Iran: Gefoltertem Kurden droht Hinrichtung

Der iranische Kurde Heidar Ghorbani
Dem iranisch-kurdischen Gefangenen Heidar Ghorbani droht wegen "bewaffneter Rebellion gegen den Staat" (baghi) die Hinrichtung, obwohl die Grundsätze eines fairen Verfahrens ernsthaft verletzt wurden und das Untersuchungsgericht bestätigt hat, dass er nie bewaffnet war. Im August 2021 wies der Oberste Gerichtshof seinen zweiten Antrag auf gerichtliche Überprüfung zurück. Sein Schuldspruch stützt sich auf "Geständnisse", die unter Folter erzwungen wurden, während er Opfer des Verschwindenlassens war.
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Appell an
Oberste Justizautorität
Gholamhossein Mohseni Ejei
c/o Embassy of Iran to the European Union
Avenue Franklin Roosevelt No. 15
1050 Bruxelles
BELGIEN
Sende eine Kopie an
Botschaft der Islamischen Republik Iran
S. E. Herrn Mahmoud Farazandeh
Podbielskiallee 67, 14195 Berlin
Fax: 030-83 222 91 33
E-Mail: info@iranbotschaft.de
Amnesty fordert:
- Ich bitte Sie hiermit, die Hinrichtung von Heidar Ghorbani umgehend zu stoppen.
- Bitte heben Sie den Schuldspruch und das Todesurteil gegen Heidar Ghorbani auf und gewähren Sie ihm ein faires Wiederaufnahmeverfahren, ohne "Geständnisse", die unter Folter oder anderen Misshandlungen erzwungen wurden oder die in Abwesenheit von Rechtsbeiständen erfolgten, und in dem nicht auf die Todesstrafe zurückgegriffen wird.
- Leiten Sie bitte eine Untersuchung der Vorwürfe des Verschwindenlassens und der Folter von Heidar Ghorbani ein und stellen Sie die mutmaßlich Verantwortlichen in einem fairen Verfahren vor Gericht.
Sachlage
Nach einem Gerichtsverfahren, das bei Weitem nicht den internationalen Standards für faire Verfahren entsprach, wurde Heidar Ghorbani am 21. Januar 2020 von einem Revolutionsgericht in Sanandaj der "bewaffneten Rebellion gegen den Staat" schuldig gesprochen. Er wurde im Zusammenhang mit der Ermordung von drei Männern zum Tode verurteilt. Berichten zufolge gehörten die drei Männer zur paramilitärischen Basidsch-Armee und wurden im September bzw. Oktober 2016 von Personen getötet, die der Kurdischen Demokratischen Partei des Iran, einer bewaffneten kurdischen Oppositionsgruppe, angehören. Im Urteil räumt das Gericht ein, dass Heidar Ghorbani zu keiner Zeit bewaffnet gewesen war. Stattdessen berief es sich auf das unter Folter erlangte "Geständnis", er habe die Täter unterstützt, indem er sie zum Tatort gefahren und dort wieder abgeholt habe. Im August 2020 bestätigte die Abteilung 27 des Obersten Gerichtshofs sein Todesurteil, ohne auf die zahlreichen Verletzungen der verfahrensrechtlichen Garantien und Probleme bei der Beweisführung einzugehen. Im darauffolgenden Monat wies der Oberste Gerichtshof seinen ersten Antrag auf gerichtliche Überprüfung zurück. Amnesty International weist darauf hin, dass das Urteil sowohl gegen Irans völkerrechtliche Verpflichtungen verstößt, die die Verhängung von Todesurteilen auf "schwerste Verbrechen" wie Mord mit Vorsatz beschränkt, als auch Irans eigene Gesetze, die festschreiben, dass Personen das Verbrechen "bewaffnete Rebellion gegen den Staat" nur zur Last gelegt werden kann, wenn sie Mitglied einer bewaffneten Gruppe sind und selbst Waffen eingesetzt haben.
Nach seiner Festnahme durch Angehörige des Geheimdienstministeriums am 11. Oktober 2016 wurde Heidar Ghobani in verlängerter Einzelhaft gehalten und ist dem Verschwindenlassen zum Opfer gefallen. Er gibt an, während dieser Zeit wiederholt gefoltert worden zu sein, damit er ein auf Video aufgezeichnetes "Geständnis" abgab, das unter Verstoß gegen die Unschuldsvermutung vor seinem Gerichtsverfahren im März 2017 im staatlichen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Ihm wurde während der Ermittlungen der Zugang zu einem Rechtsbeistand verweigert und während des Verfahrens erhielten seine Rechtsbeistände keinen vollumfänglichen Zugang zu den Gerichtsakten.
Hintergrundinformation
Am 12. September 2020 beantragten Heidar Ghorbanis Rechtsbeistände bei der Obersten Justizautorität, von der in Paragraf 477 der iranischen Strafprozessordnung festgeschriebenen Befugnis Gebrauch zu machen, eine Überprüfung des Falls anzuordnen, da das ergangene Urteil ganz offensichtlich sowohl iranischem als auch Scharia-Recht zuwiderläuft. Laut seinen Rechtsbeiständen hatte die Oberste Justizautorität den Antrag auf gerichtliche Überprüfung an eine Abteilung des Obersten Gerichtshofs weitergeleitet, welche ihn Anfang August 2021 abgelehnt hat. In Paragraf 287 des Islamischen Strafgesetzbuchs heißt es: "Jede Gruppe, die die Waffen gegen das Fundament der Islamischen Republik Iran erhebt, gilt als baghi. Greifen ihre Mitglieder zu den Waffen, sollen sie zum Tode verurteilt werden." Nach Informationen in Heidar Ghorbanis Akte, die Amnesty International erhalten hat, äußerte selbst der Ermittler in diesem Fall, der bei der Staatsanwaltschaft in der Provinz Kurdistan arbeitet, am 1. Februar 2017 schriftlich, dass es keine Beweise gibt, um Heidar Ghorbani der "bewaffneten Rebellion gegen den Staat" (baghi) anzuklagen. Dennoch bestand die Staatsanwaltschaft darauf, dass die Anklageschrift diese Anklage enthält. Heidar Ghorbani dementierte, ein Mitglied der bewaffneten kurdischen Oppositionsgruppe "Kurdische Demokratische Partei des Iran", zu sein.
Heidar Ghorbani wurde am 12. Oktober 2016 von etwa zehn Angehörigen des Geheimdienstministeriums ohne Haftbefehl festgenommen. Sie durchsuchten zudem seine Wohnung. Fast drei Monate lang wurde seiner Familie jede Information zu seinem Schicksal und Aufenthaltsort verweigert. Sie wussten nicht einmal, ob er noch am Leben war. Am 5. Januar 2017 durfte er seine Familie kurz anrufen, doch seinen Aufenthaltsort konnte er seinen Angehörigen nicht mitteilen. Nach diesem Anruf wurde seine Familie erneut bis zum April 2017 über sein Schicksal und seinen Aufenthaltsort im Dunkeln gelassen. Dann wurde er in das Zentralgefängnis in Sanandaj in der Provinz Kurdistan gebracht. Nach seiner Verbringung in das Gefängnis in Sanandaj, sagte Heidar Ghorbani, dass er während seines Verschwindenlassens mehrere Tage in einer Hafteinrichtung in Kamyaran in der Provinz Kurdistan festgehalten wurde, die von der Ermittlungsabteilung der iranischen Polizei (Agahi) betrieben wird und man ihn dann in eine Hafteinrichtung des Geheimdienstministeriums in Sanandaj brachte. Dort wurde er unter Verstoß gegen das absolute Verbot von Folter und anderen Misshandlungen mehrere Monate in verlängerter Einzelhaft gehalten. Er berichtete, dass seine Verhörer ihn während dieser Zeit traten und mit Fäusten schlugen, ihn nicht schlafen ließen und ihn zwangen, am Boden zu liegen, während sie über ihn liefen und ihm dadurch Erstickungsgefühle verursachten.
Am 8. März 2017 strahlte Press TV, eine staatlicher Sender, der auf Englisch sendet, ein Propaganda-Video mit dem Titel "Der Fahrer des Todes" aus, in dem die erzwungenen "Geständnisse" von Heidar Ghorbani ohne sein Wissen gezeigt wurden. Zusätzlich zu dem Verstoß gegen die Unschuldsvermutung und das Recht, während eines Verhörs und Verfahrens zu schweigen, verstoßen die psychischen Qualen, die solche "Geständnis"-Videos bei den Gefangenen und ihren Familien auslösen, gegen das im Völkerrecht verankerte absolute Verbot von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, da sie in der Regel die Betroffenen entmenschlichen und dämonisieren und beabsichtigen ihre "Schuld" an schweren Verbrechen zu zeigen. Zusätzlich zu dem Verfahren vor dem Revolutionsgericht stand Heidar Ghorbani auch vor der Abteilung 1 des Strafgerichts 1 der Provinz Kurdistan vor Gericht. Dort wurde er beschuldigt, Beihilfe zu einem Mord geleistet zu haben, eine Entführung versucht und den Tätern bei der Flucht geholfen zu haben. In diesem Verfahren wurde er am 6. Oktober 2019 zu insgesamt 118 Jahren und sechs Monaten Haft sowie 200 Stockhieben verurteilt.
Nach den internationalen Menschenrechtsnormen müssen bei Verfahren, in denen die Todesstrafe verhängt werden kann, die relevanten internationalen Standards für faire Verfahren minutiös beachtet werden, insbesondere angesichts der Endgültigkeit der Todesstrafe. Personen, denen die Todesstrafe droht, müssen in jeder Phase des Verfahrens eine kompetente Rechtsvertretung erhalten. Für mutmaßliche Straftäter_innen muss die Unschuldsvermutung gelten. Die Todesstrafe darf nur verhängt werden, wenn die Schuld in eindeutiger und überzeugender Weise, die keine andere Erklärung des Sachverhalts zulässt, nachgewiesen wurde. Darüberhinaus müssen alle strafmildernden Faktoren Eingang finden. Das Verfahren muss das Recht auf Überprüfung sowohl was die Tatsachen als auch was die rechtlichen Aspekte des Falls angeht durch ein höheres Gericht gewährleisten. Die Verhängung der Todesstrafe nach einem Strafverfahren, dass den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren nicht entsprochen hat, ist ein willkürlicher Entzug des Rechts auf Leben und kann einer außergerichtlichen Hinrichtung gleichkommen. In einer Stellungnahme vom 3. September 2021 erklärten mehrere UN-Menschenrechtsexpert_innen: "Im Fall von Heidar Ghorbani scheinen viele grundlegende Garantien für ein faires Gerichtsverfahren und einen ordnungsgemäßen Prozess, die in den internationalen Menschenrechtsnormen verankert sind, verletzt worden zu sein".
Amnesty International lehnt die Todesstrafe grundsätzlich und ohne Ausnahme ab, ungeachtet der Art und Umstände des Verbrechens, der Schuld oder Unschuld oder anderer Eigenschaften der Person oder der Hinrichtungsmethode. Die Todesstrafe verletzt das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschriebene Recht auf Leben und ist die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen. Amnesty International ruft seit langem alle Länder, die an der Todesstrafe festhalten, einschließlich des Iran, auf, ein Hinrichtungsmoratorium zu erlassen, als ersten Schritt hin zur vollständigen Abschaffung der Todesstrafe.