Erneut Haftverlängerung für NGO-Mitarbeiter

Zeichnung einer Figur hinter Gefängnisgittern

Am 11. September bewilligte das israelische Militärgericht in den besetzten palästinensischen Gebieten in Ofer den Antrag, die Verwaltungshaftanordnung für Ayman Nasser um weitere vier Monate zu verlängern. Damit endet seine Haftzeit voraussichtlich am 4. Januar 2020. Der NGO-Mitarbeiter befindet sich bereits seit dem 17. September 2018 ohne Anklage oder Gerichtsverfahren im Militärgefängnis von Ofer nahe Ramallah im Westjordanland. Ayman Nasser ist Koordinator der Rechtsabteilung für die palästinensische Menschenrechtsorganisation Addameer.

Appell an

Major-General Nadav Padan

GOC Central Command  

Military Post 01149, Battalion 877  

Israel Defence Forces, ISRAEL

 

Sende eine Kopie an

Botschaft des Staates Israel

S. E. Herrn Jeremy Nissim Issacharoff

Auguste-Viktoria-Straße 74-76

14193 Berlin

Fax: 030 – 8904-5555

E-Mail: botschaft@israel.de

 

Amnesty fordert:

  • Bitte lassen Sie Ayman Nasser und alle anderen Verwaltungshäftlinge frei, sofern sie nicht umgehend einer international als Straftat anerkannten Handlung angeklagt und gemäß den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren vor Gericht gestellt werden.
  • Gewähren Sie Ayman Nasser bitte umgehend Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung und zu Behandlungen durch Fachärzt_innen. Leiten Sie bitte umgehend Maßnahmen zur Beendigung der Praxis der Verwaltungshaft ein.

 

Sachlage

Am 8. September beantragte die Zentrale der israelischen Verteidigungskräfte eine neue viermonatige Verwaltungshaftanordnung gegen Ayman Nasser. Diese wurde am 11. September vom Militärgericht in Ofer bewilligt.

Ayman Nasser ist Koordinator der Rechtsabteilung für die palästinensische Menschenrechtsorganisation Addameer. Nach Angaben seiner Familie hat Ayman Nasser gesundheitliche Probleme. Dazu gehört eine Entzündung am Darm und ein Bandscheibenvorfall, der starke Rückenschmerzen verursacht. Ayman Nasser benötigt regelmäßige medizinische Behandlung und Untersuchungen durch Fachärzte, die er bisher nicht erhalten hat.

Amnesty International hat in der Vergangenheit wiederholt Kritik am System der Verwaltungshaft geübt. In der von Israel angewandten Form verletzt es die Menschenrechte der Verwaltungshäftlinge. Das System der Verwaltungshaft kann zu willkürlicher Inhaftierung und zu grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Bestrafung führen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Ayman Nasser wurde am 9. September 2018 von israelischen Streitkräften festgenommen, als diese nachts eine Razzia in seinem Haus in der Ortschaft Saffa nahe Ramallah durchführten. Der vierfache Vater arbeitete seit 2008 für die palästinensische Menschenrechtsorganisation Addameer (Addameer Prisoner Support and Human Rights Association), zunächst als Researcher, dann als Koordinator der Rechtsabteilung. Er ist zudem Vorsitzender und Mitbegründer des Kulturzentrums Handalah in Saffa, das 1998 eingerichtet wurde, um für die Jugendlichen der Ortschaft Tanz-, Sport-, Kunst- und Bildungsangebote bereitzustellen. Ayman Nasser verfügt über einen Bachelorabschluss in Sozialer Arbeit und einen Masterabschluss in Bildungssozialpsychologie der al-Quds-Universität in Abu Dis östlich von Jerusalem.

Von 1992 bis 1997 verbüßte Ayman Nasser eine fünfjährige Haftstrafe, u. a. wegen Mitgliedschaft in der Volksfront zur Befreiung Palästinas (Popular Front for the Liberation of Palestine – PFLP), einer in Israel verbotenen Partei mit einem bewaffneten Flügel, die sich der politischen Linken zuordnet. Seit seiner Freilassung ist er bereits zweimal wieder festgenommen worden: einmal am 15. Oktober 2012, woraufhin er nach einem Deal mit der Staatsanwaltschaft zu 13 Monaten Gefängnis verurteilt wurde; und am 18. September 2014, woraufhin er ein Jahr in Verwaltungshaft verbrachte.

Amnesty International hat ein verschärftes Vorgehen der israelischen Regierung gegen die palästinensische Zivilgesellschaft und Menschenrechtsverteidiger_innen in den besetzten palästinensischen Gebieten dokumentiert, so auch gegen Addameer. Am 19. September haben gegen 2 Uhr morgens israelische Streitkräfte  das Büro von Addameer durchsucht. Dabei wurden Computer, Festplatten, Unterlagen und weitere Geräte beschlagnahmt. Dies war die dritte Durchsuchung durch israelische Streitkräfte, das Büro war bereits 2002 und 2012 überprüft worden.

Über die Jahre sind zahlreiche Mitarbeiter_innen von Addameer durch die israelischen Behörden festgenommen und inhaftiert worden. Fünf weitere Mitarbeiter_innen der Organisation dürfen auf Anordnung der israelischen Behörden momentan nicht ins Ausland reisen. Die Zivilgesellschaft wird weiterhin mittels einer restriktiven Gesetzgebung und einer entsprechenden Regierungspolitik eingeschränkt; Menschenrechtsarbeit wird durch Verleumdungskampagnen delegitimiert. Dabei haben die israelischen Behörden Organisationen im Visier, die sich für ein Ende der israelischen Besatzungspolitik einsetzen und Israel Völkerrechtsverbrechen vorwerfen, für die sie Rechenschaftspflicht fordern. Dazu gehören auch solche, die Boykotte als eine Art Lobbyarbeit ansehen.