DEINE SPENDE KANN LEBEN RETTEN!
Mit Amnesty kannst du dort helfen, wo es am dringendsten nötig ist.
DEINE SPENDE WIRKT!
Iran: Drei Protestierenden droht die Hinrichtung
Javad Rouhi, Mehdi Mohammadifard und Arshia Takdastan (v.l.) sind im Iran von der Hinrichtung bedroht.
© privat
+++ Update 31.08.2023: Javad Rouhi ist am 31.8. in Haft gestorben. +++
+++ Update 08.06.2023: Im Mai wurden die Todesurteile von Arshia Takdastan, Mehdi Mohammadifard und Javad Rouhi durch den Obersten Gerichtshof aufgehoben. Am 14. Mai 2023 teilte der Rechtsbeistand von Arshia Takdastan auf Twitter mit, dass dieser gegen Kaution aus dem Gefängnis freigelassen worden sei. +++ Update 13.03.2023: Rechtsbeistand gibt öffentlich bekannt, dass das Todesurteil von Arshia Takdastan vom Obersten Gerichtshof aufgehoben worden sei +++ Javad Rouhi, Mehdi Mohammadifard und Arshia Takdastan droht im Iran die Hinrichtung. Sie wurden im Zusammenhang mit den Protesten in Nouschahr in der Provinz Mazandaran in einem unfairen Gerichtsverfahren zum Tode verurteilt. Das Revolutionsgericht wirft ihnen vor, durch Tanzen, Klatschen, Gesang und das Verbrennen von Kopftüchern "zu Unruhen angestiftet" zu haben. Die Behörden unterzogen sie Schlägen, Auspeitschungen, Elektroschocks, Erfrierungen, Morddrohungen und sexualisierter Gewalt, um "Geständnisse" von ihnen zu erzwingen.
Bitte beachten: Allen Personen mit persönlichen Beziehungen in den Iran raten wir, eine Teilnahme zu prüfen. Dieses Schreiben wird mit deinem Vor- und Nachnamen und Mail-Adresse an den Adressaten im Land gesandt.
Appell an
Head of Judiciary
Gholamhossein Mohseni Ejei
c/o Embassy of Iran to the European Union
Avenue Franklin Roosevelt No. 15
Brüssel
BELGIEN
Sende eine Kopie an
Botschaft der Islamischen Republik Iran
S. E. Herrn Mahmoud Farazandeh
Podbielskiallee 67
14195 Berlin
Fax: 030- 83 222 91 33
E-Mail: info@iranbotschaft.de
Amnesty fordert:
- Ich fordere Sie auf, die Todesurteile gegen Arshia Takdastan, Mehdi Mohammadifard und Javad Rouhi umgehend aufzuheben und alle Schuldsprüche im Zusammenhang mit ihrer friedlichen Teilnahme an den Protesten ebenfalls aufzuheben. Für den Fall, dass sie wegen international anerkannter Straftaten angeklagt werden, müssen ihre Wiederaufnahmeverfahren den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entsprechen. Dabei darf nicht auf die Todesstrafe oder ihre erzwungenen "Geständnisse" zurückgegriffen werden.
- Die Folter und Misshandlungsvorwürfe müssen unverzüglich unabhängig untersucht und alle mutmaßlichen Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.
- Ich fordere Sie außerdem auf, ihnen umgehend eine fachärztliche Versorgung für ihre folterbedingten Verletzungen zu gewähren.
Sachlage
Den drei Demonstranten Arshia Takdastan (18 Jahre alt), Mehdi Mohammadifard (19 Jahre alt) und Javad Rouhi (31 Jahre alt) droht nach der Folter im Zusammenhang mit den Protesten am 21. September 2022 in Nouschahr (Provinz Mazandaran) die Hinrichtung. Unter den Vorwürfen "Feindschaft zu Gott" und "Verdorbenheit auf Erden" wurden im Dezember 2022 jeweils zwei Todesurteile gegen sie verhängt. Darüber hinaus wurde Javad Rouhi wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt, weil er unter Folter gestanden hatte, ein Exemplar des Korans verbrannt zu haben. Das Revolutionsgericht in Sari (Provinz Mazandaran) gab in seinem Urteil an, dass die jungen Männer durch Tanzen, Klatschen, Gesang und das Verbrennen von Kopftüchern in großem Umfang zu Brandstiftung und Vandalismus angestiftet hätten. Die Staatsanwaltschaft konnte keine Beweise für die Beteiligung von Javad Rouhi und Arshia Takdastan an derartigen Taten vorlegen. Das Gericht berief sich stattdessen auf ihre unter Folter erzwungenen "Geständnisse", um die Vorwürfe zu belegen, sie seien gewaltsam in eine Wache der Verkehrspolizei eingedrungen, hätten dort mit Gegenständen geworfen. Sie sollen außerdem Steine und eine Glasflasche auf ein Polizeifahrzeug geworfen und eine Straße blockiert haben. Das Gericht berief sich darüber hinaus auf das erzwungene "Geständnis" von Javad Rouhi, um ihm eine "Führungsrolle" bei den Unruhen zuzuschreiben. Laut seinem erzwungenen "Geständnis" hatte er andere Demonstrierende davor gewarnt, das Büro des Gouverneurs zu betreten. Javad Rouhi bestand vor Gericht darauf, dass seine Teilnahme an den Protesten friedlich gewesen sei. Im Fall von Mehdi Mohammadifard berief sich die Staatsanwaltschaft ebenfalls auf seine erzwungenen "Geständnisse", staatliche Gebäude in Brand gesetzt zu haben. Desweiteren zeigten sie ein Video, in dem angeblich zu sehen ist, wie er Molotowcocktails auf eine Wache der Verkehrspolizei wirft. Sein Rechtsbeistand erklärte vor Gericht, das Video beweise nicht, dass er die Brandstiftung provoziert oder daran teilgenommen habe und dass seine "Geständnisse" erzwungen worden seien.
Die Verhängung von Todesurteilen für Straftaten dieser Art verstößt gegen das Recht auf Leben, denn das internationale Recht verbietet die Verhängung der Todesstrafe für Straftaten, die keine vorsätzliche Tötung beinhalten.
Amnesty International erfuhr, dass die drei Männer dem Verschwindenlassen zum Opfer fielen und gefoltert und anderweitig misshandelt wurden, um ihre "Geständnisse" zu erzwingen. Sie wurden unter anderem in Isolationshaft festgehalten und waren Erfrierungen, Auspeitschungen, Elektroschocks, Vergewaltigung und andere Formen sexualisierter Gewalt sowie Morddrohungen unter vorgehaltener Waffe ausgesetzt. Javad Rouhi leidet dadurch an Verletzungen der Schulter (Rotatorenmanschette), Harninkontinenz, Verdauungsproblemen sowie Mobilitäts- und Sprachstörungen. Arshia Takdastan trug einen gebrochenen Zeh und Gedächtnisverlust davon. Mehdi Mohammadifard wurde bei der Vergewaltigung zudem die Nase gebrochen und er leidet an rektalen Blutungen. Sowohl während des Ermittlungsverfahrens als auch während ihrer Gerichtsverhandlungen, die jeweils weniger als eine Stunde dauerten, wurde ihnen der Zugang zu einem Rechtsbeistand ihrer Wahl verweigert. Ihre Rechtsmittel liegen nun dem Obersten Gerichtshof vor.
Hintergrundinformation
Javad Rouhi wurde am 22. September 2022 ebenfalls in Nouschahr gewaltsam auf der Straße festgenommen. Er war zuvor in einem Video identifiziert worden, das ihn bei den Protesten in Nouschahr am Vortag beim Tanzen zeigte. In den folgenden sechs Wochen verheimlichten die Behörden seinen Verbleib vor seiner Familie, was dem Verschwindenlassen gleichkommt. Ende Oktober 2022 durfte er in einem kurzen Anruf seine Familie darüber informieren, dass er sich in einem medizinischen Zentrum befand. Wo dies war, wurde nicht klar. Die Behörden unterbrachen den Anruf allerdings nach wenigen Sekunden. In den folgenden Wochen suchte seine Familie weiterhin nach ihm und kontaktierte unter anderem das Zentralgefängnis in Nouschahr. Anfang November 2022 bestätigten die Behörden schließlich, dass er dort festgehalten wurde, und Mitte November gewährten sie ihm einen Besuch seiner Familie. In den darauffolgenden sechs Wochen bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Behörden ihn Ende Dezember 2022 über sein Todesurteil informierten, wurde ihm der Kontakt zu seiner Familie wieder verweigert.
Später stellte sich heraus, dass Javad Rouhi nach seiner Inhaftierung mehr als 40 Tage lang in Isolationshaft im Shahid Kazemi Haftzentrum der Revolutionsgarden festgehalten worden war, das sich im Tir Kola-Gefängnis in Sari befindet. Nach Amnesty International vorliegenden Informationen, wurde er in dieser Zeit gefoltert. Amnesty International erfuhr auch, dass Javad Rouhi nach der Folter an Harninkontinenz, Verdauungsproblemen, Mobilitäts- und Sprachstörungen litt und notfallmäßig in ein medizinisches Zentrum gebracht wurde, wo er 48 Stunden lang stationär behandelt werden musste. Außerdem zog er sich einen erneuten Riss in der Rotatorenmanschette der Schulter zu, der einige Jahre zuvor operativ behoben worden war. Er leidet nach wie vor an starken Schmerzen im Rücken und an der Hüfte, sowie an Taubheitsgefühlen im rechten Bein, die nicht behandelt wurden und fachärztliche Versorgung erfordern. Sein Prozess fand am 13. Dezember hinter verschlossenen Türen in der ersten Abteilung des Revolutionsgerichts in Sari statt und dauerte weniger als eine Stunde. Während des Prozesses sagte er aus, dass er gefoltert und gezwungen worden sei, falsche "Geständnisse" abzulegen. Trotzdem berief sich das Gericht auf seine erzwungenen "Geständnisse" und weigerte sich, eine Untersuchung der Umstände anzuordnen. Offenbar als Vergeltung dafür, dass er vor Gericht Aussagen über seine Behandlung gemacht hatte, wurde er unmittelbar nach dem Prozess in ein Haftzentrum der Revolutionsgarden in Sari verlegt. Er wurde dort für weitere zwei Wochen in Isolationshaft festgehalten. Ende Dezember 2022 wurde er in das Zentralgefängnis in Nouschahr zurückgebracht, wo er sich bis heute befindet.
Mehdi Mohammadifard tauchte am 1. Oktober 2022 unter, nachdem er von den Revolutionsgarden zu Verhören vorgeladen worden war. Am frühen Morgen des 2. Oktobers 2022 spürten die Revolutionsgarden ihn auf und nahmen ihn fest. Nach Amnesty International vorliegenden Informationen verlief die Festnahme gewaltsam. Er wurde geschlagen und zu Boden gestoßen und erlitt einen Nasenbeinbruch. Amnesty erfuhr auch, dass er nach seiner Inhaftierung eine Woche lang in Isolationshaft in einer von Mäusen und Kakerlaken befallenen Zelle festgehalten wurde. Während dieser Zeit wurde er gefoltert und anderweitig misshandelt. Momentan befindet er sich ebenfalls im Zentralgefängnis in Nouschahr. Bis zu seinem Todesurteil im Dezember 2022 wurde ihm kein Besuch seiner Familie gestattet.