Libyen: Sufi-Scheich freilassen!

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Das zeigt Muftah Al-Amin Al-Biju  auf einem Teppich am Boden sitzend. Er blickt nach rechts.

Der libysche Scheich Muftah Al-Amin Al-Biju (undatiertes Foto)

Der erkrankte Sufi-Scheich Muftah Al-Amin Al-Biju ist seit seiner willkürlichen Festnahme in seinem Haus in Benghazi am 4. Februar 2024 "verschwunden". Hintergrund ist ein verschärftes Vorgehen bewaffneter Gruppen gegen Sufi-Geistliche und -Aktivist*innen. Diese bewaffneten Gruppen sind mit den selbsternannten Libysch-Arabischen Streitkräften (LAAF) verbündet, die de facto den Osten Libyens kontrollieren. Jüngste Berichte über Folter und andere Misshandlungen im Gefängnis von Gernada, wo Muftah Al-Amin Al-Biju vermutlich festgehalten wird, haben die Sorge um seine Gesundheit und sein Wohlergehen noch verstärkt.

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Dein Appell

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Sehr geehrter Herr Feldmarschall,

der erkrankte Sufi-Scheich Muftah Al-Amin Al-Biju ist seit seiner willkürlichen Festnahme in seinem Haus in Benghazi am 4. Februar 2024 "verschwunden". Hintergrund ist ein verschärftes Vorgehen bewaffneter Gruppen gegen Sufi-Geistliche und -Aktivist*innen. Diese bewaffneten Gruppen sind mit den selbsternannten Libysch-Arabischen Streitkräften (LAAF) verbündet, die de facto den Osten Libyens kontrollieren. Jüngste Berichte über Folter und andere Misshandlungen im Gefängnis von Gernada, wo Muftah Al-Amin Al-Biju vermutlich festgehalten wird, haben die Sorge um seine Gesundheit und sein Wohlergehen noch verstärkt.

Der 79-Jährige wurde am 4. Februar 2024 in seinem Haus im Stadtviertel Bouatni von Benghazi von schwer bewaffneten Männern in Zivil festgenommen. Scheich Al-Bijus Inhaftierung erfolgte im Rahmen eines umfassenderen Vorgehens gegen Sufis, die nicht dem Madchalismus, einer islamistischen Strömung im Salafismus, anhängen, wie es viele mit der LAAF verbündete bewaffnete Gruppen tun. Auch ein Jahr nach der Festnahme von Scheich Al-Biju hat seine Familie noch keine offiziellen Informationen über seinen Aufenthaltsort, sein Schicksal oder seinen rechtlichen Status erhalten.

Bitte geben Sie umgehend das Schicksal und den Verbleib von Scheich Al-Biju bekannt und lassen Sie ihn unverzüglich und bedingungslos frei, da er sich ausschließlich wegen der friedlichen Ausübung seiner Menschenrechte wie dem Recht auf Religionsfreiheit in Haft befindet. 

Bis zu seiner Freilassung muss ihm umgehend Zugang zu seiner Familie, seinen Rechtsbeiständen und jeder benötigten medizinischen Versorgung – auch außerhalb des Gefängnisses – gewährt werden. Sorgen Sie dafür, dass er unter Bedingungen festgehalten wird, die internationalen Standards entsprechen, und vor Folter und anderen Misshandlungen geschützt ist. 

Außerdem muss unabhängigen Beobachter*innen der uneingeschränkte und unangekündigte Zugang zum Gefängnis Gernada sowie zu anderen Gefängnissen und Hafteinrichtungen unter der Kontrolle der LAAF im Osten und Süden Libyens gewährt werden.

Mit freundlichen Grüßen

 

Dear Field Marshal Khalifa Haftar,

I am writing to express my deep concern over the ongoing enforced disappearance of 79-year-old Sufi Sheikh Muftah Al-Amin Al-Biju (hereafter Sheikh Al-Biju), since his arbitrary arrest from his home in the area of Bouatni in Benghazi on 4 February 2024 by heavily armed men in plainclothes. Sheikh Al-Biju’s detention is part of a larger crackdown targeting Sufis not espousing the Madkhali Salafi ideology to which many powerful armed groups allied to LAAF adhere. A year on, the family has received no official information regarding his whereabouts, fate, or legal status.

His family was told by unofficial sources that Sheikh Al-Biju was being detained in Gernada prison, near the eastern city of al-Bayda, where his health has been deteriorating since his incarceration. Even prior to his detention, Sheikh Al-Biju had diabetes and a frail immunity system being a cancer survivor. A family member also learned of Sheikh Al-Biju’s brief transfer to Cyrenaic Teaching Hospital, located in Shahat, in September 2024, but was unable to visit or obtain more information. Concerns about his wellbeing are mounting amid reports of torture and other ill-treatment in Gernada prison. Former detainees also recount cruel and inhuman detention conditions including exposure to extreme cold without climate appropriate clothing or bedding, and denial of adequate healthcare.

I urge LAAF to immediately disclose the fate and whereabouts of Sheikh Al-Biju; and release him immediately as his detention is linked solely to his exercise of his human rights, including to freedom of religion. In the meantime, the LAAF must grant Sheikh Al-Biju access to his family, lawyers and adequate healthcare, including in outside hospitals if necessary. He must be protected from torture and other ill-treatment and held in conditions meeting international standards. Finally, the LAAF must also allow independent monitors unfettered and unannounced access to Gernada prison and other prisons and detention facilities under its control in eastern and southern Libya.

Yours sincerely,

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Appell an

Khalifa Binqasem Haftar
General Commander of the Libyan Arab Armed Forces (LAAF)

(keine Briefzustellung möglich!)

Amnesty fordert:

  • Bitte geben Sie umgehend das Schicksal und den Verbleib von Scheich Al-Biju bekannt und lassen Sie ihn unverzüglich und bedingungslos frei, da er sich ausschließlich wegen der friedlichen Ausübung seiner Menschenrechte wie dem Recht auf Religionsfreiheit in Haft befindet. 
  • Bis zu seiner Freilassung muss ihm umgehend Zugang zu seiner Familie, seinen Rechtsbeiständen und jeder benötigten medizinischen Versorgung – auch außerhalb des Gefängnisses – gewährt werden. Sorgen Sie dafür, dass er unter Bedingungen festgehalten wird, die internationalen Standards entsprechen, und vor Folter und anderen Misshandlungen geschützt ist. 
  • Außerdem muss unabhängigen Beobachter*innen der uneingeschränkte und unangekündigte Zugang zum Gefängnis Gernada sowie zu anderen Gefängnissen und Hafteinrichtungen unter der Kontrolle der LAAF im Osten und Süden Libyens gewährt werden.

Sachlage

Das Verschwindenlassen des Sufi-Scheichs Muftah Al-Amin Al-Biju (im Folgenden Scheich Al-Biju genannt) seit seiner willkürlichen Festnahme gibt Anlass zu großer Sorge. Der 79-Jährige wurde am 4. Februar 2024 in seinem Haus im Stadtviertel Bouatni von Benghazi von schwer bewaffneten Männern in Zivil festgenommen. Scheich Al-Bijus Inhaftierung erfolgte im Rahmen eines umfassenderen Vorgehens gegen Sufis, die nicht dem Madchalismus, einer islamistischen Strömung im Salafismus, anhängen, wie es viele mit der LAAF verbündete bewaffnete Gruppen tun. Auch ein Jahr nach der Festnahme von Scheich Al-Biju hat seine Familie noch keine offiziellen Informationen über seinen Aufenthaltsort, sein Schicksal oder seinen rechtlichen Status erhalten.

Nach Informationen von Amnesty International durchsuchten die etwa 20 bewaffneten Männer, die Scheich Al-Biju festnahmen, auch sein Haus und stahlen etwa 150.000 libysche Dinar (rund 30.000 Euro), bevor sie in sechs Fahrzeugen zum Stützpunkt der Sicherheitsbehörde Stability Support Apparatus (SSA) im Osten fuhren. Diese befindet sich im Stadtteil Ras al-Minqar von Benghazi und steht offiziell unter der Aufsicht des Innenministeriums der "libyschen Regierung" des amtierenden Premierministers Ossama Hamad. Mitarbeiter*innen vor Ort bestritten jedoch, Scheich Al-Biju in Gewahrsam zu haben, und eine Anzeige bei der Generalstaatsanwaltschaft des Berufungsgerichts in Benghazi vom 15. Februar 2024 über das Verschwinden von Scheich Al-Biju blieb unbeantwortet.

Amnesty International zufolge erfuhren Familienangehörige aus inoffiziellen Quellen, dass sich Scheich Al-Biju im Gefängnis Gernada in der Nähe der Stadt Al-Bayda im Osten des Landes befände und sein Gesundheitszustand sich seit der Inhaftierung verschlechtert hätte. Scheich Al-Biju hatte bereits vor seiner Inhaftierung Diabetes und nach einer Krebserkrankung ein schwaches Immunsystem. Ein Familienmitglied erfuhr auch von der kurzzeitigen Verlegung von Scheich Al-Biju in das Cyrenaic-Lehrkrankenhaus in Shahat im September 2024, konnte ihn jedoch weder besuchen noch weitere Informationen in Erfahrung bringen. Angesichts von Berichten über Folter und andere Misshandlungen im Gernada-Gefängnis wächst die Besorgnis um sein Wohlergehen. Ehemalige Häftlinge berichten auch von grausamen und unmenschlichen Haftbedingungen, z. B. von extremer Kälte ohne angemessene Kleidung oder Bettzeug und der Verweigerung einer angemessenen medizinischen Versorgung.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Nach Informationen von Amnesty International wurde Scheich Al-Biju mehrfach von salafistischen Gruppen bedroht. So gab es 2013 u. a. einen gescheiterten Attentatsversuch, und 2016 musste er sein Koran-Zentrum im Stadtteil Gardens von Benghazi schließen und ab diesem Zeitpunkt von zu Hause aus unterrichten. Aus informierten Quellen erfuhr Amnesty International außerdem, dass Scheich Al-Biju zunächst von der Sicherheitsbehörde SSA festgehalten wurde. Die SSA, die nach Informationen von Amnesty International für eine Ideologie des salafistischen Madchalismus steht, hält auch mehrere andere inhaftierte Sufi-Geistliche und -Aktivist*innen in ihrem Gewahrsam. Die Sicherheitsbehörde veröffentlicht auf ihren Social-Media-Kanälen häufig Videos, die Festnahmen wegen "Hexerei und Zauberei" zeigen. Inoffiziellen Informationen zufolge wurde Scheich Al-Biju später in das Gefängnis von Gernada verlegt.

Im November 2024 gab der Oberste Rat für den islamischen Sufismus in Libyen eine Erklärung ab, in der er die anhaltende Verfolgung von Sufi-Scheichs und ihren Anhänger*innen in Libyen verurteilte. Er schlug Alarm wegen willkürlicher Inhaftierungen, Folter und anderer Misshandlungen, Todesfällen in Haft, Verschwindenlassen und erzwungener "Geständnisse", die dazu führten, dass mehrere Scheichs in Benghazi der "Hexerei" beschuldigt wurden. Außerdem verwies er darauf, dass die Anhänger*innen eines salafistischen Madchalismus seit dem Sturz der Herrschaft Muammar al-Gaddafis im Jahr 2011 versuchen, die Sufi-Orden zu diskreditieren und zu untergraben. Am 9. Januar 2024 verabschiedete das der LAAF nahestehende libysche Parlament ein neues Gesetz, das "Hexerei und Zauberei" unter Strafe stellt. Die Strafen reichen von Freiheitsstrafen bis zu vierzehn Jahren bis hin zur Todesstrafe.

Amnesty International hat immer wieder Folter und andere Misshandlungen in Gefängnissen und Hafteinrichtungen unter der Kontrolle der LAAF dokumentiert, darunter in der "Internal Security Agency" (ISA) und in den "militärischen" Abteilungen des Gefängnisses Gernada. Zu den am häufigsten berichteten Foltermethoden gehören Schläge mit verschiedenen Gegenständen, darunter auch mit Wasserrohren (lokal als "Tubu PPR" bekannt), Auspeitschen, das Aufhängen in schmerzhaften Körperhaltungen sowie das Androhen von Vergewaltigungen und andere Drohungen. Auch Familien in Gernada Inhaftierter beklagen sich seit langem darüber, dass sie ihre Angehörigen manchmal jahrelang nicht besuchen können und ihnen der Kontakt verwehrt wird. Libyen ist derzeit zwischen zwei großen Akteuren aufgeteilt, die um Legitimität, Regierungsführung und territoriale Kontrolle konkurrieren. Die Regierung der Nationalen Einheit (Government of National Unity – GNU) kontrolliert Tripolis und den größten Teil Westlibyens, während die Libysch-Arabischen Streitkräfte (LAAF), eine mächtige bewaffnete Gruppe, de facto den Osten und Süden Libyens kontrolliert.

Amnesty International dokumentiert schon seit langem, wie mit den Lybisch-Arabischen Streitkräfte (Libyan Arab Armed Forces – LAAF) verbündete Gruppierungen wie die bewaffneten Gruppen Internal Security Agency (ISA) Benghazi und Tariq Ben Zeyad tatsächliche oder vermeintliche Kritiker*innen und Gegner*innen der LAAF willkürlich festnehmen, verschwinden lassen, foltern und anderweitig misshandeln. Seit Januar 2024 haben schwer bewaffnete Angehörige der ISA in den von der LAAF kontrollierten Gebieten Ost- und Südlibyens Dutzende von Menschen, darunter Frauen und Männer über 70, ohne Haftbefehl in ihren Häusern, auf der Straße oder an anderen öffentlichen Orten festgenommen. Die Festgenommenen wurden dann in von der ISA kontrollierte Einrichtungen gebracht und dort monatelang willkürlich festgehalten, ohne Kontakt zu ihren Familien oder Rechtsbeiständen aufnehmen zu dürfen. Niemand von ihnen wurde den zivilen Justizbehörden vorgeführt, durfte die Rechtmäßigkeit derInhaftierung anfechten oder wurde offiziell einer Straftat angeklagt. 

Am 16. Januar 2025 kündigte die der LAAF unterstellte Militärstaatsanwaltschaft die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses an. Er soll Berichte über Folter und andere Misshandlungen im Gernada-Gefängnis untersuchen, nachdem im Internet Videos aufgetaucht waren, die zeigen, wie Häftlinge in Gernada gefoltert und anderweitig misshandelt werden, darunter durch Schläge und Auspeitschen. Nach Informationen der libyschen Menschenrechtsorganisation Libyan Crimes Watch (LCW) haben mindestens fünf ehemalige Häftlinge LCW gegenüber bestätigt, dass die Videos den so genannten "Verwaltungstrakt" im ersten Stock des Gefängnisses in der Nähe des Büros der Gefängnisleitung zeigen und dass einige Angehörige des Gefängnispersonals, die bei der Misshandlung von Gefangenen zu sehen sind, Uniformen der Militärpolizei der LAAF tragen. Amnesty International fordert die libyschen Behörden einmal mehr auf, unverzüglich zielführende, unabhängige und gründliche Ermittlungen zu den Folter- und anderen Misshandlungsvorwürfen im Gernada-Gefängnis durch zivile Justizorgane durchzuführen. Die Verantwortlichen müssen in fairen Verfahren zur Rechenschaft gezogen und Personen, die im begründeten Verdacht stehen, Menschenrechtsverstöße begangen zu haben, aus Positionen entfernt werden, in denen sie erneut ähnliche Verstöße begehen oder die Ermittlungen behindern könnten, bis das Ergebnis aus Ermittlungen und Strafverfolgung vorliegt. Verbrechen unter dem Völkerrecht und Menschenrechtsverletzungen durch Angehörige der Streitkräfte sollten nicht in die Zuständigkeit von Militärgerichten fallen. Seit der Ankündigung der Einleitung von Ermittlungen am 16. Januar 2025 wurden keine weiteren Einzelheiten über den Fortschritt oder die Ergebnisse der Untersuchungen öffentlich bekannt gegeben.