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Russland: Nawalny muss freigelassen werden
Diese Urgent Action ist beendet.
Der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny ist seit dem 23. April nicht mehr Lebensgefahr. An diesem Tag erhielt er Zugang zu medizinischer Versorgung. Obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und andere internationale Gremien seine Inhaftierung als rechtswidrig einstufen, weigern sich die russischen Behörden Alexej Nawalny freizulassen. Amnesty International wird weiterhin seine sofortige und bedingungslose Freilassung sowie Gerechtigkeit für ihn und weitere Betroffene von politisch motivierter Strafverfolgung fordern.
Der russische Kreml-Kritiker Alexej Nawalny wurde am 17. Januar 2021 direkt nach seiner Rückkehr aus Berlin am Moskauer Flughafen Scheremetjewo festgenommen.
© Sergei Bobylev / TASS / dpa / pa
+ + + Aktualisierung 2.2.2021: Alexej Nawalny ist zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt worden + + +
Am 17. Januar wurde der Oppositionspolitiker Alexej Nawalny bei der Rückkehr nach Moskau festgenommen. Im August 2020 hatte er nur knapp einen Giftanschlag überlebt, bei dem laut unabhängigen Stellen das Nervengift Nowitschok eingesetzt wurde. Die vergangenen fünf Monate verbrachte er in Deutschland in Behandlung. Er ist ein gewaltloser politischer Gefangener, der willkürlich und aufgrund politisch motivierter Anklagen inhaftiert ist.
Appell an
Vladimir Vladimirovich Putin
Ilyinka St. 23
103132 Moscow
RUSSISCHE FÖDERATION
Sende eine Kopie an
Botschaft der Russischen Föderation
S. E. Herrn Sergei J. Netschajew
Unter den Linden 63 - 65
10117 Berlin
Fax: 030-229 93 97
E-Mail: info@russische-botschaft.de
Amnesty fordert:
- Bitte sorgen Sie dafür, dass Alexej Nawalny umgehend und bedingungslos freigelassen wird.
- Stellen Sie bitte sicher, dass die Einschüchterung und Strafverfolgung von Alexej Nawalny und allen anderen Regierungskritiker_innen umgehend beendet wird.
Sachlage
Der russische Politiker Alexej Nawalny ist ein prominenter Kreml-Kritiker und setzt sich für die Korruptionsbekämpfung ein. Am 17. Januar wurde er bei seiner Ankunft auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo festgenommen, als er von Berlin nach Moskau zurückflog. Am 13. Januar hatte er angekündigt, trotz des Risikos einer Festnahme nach Moskau zurückkehren zu wollen. Am 17. Januar wurden zahlreiche Menschen, die ihn am Moskauer Flughafen Wnukowo begrüßen wollten, von der Bereitschaftspolizei festgenommen. In letzter Minute wurde sein Flug dann auf den Flughafen Scheremetjewo umgeleitet, wo er an der Grenzkontrolle festgenommen wurde. Am 18. Januar ordnete man gegen Alexej Nawalny in einem Verfahren auf einer Polizeiwache 30 Tagen Haft an, obwohl das bei der Überprüfung von Verstößen gegen Bewährungsauflagen gesetzlich nicht vorgesehen ist. Ihm wird vorgeworfen, gegen die Meldeauflagen aus einem früheren Strafprozess verstoßen zu haben.
Amnesty International betrachtet die Festnahme und Inhaftierung von Alexej Nawalny als willkürlich und politisch motiviert. Der ihm vorgeworfene mutmaßliche Verstoß gegen Bewährungsauflagen bezieht sich auf eine Verurteilung in einem Strafverfahren, das vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte 2019 als politisch motiviert eingestuft wurde. Das Urteil verpflichtete den Oppositionspolitiker, sich regelmäßig bei der Bewährungsstelle zu melden, was ihm während seiner Behandlung nicht möglich war. Die russischen Behörden führen nun an, dass sein Behandlungs- und Genesungsaufenthalt in Deutschland gegen seine Bewährungsauflagen verstoßen habe.
Alexej Nawalny ist ein bekannter Kreml-Kritiker. Wie viele andere Personen in Russland wurde er willkürlich ins Visier genommen und inhaftiert, weil er friedlich politisch aktiv ist und sein Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnimmt. Er ist ein gewaltloser politischer Gefangener und muss umgehend und bedingungslos freigelassen werden.
Hintergrundinformation
Im Jahr 2011 gründete Alexej Nawalny seine Stiftung zur Korruptionsbekämpfung (FBK), die bereits zahlreiche Berichte über mutmaßliche Korruption unter hochrangigen russischen Regierungsangehörigen sowie Politiker_innen und Geschäftsleuten veröffentlicht hat. Für diese Arbeit sind Alexej Nawalny und andere FBK-Angestellte und -Unterstützer_innen in der Vergangenheit gezielt schikaniert worden, z. B. mittels konstruierter Straf- und Verwaltungsanklagen, polizeilicher Durchsuchungen, tätlicher Gewalt und selektiven Einzugs zum Wehrdienst.
Alexej Nawalny ist schon einige Male festgenommen worden, unter anderem wegen der Aufforderung zu und Teilnahme an friedlichen Demonstrationen. Im Jahr 2014 verbrachte er zehn Monate unter Hausarrest und mehrere Monate in sogenannter "Verwaltungshaft". Amnesty International hat ihn schon häufiger als gewaltlosen politischen Gefangenen anerkannt.
Alexej Nawalny und sein Bruder Oleg Nawalny wurden 2014 politisch motivierter Betrugsanklagen für schuldig befunden. Oleg Nawalny erhielt eine dreieinhalbjährige Haftstrafe und Alexej Nawalny wurde zu dreieinhalb Jahren auf Bewährung verurteilt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschied 2019, dass die Strafverfolgung von Alexej Nawalny politisch motiviert war und sein Hausarrest vor dem Verfahren als willkürlich zu betrachten sei (Navalny v. Russia (Nr. 2), Nr. 43734/14). Der russische Oberste Gerichtshof ordnete eine Neuverhandlung an, die jedoch die vom EGMR geforderten Menschenrechtsgarantien nicht einhielt und das ursprüngliche Urteil bestätigte. Die damit einhergehenden Bewährungsauflagen waren bis 30. Dezember 2020 geltend und verlangten, dass sich Alexej Nawalny regelmäßig bei der Bewährungsstelle meldet.
Am 20. August 2020 wurde Alexej Nawalny auf einem Flug von Tomsk (in Sibirien) nach Moskau schwer krank. Das Flugzeug machte eine Notlandung in Omsk, wo er komatös ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Die Diagnose der russischen Ärzt_innen war uneindeutig. Infolge von Forderungen seiner Familie und einer energischen nationalen und internationalen Kampagne wurde Alexej Nawalny am 22. August zur Behandlung nach Berlin geflogen. Präsident Putin behauptete später, die Verlegung sei ihm persönlich zu verdanken. Alexej Nawalnys Zustand besserte sich allmählich und er wurde Ende September zur Rehabilitation aus dem Krankenhaus entlassen.
Sachverständige aus Deutschland und anderen Ländern kamen zu dem Schluss, dass Alexej Nawalny mit dem Nervengift Nowitschok vergiftet worden war. Nowitschok wird von der Organisation für das Verbot chemischer Waffen als Chemiewaffe eingestuft. Vertreter_innen von Alexej Nawalny haben zahlreiche Versuche unternommen, die russischen Behörden zu einer strafrechtlichen Untersuchung des mutmaßlichen Giftanschlags zu bewegen – bisher ohne Erfolg.
Das internationale investigative Recherchenetzwerk Bellingcat veröffentlichte am 14. Dezember 2020 gemeinsam mit einigen Medienkanälen Nachweise dafür, dass Angehörige des russischen Geheimdienstes FSB mit einem Hintergrund in Medizin und Chemie den Kreml-Kritiker seit Jahren beschattet hatten, so auch auf seiner Reise nach Tomsk, und dass sie für den Giftanschlag verantwortlich seien. Präsident Putin räumte zwar ein, dass der FSB Alexej Nawalny "im Auge behalten" habe, wies jedoch jegliche Anschuldigungen über Tötungsversuche zurück.
Wenige Tage nach der Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse von Bellingcat wurde ein neues Strafverfahren gegen Alexej Nawalny eröffnet, in dem er beschuldigt wurde, Spenden seiner Unterstützer_innen "veruntreut" zu haben. Am 28. Dezember 2020, zwei Tage vor Auslaufen seiner Bewährungsauflagen, warnte der russische Strafvollzugsdienst den Oppositionspolitiker, dass er gegen die Auflagen verstoße, da er sich nicht bei der Bewährungsstelle meldete. Die Behörden forderten seine Festnahme und die Umwandlung seiner Bewährungsstrafe in eine dreieinhalbjährige Haftstrafe.