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Iran: Drohende Hinrichtung
Wurde am 22. Januar 2024 im Iran hingerichtet: Mohammad Ghobadlou (Archivbild).
© privat
+++ Update 23. Januar 2024: Wir haben die traurige Nachricht erhalten, dass Mohammad Ghobadlou heute morgen hingerichtet wurde. Die Hinrichtungswelle im Iran hält unvermindert an. Bitte beteiligt euch weiter an den laufenden Urgent Actions für die von der Hinrichtung bedrohten Menschen im Iran! +++
+++ Update 24. Januar 2023: Der Prozess gegen Mohammad Ghobadlu wird vor dem Obersten Gerichtshof neu verhandelt. Seine Hinrichtung wurde vorerst ausgesetzt! Sowohl direkt vor der Hafteinrichtung als auch international mit verschiedenen (Brief-)Aktionen hatten sich zahlreiche Menschen für ihn eingesetzt. Der folgende Text spiegelt zwar den Sachstand zu Beginn dieser Urgent Action am 20. Januar 2023 wider, doch euer Einsatz ist nach wie vor gefragt. Nutzt unser (aktualisiertes) Appellschreiben an die Verantwortlichen und fordert die Aufhebung des Todesurteils. Jede Stimme zählt! +++
Mohammad Ghobadlou droht in Verbindung mit den Protesten im Iran unmittelbar die Hinrichtung. Er wurde nach zwei unfairen Gerichtsverfahren zum Tode verurteilt. In diesen Prozessen wurden durch Folter erzwungene "Geständnisse" eingesetzt und seine psychische Erkrankung nicht angemessen berücksichtigt. Laut Völkerrecht und internationalen Standards darf die Todesstrafe nicht auf Menschen mit psychischen Erkrankungen angewendet werden.
Bitte beachten: Allen Personen mit persönlichen Beziehungen in den Iran raten wir, eine Teilnahme zu prüfen. Dieses Schreiben wird mit deinem Vor- und Nachnamen und Mail-Adresse an den Adressaten im Land gesandt.
Appell an
Oberste Justizautorität
Gholamhossein Mohseni Ejei
c/o Embassy of Iran to the European Union
Avenue Franklin Roosevelt No. 15
Brüssel
BELGIEN
Sende eine Kopie an
Botschaft der Islamischen Republik Iran
S. E. Herrn Mahmoud Farazandeh
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030- 83 222 91 33
E-Mail: info@iranbotschaft.de
Amnesty fordert:
- Heben Sie bitte umgehend die Schuldsprüche und Todesurteile gegen Mohammad Ghobadlou auf und gewähren Sie ihm ein faires Wiederaufnahmeverfahren ohne Rückgriff auf die Todesstrafe, da laut Völkerrecht und internationalen Standards Menschen mit psychischen Erkrankungen nicht zum Tode verurteilt werden dürfen. Zudem dürfen in dem Verfahren keine erzwungenen "Geständnisse" zum Einsatz kommen und seiner Erkrankung muss angemessen Rechnung getragen werden.
- Bitte sorgen Sie dafür, dass er umgehend eine angemessene Behandlung für seine psychische Erkrankung erhält und regelmäßigen Zugang zu seinen Familienangehörigen und Rechtsbeiständen hat.
- Leiten Sie zudem eine unabhängige und unparteiische Untersuchung seiner Folter- und Misshandlungsvorwürfe ein und ziehen Sie alle mutmaßlich Verantwortlichen zur Rechenschaft.
- Bitte verhängen Sie überdies ein offizielles Hinrichtungsmoratorium mit dem Ziel, die Todesstrafe ganz abzuschaffen.
Sachlage
(Stand: 20.01.2023; Text wurde nicht aktualisiert)
Der 22-jährige Mohammad Ghobadlou, der seit langer Zeit mit einer psychischen Erkrankung lebt, ist in unmittelbarer Gefahr, hingerichtet zu werden. Er wurde in Verbindung mit dem Tod eines Angehörigen der Sicherheitskräfte von zwei verschiedenen Gerichten zum Tode verurteilt, weil er bei einer Protestveranstaltung in Robat Karim in der Provinz Teheran am 22. September 2022 einen Polizisten überfahren haben soll. Das erste Urteil erging am 16. November vor dem Revolutionsgericht wegen "Verdorbenheit auf Erden" (ifsad fil-arz) und wurde am 24. Dezember durch den Obersten Gerichtshof bestätigt. Ein Antrag auf gerichtliche Überprüfung ist nach wie vor anhängig. Das zweite Todesurteil verhängte das Strafgericht Nr. 1 in der Provinz Teheran am 24. Dezember, diesmal wegen "Mordes". Rechtsmittel gegen das Urteil sind derzeit vor dem Obersten Gerichtshof anhängig. Beide Urteile wurden in Gerichtsverfahren gesprochen, die bei Weitem nicht den internationalen Standards für faire Verfahren genügten, und würden bei einer Vollstreckung gegen das Recht auf Leben von Mohammad Ghobadlou verstoßen.
Während der ca. einmonatigen Ermittlungen wurde Mohammad Ghobadlou der Zugang zu einem Rechtsbeistand verweigert. Amnesty International vorliegenden Informationen zufolge wurde er in diesem Zeitraum wiederholt von Angehörigen der Behörden geschlagen. Zudem wurden ihm die Medikamente gegen seine manisch-depressive Erkrankung vorenthalten, um ihn dazu zu bringen, zu "gestehen", vorsätzlich mehrere Sicherheitskräfte überfahren zu haben. Ein gerichtsmedizinisches Gutachten vom 20. Oktober 2022 belegt, dass er während des Gewahrsams Prellungen und Verletzungen davontrug. In den beiden kurzen Anhörungen vor dem Revolutionsgericht am 29. Oktober und 15. November durfte er nicht von dem Rechtsbeistand seiner Wahl vertreten werden. Zwischen den beiden Anhörungen wurde Mohammad Ghobadlou in Einzelhaft gehalten, hatte keinen Zugang zu seiner Familie und seinen Rechtsbeiständen und durfte seine Medikamente nicht einnehmen. Das Verfahren vor dem Strafgericht Nr. 1 in der Provinz Teheran bestand ebenfalls nur aus zwei kurzen Anhörungen, die am 4. und 10. Dezember stattfanden. Auch in diesem Verfahren wurde Mohammad Ghobadlou das Recht auf eine angemessene Verteidigung verwehrt, da der Rechtsbeistand seiner Wahl keinen Zugang zu den Sachbeweisen hatte.
Darüber hinaus ordneten die Behörden keine unabhängigen Gutachten über seine mentale Gesundheit an, obwohl die Frage nach seinem psychischen Zustand und seiner Fähigkeit, sein Verhalten zu kontrollieren, eine zentrale Rolle spielte. Laut Völkerrecht und internationalen Standards darf die Todesstrafe nicht auf Menschen mit psychischen Erkrankungen angewendet werden. Amnesty International lehnt die Todesstrafe grundsätzlich und ohne Ausnahme ab, ungeachtet der Art und Umstände des Verbrechens, der Schuld oder Unschuld oder anderer Eigenschaften der Person.
Hintergrundinformation
Auf Englisch:
Mohammad Ghobadlou was under the supervision of a psychiatric hospital for bipolar disorder since the age of 15. According to information obtained by Amnesty International, during the two months leading to his arrest on 22 September 2022, he had suffered from heightened distress and extreme mood episodes. Following his arrest, he was held for several days at a detention centre of the Public Security Police of the Law Enforcement Command (police-e amniat), where, according to information gathered by Amnesty International, he was severely beaten. The organization learned that after repeated beatings and after his interrogators promised to release him and facilitate his departure from Iran, he was forced to "confess" and read a pre-typed statement in front of a video camera. He spent the rest of his time during the investigation stage, which lasted until late October 2022, at the Greater Tehran Central Penitentiary. During this period, he was taken several times before the lead investigator of Branch 1 of the Office of the Prosecutor in Robat Karim, Tehran province, for questioning. During each transfer, he said officials tied his hands and feet together, pushed him under the rear seat of a car and beat him.
Mohammad Ghobadlou was not provided with his bipolar medication throughout the investigation phase and until after his first trial session on 29 October 2022. This abusive practice, which violates the absolute prohibition of torture and other ill-treatment, led to a deterioration in his mental health and made him further vulnerable during his interrogations and trial. On 1 November 2022, his mother released a video message, saying authorities had barred her son from receiving visits, were holding him in solitary confinement and denying him his medication. The authorities subsequently transferred him from the Greater Tehran Central Penitentiary to Rajai’ Shahr prison in Karaj, where he remains to date. There, they provided him with his medication, but continued to keep him in solitary confinement until two days before his second trial session on 15 November 2022. Amnesty International reviewed two official letters, dated 11 and 15 October 2022, sent by senior prison officials at the Greater Tehran Central Penitentiary to the prosecution authorities, warning about his mental health and calling for his release on medical grounds. The documents bear the official stamps of the prosecutor of Robat Karim, Tehran province, and of the lead investigator of Brach 1 of the Office of the Prosecutor in Robat Karim, which indicate they received the warnings.
Despite this, the prosecution authorities failed to ensure that Mohammad Ghobadlou receives his medication or order a detailed mental health assessment, which his family and lawyer say would have provided evidence that his mental disability had substantially impaired his responsibility for his actions. He was brought before a psychiatrist working for the Legal Medicine Organization of Iran, the state forensic institute operating under the judiciary, only once about two weeks after his arrest. The psychiatrist was not provided with any background information on Mohammad Ghobadlou’s mental health or his medical records. Without conducting a detailed assessment and after several general questions about the events of 22 September 2022, the psychiatrist stated that Mohammad Ghobadlou had acted in a purposeful manner and fully appreciated the nature of his conduct. The psychiatrist testified to this effect before Criminal Court One in Tehran province on 10 December 2022. However, on 29 December 2022, the psychiatrist effectively retracted his earlier position and joined dozens of psychiatrists who published an open letter to the head of judiciary urging that a committee consisting of distinguished psychiatrists closely examines Mohammad Ghobadlou’s mental health and assesses its impact on his capacity to exercise judgement. International standards require that defendants in capital cases have access to independent and rigorous mental health assessments at intervals throughout the entire criminal justice process. They further require that as soon as mental disabilities are diagnosed, prisoners are provided with prompt and appropriate treatment and support and protected against the imposition of the death penalty. According to the UN Committee on the Rights of Persons with Disabilities, denial of access to individual support and reasonable accommodation constitutes discrimination.
The trial of Mohammad Ghobadlou before Criminal Court One in Tehran province consisted of two brief sessions on 4 and 10 December 2022. His lawyer has stated on his twitter account that he was denied access to material evidence, including the CCTV footage and photographs of the incident on 22 September, the injuries sustained by the deceased at time of the incident or his body after death. The lawyer has also publicly stated that this lack of transparency, together with glaring discrepancies between police reports prepared shortly after the incident and subsequent allegations by the prosecution authorities about the nature of injuries sustained by the deceased, raises serious doubts as to whether his client’s conduct was a substantial cause of death.
In opposing the death penalty, Amnesty International does not minimize or condone violent crimes. Families who have lost their loves ones to violent crimes have a right to see the person responsible held to account in a fair trial without resort to the death penalty. The death penalty is pre-meditated, vengeful state-sanctioned killing of human beings, not justice. It brutalizes the society and devalues over time the worth that society places upon human life.