigeria gebracht; der elfte wurde einen Monat später ausgewiesen.
Suliamon Olufemi und seine Mitangeklagten gehörten zu Hunderten Staatsangehörigen Somalias, Ghanas und Nigerias, die im September 2002 im Zuge von Massenfestnahmen nach einem Streit, der den Tod eines saudi-arabischen Polizisten zur Folge hatte, inhaftiert wurden. Während der Untersuchungshaft und des Gerichtsverfahrens hatte Suliamon Olufemi weder Kontakt zu einem Rechtsbeistand noch zu konsularischer Unterstützung durch die nigerianischen Behörden. Zudem wurde nicht angemessen für ihn gedolmetscht oder Dokumente für ihn übersetzt. Suliamon Olufemi und einige der übrigen Angeklagten haben angegeben, während der Verhöre gefoltert oder anderweitig misshandelt worden zu sein. Ihren Angaben zufolge wurden sie außerdem gezwungen, ihre Fingerabdrücke als Unterschrift unter Dokumente zu setzen, die auf Arabisch verfasst worden waren und die sie deshalb nicht lesen konnten. Sie sagten, der erstinstanzliche Richter habe diese Dokumente im Verfahren später als "Geständnisse" bezeichnet.
Die saudische Menschenrechtskommission gab 2007 bekannt, dass das gegen Suliamon Olufemi verhängte Todesurteil sowohl vom Kassationsgericht als auch vom Obersten Justizrat bestätigt worden sei. Somit hat Suliamon Olufemi keine weiteren Möglichkeiten, Rechtsmittel einzulegen. Er ist nach wie vor im Gefängnis von Dhaban inhaftiert und beteuert seine Unschuld.
Hintergrundinformation
Nach Amnesty International vorliegenden Informationen traf am 28. September 2002 eine Gruppe Anwohner, unter ihnen ein Polizist, in einem Stadtteil von Dschidda ein, wo viele Staatsangehörige afrikanischer Länder als Autowäscher_innen arbeiten. Zwischen den Anwohnern und den Autowäscher_innen brach ein Streit aus, bei dem ein Polizist getötet wurde. Am frühen Morgen des folgenden Tages nahmen die Sicherheitskräfte zahlreiche ausländische Staatsangehörige fest. Hunderte afrikanische Staatsangehörige wurden festgenommen und abgeschoben – einige nachdem sie Haftstrafen verbüßt hatten und Prügelstrafen vollstreckt worden waren. Suliamon Olufemi und zwölf weitere nigerianische Staatsangehörige sollen bis Mai 2005 ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten worden sein, bis sie zum ersten Mal Besuch von Vertreter_innen der nigerianischen Behörden erhalten durften.
Nach inzwischen vorliegenden Informationen begann das Gerichtsverfahren der 13 Männer im März 2004. Suliamon Olufemi wurde am 17. Mai 2005 zum Tode verurteilt, die zwölf Mitangeklagten erhielten Gefängnis- und Prügelstrafen. Zunächst hieß es, die Männer seien zu fünf Jahren Haft und 500 Hieben verurteilt worden, im Berufungsverfahren wurde das Strafmaß jedoch auf 15 Jahre Haft und 1000 Schläge erhöht. Im September 2008 starb einer der Männer, Nurudeen Sani, in der Haft. Nach Angaben seiner Mithäftlinge hatte er nicht die angemessene medizinische Versorgung zur Behandlung seiner Krankheiten erhalten.
Am 19. April 2017 wurden die elf Mitangeklagten von Suliamon Olufemi vom Gefängnis Dhaban in eine Abschiebehafteinrichtung in Dschidda verlegt. Dort hielt man sie bis zum 27. April fest und flog sie dann nach Nigeria aus. Der 11. Mann wurde etwa einen Monat später nach Nigeria zurückgebracht.
Nach der Scharia können Personen, die eines Mordes für schuldig befunden wurden, zu qisas (Vergeltung) verurteilt werden, wie im Fall Suliamon Olufemi. In diesen Fällen können die Familienangehörigen des Opfers nach eigenem Ermessen die Hinrichtung verlangen, diya (Entschädigung) fordern oder den Verurteilten begnadigen. Die Begnadigung einer zum Tode verurteilten Person durch die Angehörigen des Opfers muss von einem Gericht bestätigt werden. Das bedeutet jedoch noch nicht, dass die Hinrichtung nicht vollstreckt wird, da Richter bei bestimmte Straftaten genau festgelegte Strafen verhängen können und die Möglichkeit haben, ein Tötungsdelikt neben dem Verbrechen gegen das Opfer und seine Familie auch als Gefahr für die öffentliche Ordnung einzustufen.
Saudi-Arabien hat eine der höchsten Hinrichtungsraten weltweit: zwischen 1985 und 2016 wurden mehr als 2400 Menschen hingerichtet. 2017 sind bislang 40 Todesurteile vollstreckt worden.
In Saudi-Arabien wird die Todesstrafe unverhältnismäßig häufig gegen ausländische Staatsangehörige angewandt, insbesondere gegen Arbeitsmigrant_innen aus von Armut geprägten Ländern in Afrika, dem Nahen Osten und Asien. Von den insgesamt 2.418 Menschen, die zwischen Januar 1985 und Dezember 2016 hingerichtet wurden, waren mindestens 1.137 (etwa 47%) keine Staatsangehörigen Saudi-Arabiens.
Die saudi-arabischen Behörden verstoßen immer wieder gegen internationale Standards für faire Gerichtsverfahren und die UN-Garantien zum Schutz der Rechte von Personen, denen die Todesstrafe droht. Verfahren, in denen die Todesstrafe verhängt wird, sind oftmals Schnellverfahren oder verstoßen gegen internationale Standards für faire Prozesse, unter anderem weil den Angeklagten in keiner Phase des Verfahrens, weder während der Haft noch vor Gericht, ein Rechtsbeistand zur Verfügung gestellt wird. Zudem werden Angeklagte häufig allein auf der Grundlage von unter Folter oder anderen Misshandlungen erpressten "Geständnissen" für schuldig befunden.
Routinemäßig werden Familienangehörige von zum Tode Verurteilten – oder im Fall ausländischer Staatsangehöriger deren konsularische Vertretung – nicht über die bevorstehende Hinrichtung informiert. Selbst wenn das Todesurteil bereits vollstreckt wurde, werden Angehörige oder konsularische Vertretungen nicht umgehend darüber informiert. In vielen Fällen werden die Verurteilten selbst einen Tag vor der angesetzten Hinrichtung darüber informiert, wenn sie zur Vorbereitung auf die Vollstreckung des Urteils in eine Einzelzelle verlegt werden. Es ist mehrfach vorgekommen, dass Familien bzw. konsularische Vertretungen erst über die Medien oder öffentliche Verlautbarungen über die Hinrichtung eines Angehörigen oder Staatsbürger ihres Landes erfahren haben.
Amnesty International wendet sich in allen Fällen, weltweit und ausnahmslos gegen die Todesstrafe, ungeachtet der Schwere und der Umstände einer Tat, der Schuld, Unschuld oder besonderen Eigenschaften des Verurteilten, oder der vom Staat gewählten Hinrichtungsmethode, da sie das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschriebene Recht auf Leben verletzt und die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen darstellt.