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Pakistan: Abgeschoben und kein Kontakt zur Aussenwelt
Landkarte von Pakistan (auf Englisch)
© Amnesty International
Am 27. Januar 2022 lauerten emiratische Sicherheitskräfte dem 37-jährigen Abdul Hafeez vor seinem Haus in Dubai auf und nahmen ihn fest. Nur acht Tage später wurde er in sein Herkunftsland Pakistan abgeschoben. Von dort war er 2012 geflohen, nachdem mehrere seiner Familienmitglieder bei Anschlägen getötet worden waren. Seine Familie weiß nicht, wo er festgehalten wird, sie kennt die gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht und weiß auch nicht, ob sie gegen das Vorgehen der Behörden Rechtsmittel einlegen kann. Seine Angehörigen gehen davon aus, dass Abdul Hafeez in Pakistan in großer Gefahr schwebt.
Appell an
Honourable Sheikh Rasheed Ahmad
Minister of Interior
Room 409, 4th floor, R Block
Pak Secretariat, Constitution Avenue
Red Zone, Islamabad
PAKISTAN
Sende eine Kopie an
Botschaft der Islamischen Republik Pakistan
S. E. Herrn Mohammad Faisal
Schaperstr. 29
10719 Berlin
Fax: 030-2124 4210
E-Mail: mail@pakemb.de
Amnesty fordert:
- Ich bitte Sie, den Verbleib von Abdul Hafeez bekanntzugeben und ihm regelmäßigen Kontakt zu seiner Familie und einem Rechtsbeistand seiner Wahl zu gestatten. Wenn er eines international anerkannten Verbrechens angeklagt ist, müssen seine Rechte auf ein faires Verfahren in vollem Umfang gewährleistet und respektiert werden.
Sachlage
Die Sicherheit und das Leben von Abdul Hafeez sind akut in Gefahr. Der Betreiber eines Haushaltsgeräte-Services in Dubai wurde durch die dortigen Behörden rechtswidrig festgenommen und am 4. Februar aus den Vereinigten Arabischen Emiraten in sein Herkunftsland Pakistan abgeschoben. Seine Angehörigen haben keinen Kontakt zu ihm. Sie kennen weder seinen Aufenthaltsort noch wissen sie, ob er überhaupt noch am Leben ist.
Abdul Hafeez verließ Pakistan im Jahr 2012, weil er und seine Familie bedroht wurden. Seine Frau und sein Sohn haben große Angst um ihn. Sein Vater wurde 2012 in Belutschistan erschossen, sein Bruder wurde 2010, vermutlich von Sicherheitskräften, entführt und zwei Wochen später tot aufgefunden. Die Familie muss über seinen Aufenthaltsort und die gegen ihn erhobenen Vorwürfe informiert werden, damit sie sich angemessen auf einen Prozess vorbereiten kann – auf den er als pakistanischer Staatsbürger verfassungsgemäß ein Recht hat.
Hintergrundinformation
Am 27. Januar 2022 tauchten mehrere Männer, die sich als Polizisten und Beamte der Regulierungsbehörde für die Sicherheitsindustrie (Security Industry Regulatory Agency, SIRA) ausgaben, vor dem Wohnhaus von Abdul Hafeez und seiner Familie in Dubai auf und fragten den dortigen Wachmann nach ihm. Sie warteten, bis Abdul Hafeez nach Hause kam, verstellten das Eingangstor und nahmen ihn auf dem Parkplatz fest. Als seine Familie die Festnahme später auf dem Polizeirevier von Khawaneej melden wollte, sagten die dortigen Beamt_innen nur, dass sie später wiederkommen solle. Am 31. Januar 2022 rief ein Polizeibeamter bei seiner Familie an und verlangte den Reisepass von Abdul Hafeez. Auf die Bitte um weitere Informationen leugnete der Beamte jedoch, dass dieser in ihrem Gewahrsam sei.
Angaben seiner Familie zufolge zog Abdul Hafeez 2012 nach Dubai, nachdem er in Pakistan Morddrohungen erhalten hatte. Sein Vater war im Februar 2012 in der Stadt Khuzdar in Belutschistan erschossen worden. Im Oktober 2010 war sein jüngerer Bruder – vermutlich von Sicherheitskräften – entführt und zwei Wochen später tot aufgefunden worden. Am Morgen des 26. Dezember 2018 befand sich der Cousin von Abdul Hafeez, Rashid Hussain, gerade mit drei Kollegen auf dem Weg zur Arbeit, als ihn Angehörige der emiratischen Sicherheitskräfte festnahmen. Einige Wochen später wurde er nach Pakistan abgeschoben. Seitdem fehlt von ihm jede Spur. Rashid Hussain war nach einem bewaffneten Angriff auf das chinesische Konsulat in Karatschi 2018 zum Hauptverdächtigen erklärt worden. (vgl. https://www.amnesty.de/mitmachen/urgent-action/vereinigte-arabische-emi…)
Eine so langanhaltende Haft ohne Kontakt zur Außenwelt entspricht der Legaldefinition des Verschwindenlassens in Artikel 2 des Internationalen Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen. Weder Pakistan noch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) sind Vertragsparteien dieses Abkommens, aber beide sind Vertragsstaaten des Übereinkommens gegen Folter – und es gibt glaubwürdige Berichte darüber, dass in der Vergangenheit Verschwundene gefoltert und anderweitig misshandelt wurden. Darüber hinaus hat Pakistan den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte ratifiziert.
Wenn aufgrund von Anklagen in Pakistan oder den VAE ein Auslieferungsverfahren oder andere gerichtliche Verfahren gegen Abdul Hafeez laufen, so müssen diese öffentlich und unter umfassender Beachtung des Rechts auf einen fairen Prozess stattfinden. Dies beinhaltet auch den Zugang zu einem Rechtsbeistand von Beginn der Inhaftierung an sowie die Möglichkeit sich mit diesem vertraulich zu besprechen. Der im Völkerrecht festgeschriebene Grundsatz der Nicht-Zurückweisung (Non-Refoulement-Prinzip) verbietet es, Menschen in Staaten auszuweisen, zurückzuweisen, abzuschieben oder auszuliefern, in denen ihnen schwere Menschenrechtsverletzungen wie z. B. Folter und andere Misshandlungen drohen.
Die Menschenrechtskrise in der pakistanischen Provinz Belutschistan hält an. Sie ist geprägt von Berichten über Verschwindenlassen und außergerichtliche Hinrichtungen mutmaßlicher militanter Belutsch_innen und Oppositioneller – die von der Regierung terroristischer Aktivitäten beschuldigt werden – durch die Sicherheitskräfte. Amnesty International nimmt keine Stellung zur Schuld oder Unschuld derjenigen, die an Anschlägen beteiligt gewesen sein sollen, die von Regierungen als terroristische Akte eingestuft werden. Doch haben alle Menschen einen Anspruch darauf, ihre nach nationalem und internationalem Recht garantierten Menschenrechte wahrnehmen zu können. Amnesty International verurteilt wahllose Angriffe und Anschläge auf die Zivilbevölkerung, die von bewaffneten Gruppen verübt werden. Die Organisation erkennt die Pflicht der pakistanischen Behörden an, Verbrechen, einschließlich Gewaltverbrechen wie Terrorakte, zu verhindern und zu bestrafen und diejenigen vor Gericht zu stellen, die verdächtigt werden, für solche Verbrechen verantwortlich zu sein. Indem Pakistan jedoch Personen, die terroristischer Aktivitäten oder Verbindungen zu terroristischen Gruppen verdächtigt werden, verschwinden lässt, verletzt es nicht nur deren Menschenrechte schwer, sondern auch seine Pflicht, diese Personen im Rahmen eines fairen Gerichtsverfahrens anzuklagen und sie im Falle eines Schuldspruchs zu bestrafen.